Für den FC St. Pauli wird die ausverkaufte Partie am Sonntag zum Stresstest. Nur bei einem Sieg bliebe die realistische Aufstiegschance erhalten.

Hamburg. Sein Blick verfinsterte sich immer mehr, doch er wartete das Ende der Frage höflich ab. Es brodelte in André Schubert, dessen Kiefermuskulatur deutlich sichtbar arbeitete. Als der Journalist seine Ausführung über mögliche Siegchancen in einer Relegation zwischen Bundes- und Zweitligist beendet hatte, platzte es aus St. Paulis Trainer heraus: "Schauen Sie sich um, der Großteil Ihrer Kollegen kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, und dabei belasse ich es auch", sagte Schubert mit gequältem Lächeln, bezog dann aber doch noch Stellung: "Lassen Sie uns über Dresden sprechen und nicht über irgend eine Relegationskacke!"

Im Saisonfinale, wenn die Spiele weniger und der Druck immer größer werden, ist Nervenstärke gefragt. Doch auch wenn Schubert seinen persönlichen Stresstest auf der gestrigen Pressekonferenz nicht bestehen wollte, präsentiert sich die Mannschaft vor dem entscheidenden Spiel am Sonntag bei Dynamo Dresden (13.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) in stabiler Verfassung.

Die Mannschaft wirkt nach guter Trainingswoche souverän und fokussiert. "Die Stimmung ist eine gute, aber die Jungs sind konzentriert. Es geht ja auch um viel, das ist schön, und deshalb sollten wir da auch mit Spaß hinfahren und die Situation genießen, die wir uns erarbeitet haben", so Schubert, der möglichen Verkrampfungen prophylaktisch entgegentritt. So hatte er bereits in der vergangenen Woche einen außerplanmäßigen Termin angesetzt und die Spieler zum feucht-fröhlichen Mannschaftsabend geladen. Wenige Tage später folgte mit dem 3:0-Erfolg über Rostock der höchste Heimsieg der Saison. Auf der Zielgeraden lockert der 40-Jährige die Zügel, sorgt für Entspannung und fährt damit bislang gut. Das 3:0 bedeutete in der aufgemachten Drei-Spiele-/Neun-Punkte-Rechnung die Zähler eins, zwei und drei.

+++Der Torjäger bleibt: Ebbers verlängert um ein Jahr+++

Das Fernduell mit Düsseldorf und Paderborn wird ausgeblendet, über die Zwischenstände auf den anderen Plätzen wird es auf der Bank keine Informationen geben. Es gelte allein, im mit 32 066 Zuschauern ausverkauften Glücksgas Stadion die Zähler vier, fünf und sechs einzufahren. "Ich bin mir sicher, dass wir am Ende Dritter sein werden, wenn wir unsere Spiele alle gewinnen", sagt Schubert, sagen die Spieler.

Dass sich das Nervenspiel gegen den aller Abstiegssorgen ledigen Aufsteiger negativ auf die eigene Leistungsstärke auswirken könnte, glaubt niemand. Er habe keine Einzelgespräche führen müssen, sagte Schubert, "wir haben den Erwartungsdruck in jedem Spiel der Saison gehabt. Man hat stets einen Sieg von uns erwartet." Und auch extreme Drucksituationen seien für die Mannschaft nicht neu, findet Marius Ebbers: "Selbst unsere jungen Spieler haben so etwas alle schon mal erlebt", weiß der 34-Jährige, der die gute Laune im Kader erahnen lässt: "Naja, vielleicht mit Ausnahme von Lasse Sobiech, aber der ist ja auch schon zweifacher Meister." Der Leihspieler von Borussia Dortmund zählt nicht zu den zwölf Spielern im Kader, die bei St. Paulis Aufstieg 2010 mit dabei waren. Sebastian Schachten und Mahir Saglik trafen vor einem Jahr mit Mönchengladbach und Bochum in der Relegation aufeinander, Fin Bartels spielte 2010 mit Rostock Entscheidungsspiele gegen Ingolstadt. "Jetzt wird jedes Spiel ein Monster. Als Spieler kriegst du Dünnpfiff, musst häufiger aufs Klo, schläfst schlecht", hatte Nico Patschinski, der 2001 mit St. Pauli in die Bundesliga aufgestiegen war, vor zwei Wochen prophezeit. "Ich gehe vor den Spielen immer sehr häufig auf die Toilette, aber Schiss in der Buchse habe ich nicht", widerspricht Ebbers.

Der Angreifer wirkt voll konzentriert, erhielt nach wochenlanger Hängepartie nun auch rechtzeitig seinen neuen Vertrag. Bei 25 Pflichtspieleinsätzen verlängert sich das bis 2013 befristete Arbeitspapier um ein weiteres Jahr. Der Routinier plant, seine Karriere in Hamburg zu beenden und möchte noch einmal Bundesliga spielen. "Wir müssen in der Offensive da anknüpfen, wo wir gegen Rostock aufgehört haben", sagt Schubert. Ebbers verließ den Platz nach zwei Toren und einer Vorlage, erhöhte sein Konto auf 98 Zweitligatore. "Vielleicht klappt es ja schon in Dresden mit dem 100.", zeigt er sich selbstbewusst. Er ist der Mann für die besonderen Momente, erzielte St. Paulis Treffer 1000 und 1111 in der Liga und besaß 2010 maßgeblich Anteil am Aufstieg. Ebbers traf in jedem der letzten drei Spiele, darunter sein 2:1 beim 4:1-Sieg im Aufstiegsspiel in Fürth. Es war der 33. Spieltag, St. Pauli hatte die Nerven behalten und den entscheidenden Schritt zur Bundesliga gemacht ...

Das Restprogramm im Kampf um Platz drei: Düsseldorf: SpVgg Greuther Fürth (Auswärtsspiel), MSV Duisburg (Heimspiel). St. Pauli: Dynamo Dresden (A), SC Paderborn (H). Paderborn: FSV Frankfurt (H), FC St. Pauli (A).