Mit starken Leistungen hat sich St. Paulis zentraler Mittelfeldspieler in eine Führungsrolle aber auch in den Fokus anderer Klubs gespielt.

Hamburg. Nein, die Füße seien nicht das Problem, "schon eher das Gesicht und die Hände. Die tun dann doch etwas weh, wenn der Schal bei minus neun Grad auf dem Platz gefriert", sagt Max Kruse. Fragen, wie die zu den eisigen Trainingstemperaturen beantwortet St. Paulis Mittelfeldspieler gern und detailliert. Sobald es um essenzielle Dinge geht, weicht der Profi aber aus. Mit welcher Erwartungshaltung er in die ausstehenden 15 Partien geht? "Auf unseren bisherigen Leistungen können wir aufbauen." Wie es sei, der herausragende Spieler einer Mannschaft zu sein? "Wir zeichnen uns durch eine hohe Leistungsdichte aus, keiner darf da nachlassen."

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Er stellt den Kollektivgedanken in den Vordergrund. Max Kruse, seit 2009 bei St. Pauli und lange Zeit in erster Linie als extrovertierter Partygänger, im Internet kaspernder Hobby-Rapper und durch überbordendes Selbstbewusstsein auffällig, ist auch abseits des Platzes zum Profi gereift, beherrscht die gängigen Phrasen und austauschbaren Worthülsen mittlerweile ebenso gut wie das Geschehen während der 90 Minuten. Dabei verfügt der 23-Jährige anders als früher inzwischen über die nötigen Argumente, um sein einst großes Geltungsbedürfnis zu befriedigen. Nach herausragender Hinrunde deutete er während der Vorbereitung nun sogar an, dass Spiel seiner Mannschaft und auch die Liga noch nachhaltiger zu prägen als ohnehin schon. Alles dreht sich um Kruse - im Zentrum des Rasenvierecks, aber auch sonst.

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Man muss schon etwas hartnäckiger fragen, um mit Kruse über Kruse sprechen zu können. "Natürlich merke ich, dass die Erwartungen an mich gestiegen sind. Der Druck ist da, keine Frage", bestätigt er, "der Trainer erwartet das aus 2011 von mir jetzt auch für die Rückrunde. Aber das ist ja auch mein Anspruch. Es geht für mich jetzt in erster Linie um Konstanz." André Schubert hatte Kruse während der Sommervorbereitung von der Außenbahn ins Zentrum gezogen und vor allem nach guten Spielen zu weiteren Leistungssteigerungen animiert. Ein Ansatz, der bestens mit Kruses neuem Selbstverständnis harmonierte. Statt wie früher in Selbstzufriedenheit zu stagnieren, begann der Hochbegabte, sein Talent auszuschöpfen "Ich kenne die Geschichten von früher", sagt Schubert und lacht, "aber ich habe ihn als jemanden kennengelernt, der hier vom ersten Tag an marschiert ist."

Kruse übernimmt nun Verantwortung, ist vom Mitläufer zur Schlüsselfigur geraten, ordnet und korrigiert die Kollegen auf dem Feld, kreiert Chancen, schießt Tore. "Wenn er jetzt noch ernsthaftiger wird, kann er zu einem echten Leader einer Mannschaft werden. Das Potenzial hat er", glaubt nicht nur Schubert. "Die Anerkennung ist durch meine Leistung mittlerweile da", hat auch Kruse erkannt, der nun den eingeschlagenen Weg ausbauen will.

Auch im Winter arbeitete der junge Familienvater an seiner Fitness, absolvierte diszipliniert seine Läufe rund um Hagenbecks Tierpark und packte selbst im Vier-Tage-Urlaub in Las Vegas die Joggingschuhe aus, um seine neue Stärke zu konservieren. Keiner seiner Kollegen zieht während der 90 Minuten so viele Sprints an wie er, "und auch im Ligavergleich liegt er in einem hohen Maß über dem Durchschnitt", weiß Schubert, "wenn er das Niveau hält, wäre das schon außerordentlich gut. Dann wäre er der beste Mittelfeldspieler der Liga. Er hat einen Riesenschritt gemacht, aber da geht noch mehr."

Kruse klopft an die Bundesliga an. Mit St. Pauli, aber auch persönlich. Als in der vergangenen Woche kurzzeitig Zweifel am Zustandekommen des Wechsels von Wolfsburgs Srdjan Lakic zur TSG Hoffenheim aufkamen, spuckte die Gerüchteküche umgehend seinen Namen als mögliche Alternative aus. Ob zu Recht oder nicht: Kruse ist im Geschäft, seine Leistungen inklusive zehn Toren und sechs Vorlagen haben Aufmerksamkeit erregt. "Ich konzentriere mich voll auf St. Pauli", sagt er und gibt noch einmal eine Kostprobe allgemeingültiger Interviewantworten: "Sich mit Dingen zu beschäftigen, die ein halbes Jahr weg sind, wäre der falsche Ansatz. Wichtig ist jetzt, dass wir als Mannschaft einen guten Start hinlegen." Mit Kruse, dem Profi.