Gegen Leverkusen fällt die Entscheidung über die Teilnahme am Abstiegskampf, im CCH die um den alten und den neuen Präsidenten.

Hamburg. Holger Stanislawski machte den Anfang. Als er gestern nach dem Abschlusstraining den Kader für das Heimspiel am heutigen Sonnabend gegen Bayer Leverkusen (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) bekannt gab, war der erste Wahltag beim FC St. Pauli abgeschlossen. Auf die Nominierung der 18 Spieler folgt das wegweisende Heimspiel, ehe am Sonntag und Montag bei der zweitägigen Jahreshauptversammlung zahlreiche brisante Anträge sowie die Wahlen von Präsidium und Aufsichtsrat warten. Vier Tage, in denen es um nicht weniger als die Zukunft des Klubs geht: die kurzfristige, mittelfristige und langfristige. Weichen werden gestellt.

Und sollte die Selektion Stanislawskis als Vorzeichen taugen, warten am Wochenende einige Überraschungen auf die St. Paulianerinnen und St. Paulianer. Mit Moritz Volz und Florian Lechner verzichtete er gleich auf beide Vertreter seines gerade erst wieder genesenen Rechtsverteidigers Carsten Rothenbach. Statt sich zur Sicherheit eine Alternative für den 30-Jährigen bereitzuhalten, wird auf der Bank der Überfall geprobt. Mit Marius Ebbers, Gerald Asamoah, Florian Bruns, Rouwen Hennings, Deniz Naki, Max Kruse, Fin Bartels und Charles Takyi warten acht Offensivkräfte auf ihren Einsatz, von denen maximal fünf - sollte Bruns den verletzten Fabian Boll ersetzen oder Stanislawski das System zu einem 4-1-4-1 modifizieren - in der Startelf stehen könnten. Unabhängig von Personalauswahl und Systemfrage geht es gegen die als "stärkste Bundesligamannschaft" geadelten Leverkusener ohnehin einzig darum, den Start in den Abstiegskampf zu vermeiden. Die Mannschaft hat die Wahl.

Wie auch die Mitglieder am Tag darauf im Saal 1 des CCH, wenn Versammlungsleiter Felix Wanke um 14 Uhr die Jahreshauptversammlung eröffnet. Neben der Legitimation des bisher kommissarisch eingesetzten Präsidiums um Stefan Orth, stehen neun Anträge zur Abstimmung, von denen mindestens zwei intensiv diskutiert werden dürften. So will Jens Feldhusen, der sich am Montag neben zwölf anderen Kandidaten auch für den siebenköpfigen Aufsichtsrat bewirbt, erwirken, "dass der Verein auf der Haupttribüne die Blöcke U8 und U9 umgehend, allerdings spätestens bis zum Beginn der Saison 2011/2012, wieder einrichtet und hierzu seinen maßgeblichen Einfluss auf die FC St. Pauli Stadion Betriebsgesellschaft geltend macht." Dass diese tatsächlich Millerntor-Stadion-Betriebsgesellschaft heißt, ändert nichts daran, dass ein entsprechendes Votum bindend wäre und die Umwandlung von finanziell lukrativen Business-Seats in preisgünstige Sitzplätze zur Folge hätte. Bestehende Verträge mit Mietern müssten gebrochen oder ebenso verändert werden wie die Modalitäten der Kredittilgung beim Stadionneubau.

Völlig offen scheint auch der Ausgang eines unter anderem von Stanislawski, seinem Co-Trainer Andre Trulsen und Sportchef Helmut Schulte gestellten Antrags, Ex-Präsident Corny Littmann zum Ehrenpräsidenten zu ernennen. "Ich bin auserkoren worden, den Antrag auf der Versammlung zu verlesen", sagt der Trainer überraschend passiv, "ich werde zwei, drei Sätze dazu sagen. Es geht ja nicht darum, da eine Diskussionsrunde aufzumachen." Genau die dürfte es aber geben, da Littmann trotz aller ablesbaren Erfolge den Verein in zwei Lager polarisiert und die Satzung diesen Titel nicht vorsieht. So wird am Sonntag der Ehrenrat gehört werden müssen, dessen Empfehlung mit Spannung erwartet, voraussichtlich aber nicht Antrags konform ausfallen wird.

Das letzte Wort haben die Mitglieder, die sich auf den Sonntag ähnlich akribisch vorbereiten sollten wie der Trainer. Wenngleich dessen Entscheidungsfindung bei der Kaderzusammenstellung laut eigener Aussage historisch knapp ausfiel: "So schwer war es noch nie." Ein Satz, der vielleicht auch am Sonnabend, in jedem Fall am Sonntag und Montag Gültigkeit haben dürfte.