Beim Test gegen Vitesse Arnheim verletzte sich der HSV-Profi schwer am Knie. Kreuzer: Verdacht auf Kreuzbandriss. Kernspin-Untersuchung soll heute Klarheit schaffen.

Abu Dhabi. Der herzzerreißende Schrei war bis in den letzten Winkel des Zayed-Sports-City-Stadions zu hören. Es waren gerade 53 Minuten zwischen dem HSV und Vitesse Arnheim am Freitagabend in Abu Dhabi gespielt, als Maximilian Beister nach einem zunächst harmlos aussehenden Zweikampf mit Gegenspieler Patrick van Aanhold zu Boden sank – und sekundenlang vor Schmerzen schrie. „Mein Knie, mein Knie“, rief der Offensivallrounder, der sich immer wieder an das linke Bein fasste. Auf den Fernsehbildern, die mehrfach in den VIP-Räumlichkeiten des Stadions in Zeitlupe geboten wurden, sah es ganz so aus, als ob die Kniescheibe herausgesprungen war.

Ob auch die Bänder im Knie beschädigt waren, stand am Freitagabend noch nicht fest. Beister wurde zunächst mit Mannschaftsarzt Philip Catala-Lehnen ins Mannschaftshotel Fairmont Bab al Bahr gebracht, am Sonnabend soll eine Kernspin-Untersuchung im Krankenhaus Klarheit bringen. Am Sonnabendmorgen flog Beister nach Hamburg. Die Untersuchung soll am Nachmittag im UKE erfolgen. Eine Diagnose wird für den frühen Abend erwartet.

Eine mehrwöchige, aber im schlimmsten Fall mehrmonatige Pause dürfte allerdings wahrscheinlich sein. „Es ist schade um Maxi, wir haben zurzeit wirklich Pech. Ich habe es bei Maxi nicht gut gesehen, aber ich habe ihn gehört. Das klang nicht gut“, sagte Trainer Bert van Marwijk sehr besorgt. Kurze Zeit später vermeldete Sportchef Oliver Kreuzer auch noch: „Maxi selbst glaubt, dass er sich das Kreuzband gerissen hat.“

Damit scheint nur einen Tag nach dem Verkauf Artjoms Rudnevs zu Hannover 96 der aus HSV-Sicht schlimmste Fall überhaupt eingetreten zu sein. Mit Beister, der mit einem Golf-Cart vom Platz gefahren wurde, fällt nun einer der letzten gesunden Offensivkräfte aus. Ohnehin hatte van Marwijk im Test gegen Arnheim auf ein System mit Stürmer verzichtet, da bereits zuvor Angreifer Pierre-Michel Lasogga wegen einer Oberschenkelzerrung ausgefallen war. Van Marwijk setzte gegen Vitesse deswegen auf eine 4-2-4-Taktik ohne einen klassischen Stürmer, in der Beister, wie bereits am ersten Spieltag der Hinrunde gegen Schalke (3:3), über den rechten Flügel wirbeln sollte.

Der 23-Jährige, der in der Hinrunde je fünf Tore erzielen und vorbereiten konnte, sollte auch in der Rückrunde eine Schlüsselposition in van Marwijks Überlegungen spielen – ein Gedanke, den der Niederländer nun wohl verwerfen muss. Tragisch, schließlich hatte sich Beister nach der unglücklichen vergangenen Saison, in der er wochenlang wegen einer Rotsperre pausieren musste und stark in der Kritik stand, endlich in den Vordergrund spielen können und das große Talent bestätigt, das viele Experten voraussagten.

Völlig entgeistert sahen die nicht mal 100 Zuschauer in dem 40.000 Fans fassenden Stadion – darunter auch Rafael van der Vaarts Freundin Sabia und seine Eltern Ramon und Lolita sowie Lasoggas Mutter Kerstin und Ex-HSV-Trainer Armin Veh –, wie Beister zunächst zur Sofortbehandlung in die Kabine gebracht wurde. Sollten sich die schlimmen Befürchtungen nach den Untersuchungen am Wochenende bestätigen, dürfte van Marwijk seine lautstarke Forderung nach einem Neuzugang im Offensivbereich noch einmal erneuern. „Ich brauche einen neuen Stürmer. Man kann sagen, dass ein neuer Spieler die Bedingung dafür war, dass wir Rudnevs gehen gelassen haben“, hatte der Coach bereits am Tag zuvor gesagt, nachdem der Torjäger für 500.000 Euro an Hannover 96 verliehen worden war.

Ebenfalls am Freitag bestand Rudnevs in Belek den Medizincheck bei Hannover 96. „Ich hoffe nicht, dass der HSV nun Probleme im Sturm bekommen wird, aber ich glaube das“, hatte der Lette am Nachmittag gesagt, noch nicht ahnend, welches Drama sich wenige Stunden später um Beister abspielen sollte. Am 12. April wird es zum Wiedersehen kommen, wenn der HSV auf Hannover trifft.

In Abu Dhabi war es somit keine große Überraschung, dass ohne Rudnevs, Lasogga und Beister der HSV gegen Arnheim nur zu einem 0:0-Unentschieden kam. Positiv kann lediglich festgehalten werden, dass die Hamburger, die auch in der Defensive auf Heiko Westermann (Reha nach Knie-Verletzung), Jonathan Tah (grippaler Infekt) und Johan Djourou (Muskelverletzung im Oberschenkel) verzichten mussten, sicher standen und gegen den Tabellenzweiten der niederländischen Ehrendivision kein Gegentor kassierten. Dies war vor allem auch dem bärenstarken Jaroslav Drobny zu verdanken, der den verletzten René Adler problemlos vertrat. Seit Donnerstag lässt sich Adler im UKE Athleticum erneut behandeln, ins Mannschaftstraining soll er erst in drei bis vier Wochen einsteigen können. „Das ist unsere kleinste Baustelle“, sagt Sportchef Oliver Kreuzer. „Drobo war nie ein klassischer Ersatztorhüter. René ist unsere Nummer 1a und Drobo unsere 1b. Das ist so ähnlich wie damals bei Deutschland mit Lehmann und Kahn.“

Neben dem HSV hatte aber auch Arnheim großen Ärger, der allerdings schon vor dem Spiel für Schlagzeilen sorgte: Trotz vorheriger Zusage durfte Vitesses israelischer Profi Dan Mori nicht in die Emirate einreisen. Der Grund: Die Vereinigten Arabischen Emirate lehnen noch immer den Staat Israel ab und unterhalten keine diplomatischen Beziehungen. Dass Arnheim trotzdem anreiste, stieß in den Niederlanden auf große Kritik: „Vitesse ist ein Club ohne Rückgrat, wenn der Verein so etwas akzeptiert und einfach nach Abu Dhabi reist“, sagte der christdemokratische Abgeordnete Pieter Omtzigt.

HSV: Drobny – Lam (57. Diekmeier), Mancienne, Sobiech, Jansen – Arslan, Badelj – Beister (57. Ilicevic), Calhanoglu, van der Vaart, Zoua.