Mit zwei Toren und einer Vorlage überragt St. Paulis Angreifer beim 3:0 gegen Hansa Rostock. Jetzt ist der Relegationsplatz wieder nah.

Hamburg. Eigentlich hätte er sich den Einblick in sein Seelenleben sparen können. "Ich habe mich gut gefühlt, das hat Spaß gemacht heute", bekannte Marius Ebbers nach dem Abpfiff und berichtete somit das, was ohnehin alle 22 620 Zuschauer in den vorangegangenen 90 Minuten mitbekommen hatten. Mit zwei Treffern, einer Torvorlage, aber auch vielen guten Ideen, weiten Laufwegen auf die Flügel oder auch nach hinten und großer Spiellaune besaß der 34-jährige Angreifer entscheidenden Anteil am 3:0-Derbysieg seines FC St. Pauli über Hansa Rostock. "Es freut mich für Ebbe, dass er getroffen hat", sagte Trainer André Schubert nach dem höchsten Heimsieg seit Januar 2011 (3:0 gegen Köln) und sah sich in seiner grundsätzlichen Einschätzung bestätigt: "Ich habe ja immer gesagt, dass er für 15, 20 Tore gut ist in der Zweiten Liga - wenn er denn fit ist. Und man hat in den vergangenen Wochen gesehen, dass es immer besser wird."

Aufsteigende Tendenz bei Ebbers, der damit als Sinnbild für die gesamte Mannschaft steht. Klammert man die vergangene 1:2 Niederlage beim souveränen Tabellenführer in Fürth einmal aus, zeigt die Formkurve der Hamburger spätestens seit dem vor drei Wochen erzielten 1:1 bei Fortuna Düsseldorf stetig nach oben. Was ja auch notwendig ist, schließlich braucht der FC St. Pauli im Kampf um den Relegationsplatz wohl noch zwei Siege aus den letzten beiden Spielen (siehe Text unten).

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"Wir hatten eine Zeit lang vergessen, unserem Kombinationsspiel nachzugehen, und uns vorgenommen, das wieder zu verbessern, haben es trainiert, und jetzt funktioniert es wieder", sagt Max Kruse, der gegen Hansa mit überraschenden, genauen Pässen oft im Zentrum der wiederentdeckten Spielkultur stand und so mit Deniz Naki, Fin Bartels und auch Dennis Daube zum zuverlässigen Lieferanten des umtriebigen Ebbers geriet.

"Ich habe zwei Tore erzielt, hätte aber vier machen müssen", wusste der von den Fans wie im Aufstiegsjahr wieder als "Fußballgott" besungene und bei seiner Auswechslung zehn Minuten vor dem Ende mit Ovationen gefeierte Mann des Tages. In der zwölften Minute verwandelte er eine Kruse-Flanke zum 1:0, kurz nach Wiederanpfiff schob er den Ball nach Nakis Pass Rostocks Torwart Hahnel zum 2:0 durch die Beine (49.). Die Entscheidung war gefallen, ein deutlich höherer Sieg wurde aber vergeben, weil Sebastian Schachten einen Schuss von Markus Thorandt aus dem Strafraum heraus statt ins Tor hineinbugsierte (71.), Ebbers gleich zweimal frei vor Hahnel am Schlussmann scheiterte (75., 76.) und sich somit lediglich noch als Vorbereiter für Bartels' 3:0 in Szene setzen konnte (79.).

Letztlich Schönheitsfehler in einem Spiel, in dem beide Mannschaften dem Gegner zu viele Räume gewährten, was Philipp Tschauner zumindest im ersten Abschnitt einige Glanztaten abnötigte. "Er hat uns da im Spiel gehalten", lobte Fabian Boll, "aber insgesamt geht der Sieg auch in der Höhe in Ordnung." Es war ein lockerer Sieg in einem zunehmend einseitigen Derby, das angesichts des überdeutlichen Leistungsunterschieds und der Begleitumstände mit ausgesperrten Rostocker Fans und dem freiwilligen Verzicht einiger Hundert St. Paulianer (siehe Bericht Seite 7) einem Etikettenschwindel gleichkam. Selbst die 50 Hansa-Anhänger, die über St. Paulianer an Karten gekommen waren und gemeinsam mit den gegnerischen Fans friedlich den Auswärtsblock durchmischten, ließen kaum Rivalität durchblicken, während Schiedsrichter Markus Schmidt angenehm farblos blieb und die Karten in seiner Tasche lassen konnte. "Nein, das war nicht die schöne, hitzige Derby-Atmosphäre", fand Fabian Boll, der angesichts der entzogenen Unterstützung durch die Ultras auf der Südtribüne aber die ungewohnte Stimmung im Stadion hervorhob: "Da fehlte irgendwie etwas, aber das war heute richtig schöner Old-School-Support." Gesänge alter Schule und die Rückkehr zur hohen Fußballkunst als Triebfedern zum ersten von drei angepeilten Siege im Saisonendspurt. Insofern darf die aufsteigende Tendenz nach dem souveränen Erfolg auch wörtlich verstanden werden. "Ich hoffe, dass jetzt am kommenden Sonntag in Dresden die Punkte vier, fünf und sechs folgen", blickte Schubert bereits nach vorn.

Bei Ebbers hingegen dürfte bereits zuvor eine Entscheidung fallen. "Es wäre schade, wenn ich die Verantwortlichen noch mit diesen zwei Toren hätte überzeugen müssen, schließlich bin ich ja schon ein paar Jahre hier", sagte er und zeigte sich bei den derzeit laufenden Vertragsverhandlungen optimistisch, "dass wir diese Woche ein Ergebnis kriegen". Es sieht so aus, als sollte er auch kommende Saison noch eine Menge Spaß am Millerntor bekommen.