Der HSV-Sportchef wirbt nach dem Pokal-Aus des HSV für größere Risikobereitschaft. Auch mit Investor Kühne gibt es weiterhin Gespräche.

Hamburg. Zumindest seinen Sinn für Humor scheint Frank Arnesen trotz des schmerzhaften Pokal-Aus gegen Karlsruhe nicht verloren zu haben. "Will der etwa meinen Job?", fragte der Däne schmunzelnd, als ihn am Montagvormittag ein Reporter entschuldigend darauf hinwies, dass während der Gesprächsrunde im Innenraum der Imtech-Arena sein Handy klingeln könnte, weil er einen Anruf des früheren Managers Günter Netzer erwarte.

Netzer wollte nicht Arnesens Job, so viel konnte der Medienvertreter bereits vor dem Anruf verraten. Sorgen muss sich der Skandinavier vor dem Saisonstart am Sonnabend gegen den 1. FC Nürnberg aber trotzdem machen.

"Natürlich bin ich sehr enttäuscht über die Niederlage in Karlsruhe. Trotzdem hoffe ich weiterhin, dass wir in dieser Saison nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben werden", sagte Arnesen, der gestern die Gespräche mit seinen Vorstandskollegen suchte. Seine Intention: In Anbetracht der gebotenen Leistungen der Vorsaison, der Vorbereitung und im Pokal müsse man nun ernsthaft darüber nachdenken, bei der Suche nach einem neuen Spieler kontrolliert ins Risiko zu gehen. "Uns fehlt jetzt rund eine Million Euro, aber wir müssen trotzdem neu überlegen", sagte Arnesen, der als zweiter Vorsitzender neben dem Sportlichen auch für die Vereinsfinanzen verantwortlich ist, "wir dürfen uns nicht kaputtsparen."

Dabei gab Arnesen ohne große Umschweife zu, dass er auch weiterhin in Gesprächen mit Investor Klaus-Michael Kühne sei, der dem HSV-Vorstand via Pressemitteilung vor sechs Wochen öffentlich Konzeptlosigkeit vorgeworfen hatte. "Wir haben wöchentlich Kontakt mit Herrn Kühne", sagte Arnesen, der mit zwei potenziellen Mittelfeldregisseuren in ernsthaften Verhandlungen sei. Es gebe eine Lösung mit und eine Lösung ohne Kühne. So gilt Genuas Cristobal Jorquera, an dem der HSV bereits seit Wochen Interesse hat, als Profi, der auch ohne eine Millionenhilfe Kühnes verpflichtet werden könnte. Schalkes Jurado, der dem HSV bereits in der vergangenen Woche abgesagt hatte, wäre dagegen ein Spieler gewesen, bei dem der Verein finanzielle Unterstützung gebraucht hätte.

Kühne bestätigte dem Abendblatt, dass er sich weiterhin vorstellen könnte, den HSV trotz der Meinungsverschiedenheit im Juli zu unterstützen - allerdings nur zu gewissen Bedingungen. "Ich würde den HSV weiterhin finanziell unterstützen, wenn mir endlich ein schlüssiges Konzept vorgelegt wird", sagte Kühne, der den HSV-Vorstand zuletzt stark kritisiert hatte: "Mir geht das beim HSV zu langsam, zu zögerlich. Das letzte Feuer brennt nicht."

Wie das Abendblatt erfuhr, ist der Auslöser des öffentlichen Gezankes bereits im Winter zu finden. So hatte sich Kühne im Januar sogar schriftlich dazu bereit erklärt, den Schweizer Granit Xhaka zum HSV zu lotsen, nachdem ihn Trainer Thorsten Fink in einem Gespräch auf Mallorca von dessen Qualitäten überzeugen konnte. Der bereits ausgearbeitete Deal sah damals vor, dass Kühne Wunschspieler Xhaka komplett für den HSV finanziert, im Gegenzug aber seine Anteile an Dennis Aogo, Paolo Guerrero, Dennis Diekmeier, Marcell Jansen, Lennard Sowah und Heiko Westermann dem Verein überschreibt.

+++ Kommentar: Investieren oder Abstieg riskieren +++

Bekanntlich kam es anders. Nachdem ein Wechsel Xhakas im Winter für sieben Millionen Euro zum HSV gescheitert war, kündigte der begehrte Mittelfeldmann zum Unverständnis Kühnes wenig später seinen Wechsel zum Champions-League-Qualifikanten Borussia Mönchengladbach an. Der Investor, der dem HSV in der Vergangenheit bereits 12,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hatte, wollte nicht verstehen, warum ausgerechnet Finks sportlicher Ziehsohn Xhaka dem HSV eine Abfuhr erteilte. Er zürnte, die Hamburger Verantwortlichen hätten ihm doch suggeriert, dass gerade wegen Finks persönlichem Verhältnis zu Xhaka und dessen Familie ein Transfer allein an der Entschlossenheit des HSV und an der finanziellen Bereitschaft Kühnes hängen würde. Die finanzielle Bereitschaft, so der Milliardär, war da, die Entschlossenheit des HSV nicht.

Ob sich dies nun in den kommenden Tagen bis zum Ende der Transferfrist am 31. August ändert, ist nun die große Frage, die es beim HSV zu diskutieren gibt. Gestern traf sich bereits der Vorstand, morgen Abend tagt der Aufsichtsrat. Innerhalb des Kontrollgremiums scheint jedenfalls die Bereitschaft gewachsen, notfalls vom Kurs der finanziellen Konsolidierung abzurücken. "Wir müssen im Verein überlegen, wie hoch das Risiko sein darf und wer im Verein im Notfall dafür haftet", sagt Jürgen Hunke. Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Aufsichtsrat drängt zu einer Grundsatzdebatte. "Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir strukturell über den Gesamtverein nachdenken müssen. Die Frage ist, ob wir die Prioritäten richtig setzen." Was Hunke mit seinem Vorstoß im Detail meint, will er morgen zunächst seinen Ratskollegen mitteilen. Eine Erklärung für den finanziellen Engpass hatte er schon gestern parat: "Wir haben einfach in den vergangenen Jahren über unsere Verhältnisse gelebt. Wir bezahlen für die Fehler aus der Vergangenheit."

Einig ist sich Hunke mit Arnesen, dass für eine bessere Zukunft nun in der Gegenwart investiert werden muss.