Zambrano und Sobiech sollen zu Trümpfen im Aufstiegskampf des FC St. Pauli werden. Gestern feierten sie ihre gemeinsame Premiere.

Oliva. Zumindest in der Hotellobby sieht man sie hin und wieder gemeinsam. Doch es sind kurze, zufällige Begegnungen auf dem Weg zum Frühstück, Mittagessen oder zur Besprechung. Die seltenen Dialoge sind kurz, die Hände tief in den Taschen ihrer grauen Jogginghosen vergraben. Lasse Sobiech und Carlos Zambrano, das bestätigen beide, kennen sich kaum. Wie sollten sie auch? Zwar stehen sie seit dem 1. Juli 2011 beide beim FC St. Pauli unter Vertrag, doch ein komplettes Mannschaftstraining oder gar ein Spiel haben sie für ihren Verein bislang nicht gemeinsam absolvieren können.

Beide haben schwere Zeiten in der Rehabilitation hinter sich, waren lange verletzt. Zambrano, der 22-Jährige, seit zehn, Sobiech, der heute seinen 21. Geburtstag feiert, seit vier Monaten. Nun, nachdem sie am vergangenen Freitag gemeinsam eine Reha-Einheit absolvierten, führt sie ihr Weg im spanischen Oliva auf dem Platz zusammen. Dort, wo André Schubert in den eigenen Reihen seine Startelf sucht und dabei im Besonderen nach einer festen Abwehrformation fahndet.

Der Trainer hat personelle Kontinuität auf den Innenverteidigerpositionen als entscheidende Komponente auf dem Weg zu mehr Stabilität ausgemacht, und nicht wenige gehen trotz aller Umstände davon aus, dass der deutsche U21-Auswahlspieler und die Stammkraft der peruanischen Nationalelf diese in den ausstehenden 15 Partien liefern werden.

Gestern reichte es immerhin schon mal zu einer ersten gemeinsamen Stunde auf dem Platz. Um 16.13 Uhr trafen sie mit dem "Team Jung" im Trainingsspiel auf "Team Alt". Sobiech übernahm den rechten Part im Abwehrzentrum, Zambrano den linken. Mit gemischten Gefühlen sei er in die Einheit gegangen, sagte Sobiech über sein Comeback unter Vollkontaktbedingungen. Vorfreude, aber eben auch eine gewisse Angst, nachdem er sich am 23. September gegen Aue eine komplizierte Sehnenverletzung im rechten Fuß zugezogen hatte. "Der Fuß fühlt sich gut an, aber die Muskeln zwicken nach Belastungen noch ganz schön", beschreibt er seinen aktuellen Fitnessrückstand. Insofern wolle er wohldosiert das Pensum steigern - und brach die Einheit konsequent nach 80 Minuten ab.

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Sobiech, der Kopfmensch, intelligent, eloquent, diszipliniert. Sein potenzieller Nebenmann hingegen würde nach einer Halbzeit vor drei Tagen gegen Hoffenheim morgen im Test gegen den spanischen Drittligisten Gandia FC nur allzu gern schon wieder die volle Distanz gehen. Und es ist nicht allein der fortgeschrittene Reha-Prozess, der Carlos Zambrano zum Hoffen auf 90 Minuten veranlasst und ihn die kommenden Termine der Nationalelf auswendig aufsagen lässt. Der Peruaner lebt von seinen Emotionen, handelt meist intuitiv und musste seine Hitzköpfigkeit in seiner jungen Karriere schon mit einigen Platzverweisen bezahlen. Ungeduld war es auch, die ihn nach einem im März 2011 erlittenen Sehnenteilabriss im Hüftbeuger am 28. Juni zu einem vorschnellen Comeback bei der Nationalmannschaft hinreißen und weitere Wochen ausfallen ließ.

"Ich habe Fehler gemacht, aber ich bin durch diese Zeit erwachsener, professioneller geworden", beteuert Zambrano, "und es ist einfach wunderbar, jetzt wieder spielen zu können, auch wenn das hundertprozentige Vertrauen noch nicht zurück ist. Es ist eine mentale Sache." Sobiech und Zambrano auf dem Weg zu neuer Sicherheit, die sie in der Folge auch ihrer Mannschaft verleihen wollen und sollen.

Die Erwartungshaltung an die zwei vielleicht talentiertesten Innenverteidiger der Zweiten Liga ist immens. "Natürlich habe ich zuletzt häufiger von Leuten gehört, dass St. Pauli mich braucht, und gespürt, dass Fans auf mein Comeback warten", bestätigt Zambrano, "aber ich will nicht nur wegen meines Namens aufgestellt werden. Wir haben vier, fünf gute Innenverteidiger im Kader, ich bin Teamplayer. Insofern spüre ich den Druck nicht. Für mich ist Fußball Spaß, Energie und Leidenschaft. Das ist es, was ich zeigen möchte, wenn mich der Trainer lässt."

Der hält sich bislang bedeckt und belässt es bei Frotzeleien. "Was willst du denn mit dem?", fragt Schubert und unterbricht kurzzeitig das Interview mit Sobiech, "der läuft kaum, zieht sein Bein nach und klagt herum, wenn er dreimal gegen die Pille tritt." Vermeintliche Kritik als Ausgeburt des schwarzen schubertschen Humors, der in dieser Saison auch schon Spieler wie Fabian Boll oder Philipp Tschauner traf. Spieler, die Schubert schätzt. Spieler, auf die Schubert baut. Ein Fingerzeig?

Carlos Zambrano und Lasse Sobiech - "Sobrano" wäre in jedem Fall eine interessante, weil gegensätzliche Verbindung. Die beiden Hochbegabten sind wie Feuer und Wasser. Der eine hitzköpfig, emotional, mit dunklem Teint. Der andere ein blonder Hüne aus Schwerte als Ausgeburt westfälischer Sachlichkeit. Hinzu kommt die sportliche Historie: Sobiech ist als Leihspieler von Borussia Dortmund am Millerntor, Zambrano wurde bei Schalke 04 ausgebildet. "Deshalb haben wir nichts miteinander zu tun", sagt Sobiech und lacht - gemeinsam mit Zambrano: "Aber auch das wird uns nicht daran hindern, ein gutes Tandem abzugeben", ergänzt der Peruaner, "wenn es denn gewollt ist."