Der Stresstest vor dem Spiel am Sonnabend gegen Hertha BSC zeigt, welche Spieler sich mit extremen Drucksituationen auskennen. Ab 18.30 Uhr können Sie die Partie gegen Hertha im Liveticker bei abendblatt.de verfolgen.

Hamburg. Fünf Niederlagen in Folge, Platz 17 mit mageren 16 Punkten, vor eigenem Publikum nur zwei von neun Partien gewonnen: Der HSV steht vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC Berlin am Sonnabend (18.30 Uhr) mit dem Rücken zur Wand. Bisher machte das Team nicht den Eindruck, dass es für den Abstiegskampf nervlich gerüstet ist. Dabei gibt es durchaus genügend Akteure, die auf diesem Gebiet schon Erfahrung haben – auch wenn es für sie nicht immer positiv ausging. Doch gerade die Erfahrung könnte entscheidend sein, meint Michael Kelm, Mentaltrainer für Leistungssteigerung, der bereits einige Profisportler betreute. „Fußballer haben in solchen Lagen oft Angst vor dem Versagen, Angst vor der Öffentlichkeit, die zu einer Art Starre auf dem Platz führen kann“, sagt der Hamburger. „Wer diese Stresssituationen in der Vergangenheit bereits gemeistert hat, kann derartige psychische Barrieren leichter abbauen.“

Die ersten Barrieren sollen in dieser Woche zumindest verbal abgebaut worden sein, das Team sei „enger zusammengerückt“, mag man den Aussagen der vergangenen Tage Glauben schenken. Doch wer weiß wirklich, was in den nächsten Wochen auf ihn zukommt? Ein Stresstest.

René Adler: Der Torwart, der gegen Hertha nach der Sprunggelenkverletzung wohl sein Comeback gibt, hat bisher keinerlei Erfahrung im Abstiegskampf sammeln können. Der Druck, der auf ihm lastet, ist kaum zu überbieten: Erstens war seine Leistung in dieser Saison ausbaufähig, zweitens kann ein einziger Fehler des Schlussmanns spiel- und damit entscheidend über den Verbleib in der Bundesliga sein. Drittens hängt von einer erfolgreichen Rückrunde auch seine WM-Teilnahme ab.

Jaroslav Drobny: Sicherte 2006/07 mit Bochum die Klasse, stieg aber drei Jahre später mit Hertha BSC ab. War in der Krisensaison des HSV 2011/12 Stammtorwart und bot am Ende tadellose Leistungen. Der Tscheche gilt als cool, ihn dürften die niederen Tabellenregionen am wenigsten verunsichern.

Dennis Diekmeier: Der Rechtsverteidiger landete mit dem 1. FC Nürnberg in der Saison 2009/10 auf dem Relegationsplatz, verpasste dann aber die nervenaufreibenden Partien gegen den FC Augsburg verletzungsbedingt, die den Klassenerhalt sicherten. „Dieser Druck ist gerade für den Erstligisten richtig krass, da du weißt: Jetzt entscheidet sich alles“, erinnert sich Diekmeier.

Heiko Westermann: Der Ex-Kapitän sammelte ausschließlich positive Erfahrungen im Bundesligakeller. In der Saison 2005/06 gelang ihm mit Arminia Bielefeld dank eines fulminanten Schlussspurts der Klassenerhalt, auch vor zwei Jahren war der Verteidiger im Abstiegskampf ein Vorbild an Einsatz und Leidenschaft. Seine Führungsqualitäten werden mitentscheidend sein.

Jonathan Tah: Das Talent wird am kommenden Dienstag 18 Jahre alt. Er bringt alles mit – außer Erfahrung. Der Leistungsdruck in dieser löchrigen Abwehr war ohnehin schon groß, durch den Vertragswirbel (das Abendblatt berichtete) stürzte noch mehr auf ihn ein. Trainer Bert van Marwijk machte sich in einem Vieraugengespräch einen Eindruck vom Gemütszustand des Abwehrspielers, wird ihm wohl eine Pause gönnen.

Johan Djouoru: Der (vor der Pause verunsicherte) Innenverteidiger könnte nach dem Muskelfaserriss sein Comeback geben. Er spielte ein halbes Jahr bei Birmingham City in unteren Tabellenregionen mit, war mit Arsenal ansonsten eher den Titelkampf gewohnt.

Zhi Gin Lam: Der 22-Jährige kennt Abstiegskampf immerhin aus der U23, van Marwijk setzt mittlerweile voll auf ihn. Lam könnte Diekmeier gegen Hertha verdrängen.

Marcell Jansen: Der Linksverteidiger stieg mit Borussia Mönchengladbach 2007 in die Zweite Liga ab, war vor zwei Jahren mit fünf Treffern aber entscheidend am Klassenerhalt des HSV beteiligt. Van Marwijk steht trotz des schlechten Rückrundenauftakts hinter dem deutschen Nationalspieler. Doch selbst wenn es schief gehen sollte – bei Jansen mangelt es nicht an Interessenten, er wird wohl in jedem Fall erstklassig bleiben.

Tolgay Arslan: Der Mittelfeldspieler hat die kritische Saison vor zwei Jahren als Ergänzungsspieler miterlebt, ist ansonsten unerprobt im Abstiegskampf.

Milan Badelj: Mit Dinamo Zagreb hatte der Mittelfeldmann in Kroatien nie etwas mit einem möglichen Abstieg zu tun. Zudem ist seine elegante Spielweise mit Abstiegskampf nur schwer in Einklang zu bringen. „Ich kann auch dazwischen hauen“, sagte Badelj zwar unlängst – doch auch ihm könnte eine Pause auf der Bank drohen.

Ivo Ilicevic: Der Kroate spielte zwar bei Fahrstuhlmannschaften wie Bochum, Greuther Fürth und Kaiserslautern, hatte dort aber nie etwas mit Abstiegskampf zu tun. Beim HSV erlebte er vor zwei Jahren diese Situation erstmals.

Hakan Calhanoglu: Gleich in seiner ersten Profisaison stieg der 20-Jährige 2012 mit dem Karlsruher SC in die Dritte Liga ab. Insofern: stresserprobt.

Rafael van der Vaart: Der 30-Jährige hatte in seiner Laufbahn immer den Anspruch, mit seinen Clubs zumindest um Europa zu kämpfen. Doch 2006/07 steckte er bei seinem ersten Gastspiel in Hamburg im Abstiegskampf – ähnlich dramatisch wie heute. „Natürlich hilft das, so etwas schon einmal miterlebt zu haben. Doch damals haben wir in der Hinserie ganz oft unentschieden gespielt, selten verloren, zudem waren wir sogar in der Champions League dabei. Doch es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass es wieder aufwärts gehen kann“, sagte der Kapitän vor dem Spiel.

Pierre-Michel Lasogga: 2012 stieg der Stürmer mit der Hertha trotz seiner acht Tore ab. Am letzten Spieltag verletzte er sich am Kreuzband und konnte deshalb in der Relegation nicht mithelfen, doch noch den Klassenerhalt zu sichern. Zuvor unterstrich der Angreifer aber mit vorbildlichem Einsatz seine Tauglichkeit im Abstiegskampf. Gegen Hertha wohl nur Joker.

Jacques Zoua, Ouasim Bouy, Ola John: Die Neuzugänge hatten in ihren noch jungen Karrieren mit Abstiegskampf bisher nichts am Hut.

Lasse Sobiech, Slobodan Rajkovic, Mancienne, Petr Jiracek, Tomas Rincon: Diese Fünf spielen keine Rolle unter van Marwijk – obwohl sie von ihrer Spielweise her für den Abstiegskampf sicherlich geeignet wären und vor allem Sobiech (Fürth), Mancienne (Wolverhampton) und Rincon (HSV) auch Erfahrungen vorweisen können.