Ab 18 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de. Sportchef Oliver Kreuzer will in Frankfurt punkten und visiert sogar einen Dreier an. René Adler kritisiert indes Ex-Trainer Thorsten Fink und lobt den neuen Coach Bert van Marwijk.

Hamburg. „Leo“ rief René Adler im Abschlusstraining nach einem Freistoß von Petr Jiracek seinen Abwehrspielern zu, was in der Fußballersprache so viel heißt wie „lasst den Ball durch, ich hab’ ihn sicher“. Doch der HSV-Torwart verschätzte sich bei dieser Standardsituation gehörig, das Spielgerät senkte sich über ihn ins Netz. Ein wenig bezeichnend für die aktuelle Situation beim Bundesliga-Dino, denn auch der in der vergangenen Saison so überragend haltende Adler ist, wie fast alle Teamkollegen, in dieser Spielzeit immer noch auf der Suche nach seiner Topform.

Diese war beim 1:0-Sieg im Pokal gegen Fürth bei der ganzen Mannschaft zwar aufstrebend, doch Adler will das letzte Erfolgserlebnis nicht überbewerten. „Von einem Befreiungsschlag zu sprechen, wäre wohl zu hochtrabend. Wenn man ehrlich ist, war das Pokalspiel nicht die reinste Delikatesse. Wir sind noch nicht in der Position zu sagen, wir fahren nach Frankfurt, reißen das Stadion ein und legen alles in Schutt und Asche“, sagte der Schlussmann einen Tag vor der Partie bei der Eintracht am Sonnabend (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de).

Das wäre in der Tat vermessen. Zumal der HSV die vergangenen sechs Bundesliga-„Topspiele“ am Sonnabendabend alle verloren hat. Die Frankfurter stehen in der Tabelle zwar nur drei Punkte besser da als die Norddeutschen, überzeugten in den jüngsten vier Pflichtspielen jedoch und gehen laut Sportchef Oliver Kreuzer auch als „leichter Favorit“ ins Rennen. „Einen Punkt wollen wir dennoch mitnehmen, drei wären schön“, sagte Kreuzer und kündigte an, dass Trainer Bert van Marwijk seine erste Elf im Vergleich zum Fürth-Spiel wohl nicht ändern wird. „Er muss die Spieler ja erst einmal besser kennenlernen, deshalb wäre es auch verfrüht, von einer eigenen Handschrift zu sprechen. Aber klar ist, dass der neue Coach viel Wert auf das geschlossene Verteidigen legt. Die Spieler sollen bei Ballverlust sofort in die Grundordnung zurück und dem Gegner keine Räume lassen.“

Das würde Adler in die Karten spielen, der bei 17 Gegentoren aus den ersten sechs Bundesligaspielen der Verzweiflung schon sehr nahe kam. 2,8 Gegentore pro Begegnung – nie musste der HSV in seiner Geschichte mehr hinnehmen. 119 Schüsse ließen seine Vorderleute insgesamt zu, der zweitschlechteste Wert nach dem 1. FC Nürnberg (126). Doch der 28-Jährige ist nun voller Hoffnung, dass sich die Dinge zum Guten wenden werden – was an der Verpflichtung van Marwijks liege. Denn im Lob an der Arbeit des Niederländers klingt auch Kritik an dessen Vorgänger Thorsten Fink mit. „Unsere unbefriedigende Situation kann sicherlich nicht komplett am Trainer festgemacht werden, doch wir haben jetzt ein ganz anderes Trainingsniveau, einen ganz anderen Geist in der Mannschaft“, stellt der Keeper fest. Ob die Qualität dann am Ende reiche, um ursprünglich gesteckte Ziele doch noch zu erreichen? „Unrealistisch“, sagt Adler, obwohl man über Europa noch mal sprechen könne, wenn sich das Team stabilisiert hat. Doch wann es soweit sei, will der kunstinteressierte Nationalspieler nicht vorhersagen: „In Hamburg ist es schwierig, weitläufige Bilder zu malen.“

Wichtig ist zunächst auch viel mehr, welches Bild van Marwijk von seiner Mannschaft hat. Hatte er gegen Bremen noch eine große Verunsicherung im Team ausgemacht, sei diese gegen Fürth schon nicht mehr zu sehen gewesen. Deshalb sehe er auch wenig Grund, seine Startformation zu ändern. Damit bleibt sowohl Abwehrjuwel Jonathan Tah, 17, in der ersten Elf als auch das zweite große Talent des HSV, der 19-jährige Hakan Calhanoglu, der mit seinem Auftritt gegen Fürth nicht nur Kreuzer vollends überzeugt hat. „Ich bin der Meinung, dass Hakan den Unterschied in der Bundesliga ausmachen kann, er hat eine unglaubliche Qualität. Er ist ein Straßenfußballer, er macht vieles richtig“, lobt der Sportchef. Die Einstellung des Deutsch-Türken, der am Donnerstag in den vorläufigen Kader der türkischen Nationalmannschaft für die kommenden WM-Qualifikationsspiele berufen wurde, ist ohne Frage vorbildlich. Zusammen mit Adler stand er am Freitag noch auf dem Trainingsplatz und übte Freistöße, als die Kollegen schon unter der Dusche standen.

Und der Gegner? Bei der Eintracht glänzte zuletzt Mittelfeldspieler Takashi Iuni, ansonsten gilt es, Neuverpflichtung Vaclav Kadlec , 21, auszuschalten. Der Stürmer soll das größte tschechische Talent seit Tomas Rosicky sein. Verzichten müssen die Frankfurter auch gegen den HSV auf ihren torgefährlichen Mittelfeldspieler Alexander Meier, der gegen die Hamburger schon fünfmal traf, sowie Neuzugang Jan Rosenthal. „Das sind leider Verletzungen, die länger dauern“, sagte Trainer Armin Veh am Freitag. Der gebürtiger Buchholzer Meier hat seit mehr als zwei Wochen Oberschenkelprobleme, Rosenthal leidet an einem Muskelfaserriss in der Wade. Lediglich der ehemalige St.-Pauli-Verteidiger Bastian Oczipka könnte nach seinem Muskelfaserriss im Oberschenkel wieder rechtzeitig fit werden. „Aber das ist noch nicht definitiv“, meinte Veh. Der Trainerwechsel bei seinem früheren Verein bereitet dem 52-Jährigen keine Sorgen. „Der Nachteil für uns ist, dass wir nicht wissen, wie sie jetzt spielen“, sagte Veh. „Aber niemand kann seine Philosophie innerhalb von nur zwei Tagen einbringen. Wenn er das könnte, müsste ich sagen: Hut ab.“

Um 20.20 Uhr am Sonnabend wird feststehen, ob Veh seinen imaginären Hut wirklich ziehen muss. Eine eigene Philosophie konnten die ständigen Beobachter des HSV bei den zwei bisherigen öffentlichen Trainingseinheiten in der Tat noch nicht erkennen. Dafür ein gewilltes Team, dem es an Einsatz nicht mangelte. Am Tag vor dem Spiel übte van Marwijk sogar noch über die volle Distanz von 90 Minuten – das hatte es unter Fink so gut wie nie gegeben.