Funktionäre und Politiker beraten Konsequenzen der schweren Randale beim Turnier in Alsterdorf. Noch keine konkreten Ergebnisse.

Hamburg. 90 Verletzte wie beim Schweinske-Cup in der Alsterdorfer Sporthalle - so etwas soll es nie wieder geben. Gestern tagten 20 Vertreter von Polizei, Vereinen, Verbänden und Politik im Rathaus, um hinter verschlossenen Türen zu erörtern, wie sich solche Szenen künftig vermeiden lassen. Zwei Stunden dauerte der Krisengipfel, dann trat Innensenator Michael Neumann (SPD) mit seinen Gesprächspartnern vor die Kameras und Mikrofone. "Keine Chance" dürfe Gewalt im Hamburger Sport haben, so Neumann. "Es darf nicht so weit kommen, dass Familien aus Angst vor gewalttätigen Fans sich nicht mehr in Stadien trauen." Das Abendblatt fasst die wichtigsten Ergebnisse des Krisengipfels zusammen:

+++Kommentar: Ein Ausschuss reicht nicht+++

Was sind die politischen Konsequenzen?

Wichtigstes Ergebnis des Krisengipfels: Nach nationalem Vorbild will der Senat einen "örtlichen Ausschuss für Sport und Sicherheit" einrichten. Das neue ständige Gremium soll sich gezielt mit Fragen der Sicherheit im Sport befassen und wird vom Sportamt der Innenbehörde betreut. Dazu eingeladen werden sollen Verbände, Vereine, Fanprojekte, Bezirksämter, Verkehrsbetriebe, Polizei und Feuerwehr. Bisher haben sich Vertreter einzelner Institutionen nur fallweise zusammengesetzt - zum Beispiel vor Spielen, bei denen Auseinandersetzungen zu erwarten waren.

Wie reagiert die Politik?

"Schulterschlüsse, neue Arbeitskreise und allgemeine Absichtserklärungen mögen das Gewissen beruhigen, lösen aber nicht die zunehmenden Probleme mit den gewaltbereiten Hooligans", sagte CDU-Innenexperte Kai Voet van Vormizeele. Die Gründung des Ausschusses komme zu spät, bereits vor sieben Monaten habe die Bürgerschaft den Senat damit beauftragt, rügte die sportpolitische Sprecherin der GAL, Christiane Blömeke. "Mit der Ankündigung vertuscht Neumann seine eigene Untätigkeit. Das ist mehr als bedauerlich - denn möglicherweise wären die Krawalle mit einem ständigen Ausschuss zu verhindern gewesen." Zwar sei ein Schulterschluss der Repräsentanten des Hamburger Sports gegen Gewalt "kein Fehler", so FDP-Innenexperte Finn-Ole Ritter. Jedoch könne der neue Ausschuss nicht überdecken, dass nach den Krawallen Fragen - wie die nach der Einsatztaktik der Polizei - unbeantwortet seien.

Wird es das Turnier weiter geben?

Unwahrscheinlich. "Die Alsterdorfer Sporthalle genügt den Sicherheitsstandards nicht", stellte Innensenator Michael Neumann (SPD) fest. Peter Sander, einer der sechs Geschäftsführer der Horst Peterson Event GmbH, ist skeptisch, ob ein adäquates Sicherheitskonzept erstellt werden kann. "Die Zuschauer können in der engen Halle leicht die Sitzbereiche wechseln", erklärte Sander. "Stellen wir für jeden Fan einen Ordner, sind wir kein Familienturnier mehr." Moralische Unterstützung erhält der Veranstalter vom Hamburger Sportbund (HSB). "Wir planen ein Fußballjugendturnier mit Familien in der Alsterdorfer Sporthalle, wollen ein Zeichen setzen", kündigte HSB-Präsident Günter Ploß an.

Welche Konsequenzen zieht St. Pauli?

Noch am Montag hatte St. Paulis Präsident Stefan Orth auf der Pressekonferenz des Vereins erklärt, er sehe keinen Anlass, auf das Antrittsgeld des Turniers zu verzichten. Gestern die Kehrtwende: Der Klub überlässt die 18 000 Euro nun doch dem Veranstalter. Orth sagte: "St. Pauli steht gegen jegliche Gewalt beim Sport, und deshalb werden wir den Veranstalter des Schweinske-Cups auch unterstützen." Die Ankündigung, offene Fragen auch bezüglich der Rolle der Polizei klären zu wollen, begrüßte St. Paulis Sprecher Christian Bönig: "Es ist gut, dass alle Seiten in die Pflicht genommen werden sollen. Dem schenken wir auch großen Glauben."

Warum nahmen keine Fanvertreter teil?

Der runde Tisch im Rathaus fand ohne Beteiligung der Fanvertreter der beteiligen Vereine statt. Diese reagierten aufseiten des FC St. Pauli irritiert und mit Unverständnis. Zudem dementierten sie Meldungen, nach denen eine bereits existierende Einladung zurückgezogen worden sei. Zu keiner Zeit hätten sie ein Signal erhalten, an den Sicherheitsgesprächen teilnehmen zu dürfen. "Bei einer knapp zweistündigen Gesprächszeit mussten wir leider Abstriche machen, da über 20 Personen eingeladen waren", sagte Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde.

Welche Strafen drohen den Tätern?

Innensenator Neumann kündigte eine konsequente Strafverfolgung an. "Alle Vorwürfe, gleich ob sie sich gegen Fans oder gegen die Polizei richten, werden aufgearbeitet", sagte Neumann. Wer Fotos oder Videos zu den Vorfällen besitze, solle das Material den Behörden zur Verfügung stellen. Bei der Hamburger Staatsanwaltschaft sind bereits zwei Strafanzeigen gegen Fans aus dem Lübecker Block wegen Volksverhetzung und Beleidigung eingegangen. Sie sollen den Hitlergruß gezeigt und rassistische Parolen gebrüllt haben. "Selbstverständlich sind diese rassistischen Äußerungen nicht zu tolerieren", so Reschreiter. Strafrechtlich dürften ermittelten Ersttätern Geld- und Bewährungsstrafen drohen. Zivilrechtlich können bei nachgewiesener Sachbeschädigung Schadenersatzforderungen auf die Verursacher zukommen.

"Drei Straftäter aus Lübeck sind bereits ermittelt worden", sagte VfB-Präsident Holger Leu. Ob die Fangruppe der Grün-Weißen die Randale begonnen habe, sei aufgrund der Vermummungen der Täter nicht abschließend zu klären. Solange es für solche Veranstaltungen "Karten im Online-Shop und an Abendkassen" gebe, seien Stadionverbote schwer umzusetzen. Zudem soll eine gründliche Untersuchung auch eventuelle Fehler der Polizei in den Blickpunkt nehmen.

Die Bilder der Randale in Alsterdorf www.abendblatt.de/hallenkrawalle