Im vereinseigenen Internat leben 15 Jungen, die der Fußball-Bundesligist gezielt fördert. Schule, Training, Schlafen: Florian Heil berichtet über den straff organisierten Tagesablauf, in dem für Freizeit nicht viel Platz ist.

Jeder Schüler kennt wohl die Frage, die jeder Lehrer irgendwann einmal stellt: „Was willst du später denn mal werden?“ Eine Antwort ist unter Jungs der absolute Favorit: „Bundesligaspieler!“ Knapp jeder Sechste (17,3 Prozent) zwischen sechs und zwölf Jahren träumt nach einer aktuellen Umfrage von einer Zukunft als Profifußballer.

Auch Niklas Thiel, 15, und Laurens Gnichwitz, 14, würden ihren Lehrern ganz sicher diese Antwort geben – denn diese beiden Nachwuchskicker spielen in den Jugendmannschaften des HSV und haben einen der begehrten Plätze im Internat des Bundesligaclubs ergattert. „Es ist toll hier, alles nette Jungs, richtig familiär“, erzählt Laurens, der seit diesem Sommer im Internat wohnt. Der Mittelfeldspieler kommt aus Jena, sieht seine Eltern nur noch, wenn sie ihn zu den Spielen am Wochenende besuchen kommen. Doch Heimweh hat er nicht. „Wir haben hier einen straffen Zeitplan, da denkt man gar nicht so viel an zu Hause.“

In der Tat ist der Tag von morgens bis abends durchorganisiert. Um sechs Uhr klingelt meist der Wecker, danach gibt es Frühstück, bevor es mit dem Bus zur Schule geht. Alle Internatsbewohner gehen auf die Heidberg-Schule in Langenhorn, eine Elite-Schule des Fußballs, die mit dem HSV kooperiert. Dort bekommen die Schüler zweimal die Woche zusätzliches Fußballtraining und werden auch ohne Probleme vom Unterricht befreit, sollte ein Turnier anstehen. Je nach Unterrichtsschluss wird entweder in der Schule Mittag gegessen oder im Internat. Am Nachmittag müssen die Hausaufgaben erledigt werden. Wer ein wenig hinterherhinkt, kann sich dabei von Pädagogen helfen lassen. Danach haben die Jungs knapp bemessene Freizeit – sofern sie nicht noch ihre Wäsche waschen müssen oder andere Aufgaben anstehen. Ab 17.30 Uhr geht es an vier Tagen in der Woche zum Training. Mit Duschen und Besprechung ist es schnell 20 Uhr. Dann gibt es gemeinsames Abendessen mit allen Internatsschülern. Wer nichts mehr für die Schule tun muss, kann noch Tischtennis spielen oder im Internet surfen – bis um 22 Uhr wieder alle auf ihren Zimmern sein müssen.

Insgesamt bietet der Verein 15 talentierten Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren die Möglichkeit, auf dem Gelände in Norderstedt zu leben, um sich auf die Karriere eines Profis vorzubereiten. Neben geografischen Gesichtspunkten spielt aber auch der Leistungsgedanke eine große Rolle. „Zum einen haben wir Jugendliche hier, denen es nicht zuzumuten wäre, jeden Tag zum Training hier anzureisen, weil sie zu weit weg wohnen. Zum anderen aber auch Spieler wie Jonathan Tah, der zwar aus Altona kommt, für den es auf diese Weise aber viel einfacher ist, Schule und Training zu kombinieren“, sagt Pit Reimers, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Doch nicht alle legen so ein Karriere hin wie Tah, der derzeit berühmteste Internatsbewohner. Mit 17 gelang dem Verteidiger schon der Sprung zu den Profis. Er ist für viele der anderen Jungs das große Vorbild. „Ich find’s gut, wie er das hier gemacht hat“, sagt Niklas. „Trotz seines Erfolgs ist er überhaupt nicht abgehoben.“

Für alle anderen Nachwuchsspieler des HSV, die nicht im Internat wohnen, aber dennoch aus dem Hamburger Umland kommen, bietet der Verein Fahrdienste an, die sie aus neun unterschiedlichen Richtungen jeden Tag zum Training und wieder zurück bringen. Fast 80 Kinder und Jugendliche nehmen dieses Angebot in Anspruch.

Mädchen haben übrigens schlechte Karten – die intensive Förderung des Nachwuchses ist im Internat ausschließlich Jungs vorbehalten. Auch der Besuch ist untersagt. „An erster Stelle kommt der Fußball, erst danach kommen andere Dinge wie Mädels und Ausgehen“, sagt Niklas.

Diese Einstellung ist auf jeden Fall schon profireif.