Der HSV verliert 1:5 im ersten Heimspiel gegen Hoffenheim und anschließend die Nerven. Adler schimpfte, Fink tobte, gab aber trotzdem zwei Tage frei.

Hamburg. Es regnete am Morgen nach der Blamage, aber im Regen wollte HSV-Chef Carl Jarchow dann doch nicht stehen. Im Trainingsanzug war der Vorstandsvorsitzende noch mal zum Ort des Geschehens gefahren, wo am Vortag Fast-Absteiger Hoffenheim den HSV nach allen Regeln der Kunst mit 1:5 auseinander genommen hatte. „Ich war entsetzt, dass wir in der zweiten Halbzeit so auseinandergebrochen sind. Das hat mich erschrocken“, sagte Jarchow, der nach einem kurzen Gedankenaustausch mit Sportchef Oliver Kreuzer auf dem Weg zurück zum Auto Schutz vor dem an diesem Tag so passenden Hamburger Schmuddelwetter unter einer Treppe suchte, „es liegt vielleicht an der Mentalität unserer Profis.“

Persönlich konnte Jarchow den gescholtenen Spielern allerdings keine deutlichen Worte zum Sonntag mit auf den Weg geben, da Trainer Thorsten Fink trotz der derben Klatsche bei seinem Ursprungsplan blieb, zwei freie Tage zu geben. „Das ist einzig und alleine die Entscheidung des Trainers. Der Cheftrainer ist in der Verantwortung und er wird auch in die Verantwortung genommen“, sagte Jarchow, der seine Verwunderung über die ungewöhnliche Maßnahme Finks aber auch nicht verbergen wollte: „Ich war schon davon ausgegangenen, dass die Spieler an diesem Sonntag zum Auslaufen da sind.“

So war es aber lediglich Torhüter René Adler, der zum Frustabbau am Sonntag den Kraftraum an der Arena dem Familienfrühstück vorzog. Viel reden wollte der Nationalspieler nicht, das hatte er allerdings auch schon unmittelbar nach der heftigen Heimpleite getan. „Unsere Fans tun mir leid, wenn sie für so eine Scheiße auch noch Geld bezahlen müssen. Das war eine Demontage, eine Katastrophe“, hatte Adler geflucht, „das wird jetzt eine Kackwoche. Und eine ganz harte Saison.“

Tatsächlich war es im Hinblick auf die selbst sehr hochgesteckten Ziele mehr als nur beunruhigend, was sich da am Sonnabend im ersten Heimspiel dieser Spielzeit so zugetragen hatte. Torhüter Adler? Schwach. Die Viererkette? Ein Torso. Das defensive Mittelfeld? Eine Offenbarung. Die Offensive? Nicht auf dem Platz. Und Überflieger Fink, der nach dem überraschenden Auftakterfolg gegen Schalke (3:3) schon „einen neuen Geist in der Mannschaft“ ausgemacht und sich anschließend verdientermaßen als Taktikfuchs feiern gelassen hatte? Böse abgestürzt!

Der Cheftrainer setzte auch gegen die extrem variabel spielenden Hoffenheimer auf seine 4-2-4-Taktik ohne echten Stürmer, worauf sich die Kraichgauer im Gegensatz zu den Schalkern allerdings bestens eingestellt hatten. Bereits nach vier Minuten sorgte Roberto Firmino für den ersten Tusch des Tages, dem vier weitere Paukenschlage in der zweiten Halbzeit folgen sollten. Doch obwohl der HSV dank Rafael van der Vaarts Elfmetertreffer zum zwischenzeitlichen Ausgleich mit einem 1:1 in die Kabine ging, war bereits in den ersten 45 Minuten ein Klassenunterschied erkennbar, der dann auch in der zweiten Halbzeit durch Kevin Volland (50.), Anthony Modeste (67. und 74.) und erneut Firmino (77.) zementiert wurde. „Unsere Spieler haben als Mannschaft versagt“, zog Jarchow ein vernichtendes Fazit, dem sich Sportchef Kreuzer nur anschließen konnte.

Anders als Fink, der ein Defensivproblem hartnäckig dementierte (siehe unten), ist laut Kreuzer die Defensive momentan sehr wohl das zentrale Problem des Teams. „Wir müssen mehr defensive Verantwortung übernehmen. Wir müssen sehen, dass wir defensiver spielen. Und jeder Spieler muss sich seiner defensiven Verantwortung bewusst sein“, sagte Kreuzer, der somit Finks exklusive Sichtweise vorm Vortag deutlich in Frage stellte: „Drei Gegentore gegen Westham, vier Gegentore gegen Dresden, drei Gegentore gegen Schalke und jetzt fünf Gegentore gegen Hoffenheim – wir müssen einfach wieder lernen, dass die Basis unseres Erfolgs die Defensive sein muss.“

„Da frage ich mich: was ist da passiert?“

Neben der taktischen Einstellung kritisierte Kreuzer am Tag nach dem Debakel aber vor allem die erfahrenen Spieler, denen er mangelnde Führungsstärke vorwarf: „Man könnte erwarten, dass gerade die erfahrenen Spieler die Dinge in die Hand nehmen“, sagte der Sportchef. Dazu seien die Nationalspieler aber nicht in der Lage gewesen: „Die erfahrenen Spieler haben zu viele Probleme mit sich selbst.“ Als Beispiele nannte er Marcell Jansen („Der Marcell Jansen in Schalke und der Marcell gestern. Da frage ich mich: was ist da passiert?“) und Kapitän van der Vaart („Wir erwarten von ihm, eine klare Leistungssteigerung zum letzten Jahr“).

Knapp 18 Stunden nach dem Debakel stellten sich Kreuzer und Jarchow aber vor allem die Frage, wie es nun im Hinblick auf das Spiel gegen Hertha am kommenden Wochenende in dieser Woche weitergehen soll. Doch während die beiden Führungskräfte bereits an diesem Montag schon wieder zu einer Vorstandssitzung am Stadion zusammenkommen werden, trifft sich die Mannschaft erst am Dienstag zur ersten richtigen Aussprache. „Dann wird das Spiel knallhart analysiert – und ab Mittwoch muss der Kopf frei sein für Berlin“, sagte Kreuzer, der die Entscheidung, zwei Tage frei zu machen, ähnlich wie Jarchow öffentlich nicht kommentieren wollte: „Diese Entscheidung stand schon vor dem Spiel fest, und Thorsten wollte sie eben nicht zurücknehmen.“

Letztendlich wird die Richtigkeit aller Entscheidungen ohnehin erst wieder am Wochenende in den 90 Minuten gegen Hertha überprüft werden können. Doch gelingt im dritten Spiel der Saison nicht endlich der erste Erfolg, dürfte zumindest ein Mann ganz unabhängig vom Wetter im Regen stehen.