Mit dem neuen Sportchef will der FC St. Pauli mittelfristig Kurs auf die Bundesliga nehmen. Auch Werders Lennart Thy kommt.

Hamburg. Der Stolz und die gute Laune waren Präsident Stefan Orth und seinen beiden Stellvertretern Bernd-Georg Spies und Jens Duve deutlich anzusehen. Es wurde gelacht, geradezu überschwänglich durcheinander geredet und es schien, als hätte sich der ganze Ärger der letzten Wochen in einer einzigen Euphoriewolke aufgelöst. Einen guten Grund hatten sie jedenfalls: Das Präsidium gab gestern die Verpflichtung von Rachid Azzouzi als neuen Sportchef bekannt. Der gebürtige Marokkaner, dessen Vertrag bei Greuther Fürth Ende Juni ausläuft, hat einen Vierjahresvertrag beim FC St. Pauli unterschrieben und tritt die Nachfolge von Helmut Schulte an, von dem sich der Verein vor nicht einmal zehn Tagen getrennt hatte.

+++ Kommentar: St. Paulis Ziele sind ehrgeizig +++

"Wir sind sehr stolz, dass wir Rachid Azzouzi für uns gewinnen konnten", sagte Orth. "Er war unser Wunschkandidat. Bei Greuther Fürth hat Rachid fantastische Arbeit geleistet. Durch sein hohes Maß an Integrität, sein Philosophie vom modernen Fußball und seine zielführende Vorgehensweise genießt er mittlerweile zu Recht eine hohe Anerkennung."

Azzouzi hat die letzten 14 Jahre bei Greuther Fürth verbracht, ist dort vom Spieler zum Jugendtrainer, Teammanager und schließlich zum Sportchef geworden. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir nicht schwerfällt, Fürth zu verlassen", sagte der ehemalige marokkanische Nationalspieler. "Ich musste mich jedoch auch selber hinterfragen: 'Wie sieht der nächste Schritt für meine persönliche Entwicklung aus?' Ich habe mit meiner Frau und Familie alles durchdacht und bin überzeugt, dass es der richtige Schritt ist."

Die "sehr konstruktiven" Gespräche fanden in der vergangenen Woche statt, und man sei sich sehr schnell einig gewesen, sagte Spies, der sich erstmals bei St. Paulis letztem Heimspiel mit Azzouzi unterhielt und gleich angetan war von dessen bodenständiger Art. Auch Orth betonte am Freitag, dass es sich keinesfalls um einen Schnellschuss handele, er habe Azzouzis Weg schon seit langer Zeit verfolgt, konkret sei es dann aber erst nach der Trennung von Helmut Schulte geworden.

Weder der FC St. Pauli noch Azzouzi hatten es für nötig befunden, in Verhandlungen mit anderen Kandidaten einzusteigen. Dabei hatte Azzouzi auch ein Angebot der Kleeblätter vorliegen und zudem noch vor wenigen Tagen in den "Nürnberger Nachrichten" verkündet: "Bevor ich das hier aufgebe, muss schon viel passieren." Die Anfrage des FC St. Pauli war schon genug. Allerdings galt auch das Verhältnis zwischen Präsident Helmut Hack und seinem Manager trotz gegenseitiger Lobhudelei als belastet. "Letztlich hat sich Rachid konzeptorientiert entschieden", sagte Vize Duve. "Wir bieten ein Konzept, haben aber auch Baustellen. Rachid ist jemand, der gerne mit anpackt und konzeptionell arbeiten kann." Der Plan des Klubs sieht vor, den 41-Jährigen stark in die Nachwuchsarbeit und den Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums einzubinden. Das Nachwuchsleistungszentrum in Fürth wurde im Februar mit Bestnote zertifiziert und bekam drei Qualitätssterne. Azzouzis Anteil daran ist erheblich. "Wir brechen mit zwei jungen, dynamischen Leuten in die neue Saison auf", sagte Duve. "Und wir haben uns Ziele gesetzt."

Trainer André Schubert, der gerade im Urlaub weilt, wurde telefonisch über seinen neuen Vorgesetzten informiert und übermittelte sowohl seine Zustimmung als auch seine Freude auf die Zusammenarbeit. Mit der neu zusammengestellten sportlichen Leitung will der FC St. Pauli in eine neue Ära aufbrechen. "Wir wollen angreifen", sagte Orth. "Top-25 reicht uns nicht mehr." Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen Schubert und Azzouzi die Mannschaft wieder in die Bundesliga führen.

Azzouzi, der in seiner aktiven Zeit 256 Zweitligapartien und 64 Bundesligaspiele absolvierte, ist ab sofort in alle Planungen für die kommende Saison einbezogen, offizieller Dienstbeginn ist am 1. Juli.

Hinter den Kulissen ist Azzouzis Expertise auch bereits gefragt. Denn er wird sicherlich um seine Zustimmung für die Verpflichtung von Lennart Thy gebeten worden sein. Nach Abendblatt-Informationen wechselt der Jungprofi von Werder Bremen ablösefrei ans Millerntor. Der Vertrag des 20 Jahre alten Stürmers wurde nach drei Einsätzen in der abgelaufenen Saison nicht verlängert. Thy ist nach Daniel Ginczek der zweite Offensivspieler, der in die Philosophie des Vereins passt und den der FC St. Pauli zur kommenden Saison unter Vertrag nehmen will. Beide Verpflichtungen wurden jedoch noch nicht offiziell bestätigt. Und es ist trotz ihrer Qualität auch nicht zu erwarten, dass sie in der Vereinsführung eine ähnliche Euphorie auslösen würden, wie die wichtigste Personalie des Sommers: die des Sportchefs Rachid Azzouzi.