Sportchef Kreuzer beendet mit dem Fink-Rauswurf „ein kleines Wirrwarr“. Cardoso übernimmt interimsweise. Babbel und auch Schaaf sind beim HSV im Gespräch. Kein Kontakt zu Foda und Stanislawski.

Hamburg. Thorsten Fink war einer der Ersten. Um 10.07 Uhr fuhr der am Vorabend beurlaubte Trainer am Stadion vor, lächelte den rund 50 Medienvertretern zu und verschwand im Kabinentrakt. Exakt 22 Minuten später folgte Sportchef Oliver Kreuzer, noch mal fünf Minuten später fuhr Marketingvorstand Joachim Hilke auf dem weiträumig abgesperrten Parkplatz vor. Mit dem HSV-Vorsitzenden Carl Jarchow, der bereits in der Geschäftsstelle der Arena auf seine Vorstandskollegen wartete, war die Elefantenrunde somit komplett. „Die Entscheidung, Thorsten Fink zu entlassen, ist uns sehr schwer gefallen“, sagte Jarchow auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz, kurz nachdem sich Fink bei der Mannschaft in der Kabine verabschiedet hatte und der Vorstand den Spielern die Entscheidung begründete.

„Wir haben keine klare Linie in den Spielen erkennen können. Es war immer ein kleines Wirrwarr zu sehen“, erklärte Kreuzer, der am Vorabend nach München geflogen war, um Fink die „speziell für mich sehr schwierige Entscheidung“ persönlich mitzuteilen. „Ich denke, wir sind im Guten auseinander. Er hat mir vernünftig seine Meinung gesagt“, sagte Fink, um dann – noch während die Pressekonferenz lief – den Volkspark zu verlassen.

Wenige Minuten zuvor hatte er dem Team viel Erfolg in der Zukunft gewünscht. Fink versicherte: „Die Mannschaft hat das Zeug dazu.“ Und: „Ich glaube, dass ich in zwei Jahren hier etwas entwickelt habe und bin stolz, für diesen großen Club gearbeitet zu haben. Der HSV ist mir arg ans Herz gewachsen, ich wäre gern länger hiergeblieben. Ich denke, dass sich der Erfolg auch eingestellt hätte.“

Dass Fink dies nicht mehr beweisen kann, war erst am späten Nachmittag des Vortags beschlossene Sache. „Wir hatten nicht mehr das hundertprozentige Vertrauen in Thorsten“, sagte Kreuzer. Nach längeren Beratungen innerhalb des Vorstands entschied man schließlich einstimmig, wie Jarchow betonte, die Reißleine noch vor dem Nordderby gegen Werder Bremen (Sonnabend., 15.30 Uhr, im Liveticker auf abendblatt.de) zu ziehen. „Die Entlassung war nicht von langer Hand geplant“, sagte der HSV-Vorsitzende, der damit allerdings gleichzeitig das Dilemma aufzeigte, in das sich der nicht vorbereitete Verein nun hineinmanövriert hat: Einen Nachfolger gibt es noch nicht.

Der neue Trainer müsse Deutsch sprechen, gut und vor allem auch günstig sein, umriss Kreuzer das Anforderungsprofil des nun zu suchenden Wunschkandidaten nur sehr grob. Eine Liste mit möglichen Kandidaten hätte er bereits erstellt, wobei am Dienstag lediglich durchsickerte, wer nicht unter diesen Auserwählten ist. Der in Kaiserslautern entlassene Franco Foda dementierte einen Kontakt zum HSV genauso wie Berater Max Hagmayr und Kreuzer.

+++ Die HSV-Krise im Ticker +++

Auch Felix Magath sagte ab, noch bevor er überhaupt gefragt werden konnte, und kritisierte den Verein via „Bild“: „Noch im Mai haben Aufsichtsratsboss Manfred Ertel und Jarchow als Vorstandsvorsitzender erklärt, dass Fink der richtige Mann für den HSV sei. Und jetzt ist er es nach nur fünf Spielen nicht mehr? Da kann ich mich nur wundern.“ Holger Stanislawski, der seit seiner Trennung vom 1. FC Köln von der Bildfläche verschwunden ist, wurde laut seinem Berater Marc Kosicke („Vom HSV hat niemand mit uns gesprochen“) genauso wenig kontaktiert wie der bei vielen Fans im Internet äußerst unbeliebte Markus Babbel.

„Jetzt werden ja viele Namen gehandelt. Aber beim Thema Babbel musste auch ich schmunzeln“, sagte Kreuzer, der beteuerte, nicht mit dem Münchner gesprochen zu haben. Ein Trainer, in dessen Nachnamen sich gleich drei B wiederfinden, so die einhellige Meinung der Fans, die beispielsweise beim HSV-Blog „Matz ab“ heftig diskutierten, könne auf keinen Fall die A-Lösung für den HSV sein. Nach Abendblatt-Informationen gehört Babbel, der zuletzt 2012 in Hoffenheim arbeitete und zuvor bei Hertha BSC und dem VfB Stuttgart als Cheftrainer unter Vertrag stand, trotz des Dementis und der Proteste vieler Anhänger aber weiterhin zum Kandidatenkreis, zu dem sich auch Stefan Effenberg, Slaven Bilic, Horst Hrubesch und ganz ernsthaft auch Thomas Schaaf zählen können. Investor Klaus-Michael Kühne, der Finks Entlassung begrüßte, brachte erneut Felix Magath als Präsident und dessen langjährigen Co-Trainer Bernd Hollerbach als Coach ins Gespräch.

Cardoso übernimmt trotz Lehrgangs

Bis Finks Nachfolger gefunden ist, soll zunächst aber – mal wieder – Hamburgs Allzweckwaffe Rodolfo Cardoso das Profitraining leiten. Der 44 Jahre alte Argentinier, der derzeit eigentlich in Köln für seine Fußballlehrerlizenz büffelt und bereits vor zwei Jahren als Interimsnachfolger von Michael Oenning eingesprungen war, soll gemeinsam mit U19-Trainer Otto Addo am Sonnabend gegen Werder Bremen auf der Bank sitzen. „Am Wochenende bin ich dabei, danach weiß ich noch nicht, was dann sein wird“, sagte Cardoso, der am frühen Morgen von Kreuzer und von Mediendirektor Jörn Wolf über die aktuelle Entwicklung informiert wurde.

Am Nachmittag leitete er bereits das Training der Profis. Seine erste Amtshandlung: Für den Mittwoch strich er den freien Vormittag und bat zu einer Doppeleinheit. Nicht dabei sein wird dann neben Fink auch dessen Assistent Patrick Rahmen, der im Gegensatz zu den Co-Trainern Roger Stilz, Nikola Vidovic und Torwart-Coach Ronny Teuber ebenfalls beurlaubt werden soll. Eine endgültige Entscheidung soll in den kommenden Tagen erfolgen.

Neben der Suche nach einem neuen Trainerteam stehen für Kreuzer nun auch zeitnah die Gespräche mit Fink und dessen Berater Thomas Kroth über eine Abfindung auf dem Programm. Anders als bei Vorgänger Michael Oenning, bei dem eine festgeschriebene Abfindung im geringen sechsstelligen Bereich im Vertrag verankert worden war, hatte Kreuzers Vorgänger Frank Arnesen bei Fink bewusst auf eine vergleichbare Klausel verzichtet. Somit dürften dem 45-Jährigen, für den der HSV bei dessen Wechsel von Basel nach Hamburg eine Million Euro Ablöse zahlen musste, rund 900.000 Euro bis Vertragsende im Sommer zustehen, was die angestrebte schwarze Null auch in dieser Saison nicht einfacher werden lässt.

Am Dienstag war Geld ausnahmsweise allerdings nicht das vorherrschende Thema. „Thorsten ist ein Mann mit Stil, er hat Klasse“, gab Kreuzer seinem entlassenen Kumpel noch ein paar warme Worte mit auf den Weg: „Er ist ein guter Typ und, davon bin ich trotz allem fest überzeugt, auch ein guter Trainer.“ Nur eben nicht mehr gut genug für den HSV.