Der neue HSV-Trainer will Rafael van der Vaart & Co Fragebögen ausfüllen lassen. Außerdem hat Bert van Marwijk eine Europa-Prämie im Vertrag, will Geheimtraining einführen und mit den Aussortierten reden.

Hamburg. Gut sieht er ja aus, sagte eine Medienvertreterin. Silber schimmernde Haare, gesunder Teint, dunkles Hemd und Sakko: Für einen Moment konnte man Bert van Marwijk glatt mit Schauspieler Richard Gere verwechseln – aber aufgrund des Blitzlichtgewitters, 15 Kamerateams und rund 100 Journalisten bei seiner Vorstellung zum neuen HSV-Trainer auch nur für einen ganz kurzen Moment.

Liebe auf den ersten Blick scheint es zwischen dem HSV und dem Niederländer aber auch ohne den Gere-Faktor gewesen zu sein. Nach einem mehrstündigen Gespräch vor einer Woche in Düsseldorf habe er „ein sehr, sehr gutes Gefühl“ gehabt, sagte HSV-Sportchef Oliver Kreuzer, der auf dem Pressepodest im ersten Stock der Imtech Arena rechts neben dem Nachfolger des beurlaubten Thorsten Finks Platz genommen hatte. Erneutes Blitzlichtgewitter. Der Holländer sei immer „unsere klare Nummer eins“ gewesen, ergänzte HSV-Chef Carl Jarchow. Da durfte natürlich auch van Marwijk in der goldenen Mitte auf dem Podest nicht mit Komplimenten geizen: „Das Gefühl muss einfach stimmen – und beim HSV stimmte mein Gefühl sofort.“

Nettigkeiten, die man so oder in ähnlicher Form schon häufiger im ersten Stock der Arena vernommen hatte. Der Niederländer van Marwijk ist der siebte HSV-Coach in den vergangenen fünf Jahren, aber genau er soll ja nun „der Trainer für die nächsten Jahre“ (Jarchow) sein. Natürlich.

„Ich weiß, dass der Trainer hier in der Vergangenheit häufiger mal gewechselt wurde“, sagte van Marwijk, „aber das ist mir egal.“ Nebenkriegsschauplätze will der 61 Jahre alte Fußballlehrer gar nicht erst aufkommen lassen. Ihm gehe es um Fußball – und um nichts anderes. Er habe „eine sehr verunsicherte Mannschaft“ im Fernsehen am Wochenende gegen Werder Bremen gesehen, aber am Dienstagabend im Pokal gegen Fürth ein Team, das ihm schon sehr viel besser gefallen habe. „Wenn hier alles normal läuft, dann gehört der HSV zwischen Platz eins und Platz sechs“, sagte der ehemalige Bondscoach, „aber in der aktuellen Phase müssen wir auch realistisch sein. Wir stehen auf Platz 16, haben die meisten Gegentore. Da müssen wir uns jetzt zunächst mal ganz schnell von unten befreien.“ Generell sei er ein Freund des holländischen 4-3-3-Systems, aber beim HSV könnte er sich auch vorstellen, ähnlich wie Interimstrainer Rodolfo Cardoso auf eine 4-2-3-1-Taktik zu setzen: „Das sah gut aus. Aber ich muss zunächst mal die Spieler kennenlernen, ehe ich mich da festlege.“

Bereits festgelegt hat sich der frühere Bondscoach, dass er – angefangen mit diesem Donnerstag – zukünftig öfter mal ein Geheimtraining ansetzen will. „Ich bin kein Typ, der jeden Tag ohne Fans trainieren will, aber ab und zu ist es gut, etwas Ruhe zu haben“, sagte van Marwijk, der am Nachmittag die erste, 74 Minuten dauernde Einheit mit den Ersatzspielern von Co-Trainer Roel Coumans leiten ließ, während die Stammspieler ausliefen.

Psychotests für HSV-Spieler

Assistent Coumans soll auch künftig eine große Rolle spielen. „Ich kenne ihn seit langer Zeit und ich vertraue ihm“, sagte van Marwijk, der seinen Landsmann 1996 in der B-Jugend seines Heimatvereins SV Meerssen kennen- und schätzen gelernt hat. Coumans, den van Marwijk 1998 zu Fortuna Sittard geholt hatte, wo der 43-Jährige auch zuletzt noch als Co-Trainer arbeitete, soll nicht nur das tägliche Training aktiv mitgestalten, sondern zeitnah auch mit Fragebogen Psycho-Tests mit allen Profis nach dem Vorbild von Motivationstrainer Peter Boltersdorf (Hannover 96, Alemannia Aachen) machen. „Es geht darum, die persönlichen Ziele und Motivationen der Spieler zu erörtern“, sagte Coumans, der sich die Pressekonferenz am Vormittag aus der zweiten Reihe angehört hatte.

Zur Überraschung vieler hat sich van Marwijk auch bei den Streichkandidaten Michael Mancienne und Slobodan Rajkovic, sowie bei den ausgemusterten Gojko Kacar und Robert Tesche einen möglichen Kurswechsel erbeten. „Der Trainer wird mit allen sprechen und dann entscheiden, wie es mit ihnen weitergeht. Es war sein persönlicher Wunsch. Das ist das, was wir ihm zugestanden haben“, sagte Kreuzer, der dagegen bei van Marwijks auch auf der Pressekonferenz erneut geäußertem Wunsch, Andreas Möller früher oder später als Spielbeobachter zum HSV zu holen, hart bleiben will: „Das wird nichts. Wir haben genug gute Leute, die das machen können.“

Auch ohne den Welt- und Europameister ist sein Ziel klar: Nach Abendblatt-Informationen könnte der Uefa-Cup-Sieger von 2002 bereits bei der Qualifikation für die Europa League durch eine zugesicherte Prämienregelung weit mehr als die kolportierten 1,4 Millionen Euro verdienen. „Ich bin kein Typ, der Druck wegnehmen will. Ganz im Gegenteil. Ich bin davon überzeugt, dass das Team Druck braucht“, sagte van Marwijk, der auch Rafael van der Vaart entsprechend in die Pflicht nehmen will. „Ich mag solche Spieler wie Rafael. Er ist sehr begabt am Ball, ein echter Liebhaber“, sagte der Niederländer, der nach Gelächter im Plenum und einem zugeflüsterten Hinweis von Mediendirektor Jörn Wolf schnell ergänzte: „Er ist ein Liebhaber des Fußballs.“

Seine eigenen Qualitäten als Liebhaber (nicht des Fußballs) könnten dagegen in naher Zukunft ein wenig auf der Strecke bleiben. Dass seine Frau aus Meerssen nach Hamburg zieht, sei jedenfalls nicht geplant. „Aber sie wird oft hier sein“, sagte van Marwijk, der – zumindest bei den weiblichen Medienvertretern – dann doch noch für eine kleine Enttäuschung beim Einstand sorgte.