Nach der Trennung beklagt der frühere Sportchef des FC St. Pauli mangelnde Wertschätzung. Der Verein ist zur Großbaustelle geworden.

Hamburg. Noch am Abend packte Helmut Schulte in der Geschäftsstelle am Millerntor seine Sachen. Das Kapitel FC St. Pauli war für ihn beendet, nachdem der Sportchef zuvor am Mittag seinen Auflösungsvertrag unterschrieben hatte. Eine einvernehmliche Trennung, so heißt es offiziell von Vereinsseite. Schulte allerdings sah seine Position massiv geschwächt. "Ich fühlte mich gezwungen, die Vertrauensfrage zu stellen", sagte er dem Abendblatt, "der Vertrauensbeweis ist mir nicht gewährt worden. Deshalb habe ich einen klaren Schnitt gemacht."

Schulte hatte vom Präsidium die Verlängerung seines im Februar 2013 auslaufenden Vertrages bis 2016 gefordert. "Dass ich in die Entscheidung der Trainerfrage nicht involviert wurde, hat am meisten zur Trennung geführt", erklärte er. Schulte und die Vereinsoberen hatten die Entlassung André Schuberts bereits beschlossen, das Gespräch, in dem es zur überraschenden Wende kam, fand dann aber ohne die Anwesenheit des Sportchefs statt. Präsident Stefan Orth erklärte gestern: "Wir dürfen und wollen keine Auskünfte zu Details geben." Die Anwälte beider Parteien hatten gesprochen. Schulte unterstrich jedoch, er habe kein Problem mit dem Trainer gehabt. Vielmehr habe er Schubert am meisten den Rücken gestärkt.

+++ St. Pauli feiert Derbysieg +++

Der Trainer darf bleiben, nun beginnt die Suche nach einem neuen Sportchef. Vorerst übernehmen Co-Trainer Thomas Meggle, Vizepräsident Jens Duve und Scout Stefan Studer diese Aufgabe. Ein Nachfolger soll zeitnah präsentiert werden. Eine interne Lösung wird es aber nicht geben. Zeit bleibt dem FC St. Pauli kaum, denn dringend müssen Verträge verlängert und Neuzugänge verpflichtet werden. "Wir wissen sehr wohl, mit wem wir in den nächsten Tagen sprechen werden", sagte Orth.

Redebedarf gibt es beispielsweise mit Christian Eigler. Die Verhandlungen Schultes mit dem Stürmer waren weit fortgeschritten. Der 28-Jährige reiste bereits nach Hamburg, um mit Schulte und Trainer André Schubert zu sprechen. "Der Verein und die Fans sind Kult. Hamburg zudem eine tolle Stadt", sagte Eigler. Bislang unterbreitete St. Pauli jedoch nur ein mündliches Angebot an den erfahrenen Torjäger, der zuletzt beim 1. FC Nürnberg spielte. Eigler und seinem Berater Fritz Popp fehlt nun ein Ansprechpartner. Popp erklärte, man werde nicht selbst aktiv und warte auf einen Anruf. Eine Entscheidung pro St. Pauli sei keinesfalls gefallen. Eigler liegen mehrere Angebote vor, darunter wohl auch aus Ingolstadt.

St. Paulis größte Baustelle fernab vom Gegengeradenbau am Millerntor ist die Suche nach einem Nachfolger für Spielmacher Max Kruse (SC Freiburg) und Deniz Naki. Laut dänischen Medien sollen St. Paulis Scouts auf den 25-jährigen Sören Rieks von Esbjerg FB aufmerksam geworden sein. Der offensive Mittelfeldallrounder hat noch einen Vertrag bis 2013.

Der Kader für die kommende Saison soll von 27 auf 24 Spieler verkleinert werden. Noch ist die Zukunft einiger Profis offen. Lasse Sobiech, Fabio Morena, Kevin Schindler und die verliehenen Rouwen Hennings und Davidson Drobo-Ampem haben noch keine Planungssicherheit. Sobiech, der von Borussia Dortmund ausgeliehen war, soll vom BVB erneut verliehen werden, wird aber in der kommenden Saison wohl in der Bundesliga (Fürth, Bremen, Frankfurt) spielen. Eine Entscheidung in Sachen Morena ist noch nicht gefallen. Die Situation sei "beiderseitig offen", erklärte Orth. Weiter planen kann St. Pauli definitiv mit Mittelfeldmann Patrick Funk. Der vom VfB Stuttgart ausgeliehene U21-Nationalspieler hatte in seinem bis 2013 datierten Leihvertrag eine Ausstiegsoption im Sommer, wird diese aber nicht ziehen. Der Abschied von Ersatztorhüter Arvid Schenk hingegen ist beschlossene Sache. Ihn zieht es voraussichtlich nach Wolfsburg.

Eine Baustelle ist indes weiter nicht eröffnet. An der Kollaustraße sollten am Montag die Bagger anrücken, um mit dem seit 2010 geplanten Ausbau des Trainingszentrums zu beginnen. Das Projekt, das im Verantwortungsbereich von Schulte lag, stockt. Nun sollen Ex-Profi Timo Schultz und Baukoordinator Wolfgang Helbing ankurbeln. Der FC St. Pauli hat sich zur Unzeit in eine Großbaustelle verwandelt.