Mit der verdienten 2:3-Niederlage gegen Mainz 05 rutscht der HSV in den Abstiegskampf. Harte Kritik von Sportchef Kreuzer. Nach dem Abpfiff flüchteten die Zuschauer im Sprinttempo aus dem Stadion.

Hamburg. Nach dem Abpfiff flüchteten die Zuschauer im Sprinttempo aus dem Stadion, nur noch einige Hundert HSV-Fans auf der Nordtribüne verharrten auf den Stehrängen, um sich gebührend von den Spielern in die Winterpause zu verabschieden. Die Frage, wie hart das Urteil nach der 2:3-Niederlage gegen Mainz 05 für die Profis ausfallen würde, blieb aber leider unbeantwortet. Still und heimlich verkroch sich die Mannschaft in die Kabine. Kein Gruß, kein Dankeschön für die beachtliche Treue in diesem Jahr. Nichts. Nur der letzte einer Masse von Fehlern an diesem für den Club so trüben Dezembertag, aber vielleicht der Schlimmste.

Fünf von acht Heimspielen des HSV gingen in dieser Hinserie verloren

Es bestand massiver Redebedarf nach der fünften Niederlage im achten Heimspiel dieser Hinrunde, die mit kümmerlichen 16 Punkten als die drittschlechteste Hinserie in die HSV-Geschichte eingeht. Während die Spieler am Sonntag 45 Minuten lang auf dem Trainingsplatz Runden drehen mussten, diskutierten Trainer Bert van Marwijk, Sportchef Oliver Kreuzer sowieso die Co-Trainer Roel Coumans und Roger Stilz lebhaft. Bereits am Sonnabendabend und am Morgen vor der letzten Einheit des Jahres hatten sich Trainer und Sportchef ausgetauscht.

„Die Niederlage ist auch mit einem Tag Abstand noch sehr ärgerlich“, sagte Kreuzer wenig später, „wir haben taktische Fehler begangen, die so nicht passieren dürfen, überhaupt ist unser Spiel zu fehlerbehaftet, womit wir es dem Gegner immer wieder leicht machen, Tore zu erzielen.“ Direkt nach dem Spiel hatte sich der 48-Jährige noch einen mittelschweren Wutausbruch geleistet, sichtlich erregt vor allem Petr Jiracek ins Visier genommen: „Was hat er da vorne zu tun beim Stand von 2:2? Das ist ein tschechischer Nationalspieler! Ich schaue auf die Uhr hoch, nur noch wenige Minuten zu spielen, da halte ich meine Position und fresse den Gegenspieler auf. Und wir laufen irgendwo im Zeug rum wie eine Schülermannschaft! Da kannst du dich nur noch wegschmeißen auf der Trainerbank.“

Und auch van Marwijk, der nach dem 2:3 durch Shinji Okazaki in der zweiten Minute der Nachspielzeit wütend seine Jacke auf den Boden warf, zeigte sich fassungslos: „Ich habe viel erlebt in meiner Laufbahn, aber so etwas noch nie. Nach dem 2:2 war der Moment gekommen, dass man sagen musste: Jetzt ist Schluss. Von mir aus hätten wir jeden Ball auf das Stadiondach schießen können. Aber ich kann nicht verstehen, dass zwei Spieler von uns in der Nachspielzeit im gegnerischen Strafraum stehen.“

Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle allerdings, dass sich der HSV sehr glücklich schätzen durfte, überhaupt noch auf einen Punktgewinn hoffen zu dürfen, zu überlegen hatten sich die Rheinhessen eine Vielzahl an klaren Torchancen erspielt, während die Hamburger zwar wacker kämpften, sich aber spielerisch und taktisch wie ein verunsicherter Hühnerhaufen präsentierten. Zudem hätte Tomas Rincon schon früher vom Platz geschickt werden können, als er bei einem der schnellen Vorstöße eine klare Möglichkeit der Mainzer nur mit einem Handspiel verhindern konnte, aber vom Schiedsrichter nur mit Gelb verwarnt wurde (66.).

Unterm Strich war das – wie schon gegen Augsburg – der Fußball, den das Team zuletzt unter Thorsten Fink gezeigt hatte. Die Bilanz der angekommenen Pässe war bezeichnend für das stockende Kombinationsspiel des HSV: Während die Mainzer auf 402 Pässe kamen, waren es beim HSV nur 217. Wenn ein Rafael van der Vaart Kilometer um Kilometer läuft, wirkt es am Ende aber doch nur wie Alibifußball, wenn es dem HSV-Kapitän nicht gelingt, für Ordnung zu sorgen – wie auch nach Spielende, als es seine Pflicht gewesen wäre, die Spieler in die Kurve zu schicken. So positiv es auf der einen Seite zu registrieren ist, dass der HSV in dieser Saison mit Jonathan Tah, Hakan Calhanoglu, Tolgay Arslan, Pierre-Michel und auch Maxi Beister eine Vielzahl an jungen Spielern integriert hat, so macht sich das Fehlen von Führungsqualität gerade in Phasen negativ bemerkbar, wenn es nicht rundläuft. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Rückrunde, auch wenn das Team nach der Rückkehr von Heiko Westermann und Dennis Diekmeier defensiv mehr an Stabilität gewinnen dürfte.

Positiv zu vermelden war nur, dass sowohl van Marwijk als auch Kreuzer die Situation schonungslos analysierten. „Ja, das ist die Realität, man muss nur auf unsere Punkt schauen“, entgegnete der Niederländer auf die Frage, ob sich der HSV nun mitten im Abstiegskampf befände. Mit hochgerechnet 32 Punkten nach 34 Spieltagen ist man in den vergangenen zehn Spielzeiten sechsmal auf den Abstiegsrängen gelandet, viermal auf Platz 15. Viel Gestaltungsspielraum außer jenem, die vorhandenen Teammitglieder besser zu machen, hat van Marwijk nicht: „Wir haben nicht viele Möglichkeiten, um in der Offensive etwas kreativ zu ändern“, gestand der HSV-Coach ein, der sich in der Winterpause keine Hoffnung auf Verstärkungen machen darf. „Keine Chance“, sagte Kreuzer, „wir werden mit dieser Mannschaft jeden Tag hart arbeiten. Es gibt keine Rauswürfe und auch keine Rückholaktionen, es gibt keine neuen Spieler.“

Kreuzer kündigte an, notfalls einige Dinge radikal ändern zu wollen

Jeder weiß, dass sich der Club im Gegenteil liebend gerne von Spielern wie Gojko Kacar, Robert Tesche, Artjoms Rudnevs und Jiracek trennen würde, über den Kreuzer indirekt sagte: „Wenn wir nicht verstehen, nach dem Ausgleich die Trainervorgaben zu erfüllen und in Unterzahl im 4-4-1 die Position zu halten, dann reicht es vielleicht für einige Spieler nicht für den HSV.“

Zugleich machte Kreuzer deutlich, dass jeder HSV-Profi auf dem Prüfstand stehen würde: „Wir schauen in der Rückrunde genau hin. Wenn wir der Meinung sind, werden wir einige Dinge radikal ändern.“ Und weiter: „Wir sind weit hinter unseren Erwartungen, das haben wir der Mannschaft heute auch noch mal auf den Weg mitgegeben. Die Profis verdienen gutes Geld, die müssen Leistungen bringen. Es ist mühsam, wenn man ständig auf den Berufsstand hinweisen muss.“ Seine Hoffnung für 2014, damit möglichst schnell Beruhigung eintritt: „Wir müssen nach einem kurzen Urlaub und der Vorbereitung gut ins neue Jahr starten und uns schnellstens von dieser Region entfernen.“ Am 26. Januar gibt es gegen den FC Schalke die nächste Gelegenheit, den dritten Heimsieg der Saison feiern zu dürfen.