Nach einer turbulenten Woche verliert der HSV mit 0:1 auch in Berlin. Darüber aufregen wollten sich aber nur die zahlreich mitgereisten Fans.

Berlin/Hamburg. Immerhin ein gutes Dutzend Fans hatte es am Sonntag dann doch irgendwie geschafft, trotz weitläufiger Cyclassics-Sperrungen rund um den Volkspark zum von Trainer Thorsten Fink angesetzten Frühsport um 9Uhr an der Arena zu erscheinen. Wirklich viel bekamen die leidgeprüften Anhänger am Morgen nach dem 0:1 des HSV bei Hertha BSC allerdings nicht zu sehen. Die Protagonisten des Vorabends gingen joggen, die Ersatzspieler übten auf einem Nebenplatz, und Trainer Fink suchte im Innenraum des Stadions nach Antworten. „Man darf nicht alles immer nur negativ sehen. Wir haben zumindest mal eine Reaktion gezeigt“, sagte der Coach, der sich in diesen turbulenten Tagen mit wenig zufriedengeben muss: „Ein Unentschieden wäre verdient gewesen.“

Tatsächlich hatte der HSV am Vorabend nicht wirklich schlechter als der Aufsteiger aus der Hauptstadt gespielt. Finks Mannschaft hatte mehr Ballbesitz (52 zu 48 Prozent), mehr Ecken (neun zu sechs), mehr direkte Schüsse aufs Tor (sieben zu fünf) und demonstrierte mit mehr Fouls (18 zu 16) sogar das zuletzt vermisste Engagement. Doch die von Fink zuvor angekündigte Trotzreaktion nach der derben 1:5-Niederlage gegen Hoffenheim, das musste nach 90 insgesamt enttäuschenden Minuten festgehalten werden, war dennoch ausgeblieben: „Man konnte sehen, dass man so ein 1:5 nicht so einfach abschütteln kann“, sagte Fink, der die Ereignisse neben dem Platz unter der Woche für die durchaus ausbaufähige Leistung seiner Mannschaft mitverantwortlich machte (siehe unten).

Anders als in der Partie am Sonnabend, als dem HSV im Spiel nach vorne kaum etwas gelingen wollte, nahmen die Spieler die verbale Steilvorlage ihres Trainers nach der Niederlage dankend und gekonnt auf. Sie hätten doch immerhin von der ersten Minute an gekämpft, lobte Dennis Diekmeier, hätten defensiv viel besser gestanden als gegen Hoffenheim, sagte Lasse Sobiech, und hätten laut Heiko Westermann eigentlich alles so umgesetzt, was sie sich vorher vorgenommen hatten. Zumindest fast alles. Nur ein positives Ergebnis, das hätte am Ende eben gefehlt.

Keine Torchance in der ersten Halbzeit

Doch stimmt das überhaupt? Von Finks Ankündigung, auch nach dem 1:5 gegen Hoffenheim weiter an seiner offensiven Spielausrichtung festhalten zu wollen, war in Berlin jedenfalls kaum etwas zu sehen. Anders als sonst verzichtete der 45-Jährige darauf, das Spiel durch einen zurückgezogenen Mittelfeldspieler in Ruhe aufbauen zu lassen. Stattdessen setzte er auf lange Bälle der Innenverteidiger. In der ersten Halbzeit konnte sich der HSV so keine einzige Torchance selbst herausspielen.

Und auch im zweiten Durchgang wurde den 10.000 mitgereisten Hamburgern, von denen nach dem Abpfiff einige Redebedarf hatten, alles andere als Feinkost geboten. Zwar erkämpften sich ihre Lieblinge die eine oder andere Möglichkeit, fußballerisch überzeugen konnten sie aber nicht. Bezeichnend war, dass ausgerechnet der 22-jährige Zhi Gin Lam, der links in der Abwehr den verletzten Marcell Jansen (Zehenbruch) ersetzte, bester Hamburger war. Der HSV stand defensiv stabil, ließ in der Offensivbewegung aber jegliche Kreativität vermissen. „Wir brauchen in unserer aktuellen Phase keine Schönspielerei“, brachte es Torhüter René Adler ehrlich auf den Punkt: „Zurzeit ist es brutale Arbeit, dass wir uns den Spaß am Fußball erhalten.“

Am Tag des 50. Geburtstags des Bundesliga-Dinos wurde schmerzhaft deutlich, dass dem HSV möglicherweise doch eine sehr viel kompliziertere Saison als angenommen droht. Ändern könnte das wohl nur ein erneut „kalkuliertes Risiko“, das der Verein nach dem schwachen Saisonstart schon in der vergangenen Saison eingegangen ist. „Wir werden uns in dieser Woche noch mal zusammensetzen und schauen, was da machbar ist“, sagte Sportchef Oliver Kreuzer, der aber die Meldungen aus Dänemark dementierte, nach denen sich der HSV wieder mit Arsenal Londons Nicklas Bendtner beschäftigen würde. Dass Kreuzer aber bis zum Ende der Transferfrist am 2. September noch aktiv werden will, daran ließ er keine Zweifel: „Wir müssen und wir sollten im Sturm etwas unternehmen.“

Bevor es so weit ist, sollen in dieser Woche Nebenkriegsschauplätze vermieden und sämtliche Konzentration dem Heimspiel gegen Braunschweig gewidmet werden. „Gegen Braunschweig müssen wir gewinnen – da gibt es keine Alternative“, sagte Fink, der sich an diesen Worten am kommenden Wochenende messen lassen muss. Denn nur der erste Saisonsieg könnte für ein wenig Entlastung sorgen, zumal der HSV im Spiel darauf nach Dortmund reisen muss. Eines braucht Fink wohl aber nicht zu befürchten: Am trainingsfreien Montag soll diesmal kein HSV-Profi einen Flug nach Mallorca geplant haben.