Der Unternehmer setzt den HSV-Vorstand in der Personalie Rafael van der Vaart unter Druck. Klubchef Jarchow reagiert verärgert.

Hamburg. Solch einen Tag hat es beim HSV lange nicht gegeben. Am Freitagmorgen prügelten sich Slobodan Rajkovic und Heung Min Son auf dem Trainingsplatz, kurz darauf betrat Klaus-Michael Kühne in den Ring und ging zum Angriff über. In einer Presserklärung forderte der Unternehmer offen die Verpflichtung von Rafael van der Vaart: "Ohne einen erstklassigen Mittelfeldregisseur wird es dem HSV nicht gelingen, in die Spitzengruppe der Bundesliga aufzusteigen und sich dort zu behaupten. Mit van der Vaart hätte der HSV nach einigen bitteren Jahren endlich die Perspektive, zu einem Spitzenklub heranzureifen und an den Wettbewerben im europäischen Fußball teilzunehmen."

Während einer von ihm um 13 Uhr einberufenen Telefonkonferenz erläuterte der 75-Jährige dann detailliert seine Überlegungen. Hinter dem Verein läge eine schwere Saison: "Wie der HSV gespielt hat, ging ja auf keine Kuhhaut. Der Verein hätte es verdient gehabt abzusteigen", kritisierte er. Es sei nur deshalb nicht dazu gekommen, weil es noch drei schlechtere Klubs gegeben hätte. "Aber das wird in dieser Saison nicht noch einmal so sein."

Sein Investment - für 12,5 Millionen Euro wurde er zu einem Drittel an möglichen Transfererlösen bei Paolo Guerrero, Dennis Aogo, Heiko Westermann, Marcell Jansen, Dennis Diekmeier und Lennard Sowah beteiligt - wäre nicht von Erfolg gekrönt gewesen, sondern hätte einen gegenteiligen Effekt erzielt. Seit dem Weggang Rafael van der Vaarts hätte dem HSV sein Herzstück gefehlt: "Das ist keine Mannschaft, es fehlt die Regie. Auch der Trainer (Thorsten Fink, d. Red.) kam als großer Hoffnungsträger und hatte keinen Erfolg. Aber ihm muss man längerfristig eine Chance geben."

Nach eigener Aussage hat Kühne immer wieder Empfehlungen gegenüber dem Vorstand und einigen Aufsichtsräten ausgesprochen. Jetzt war für den vermögenden Mehrheitseigner des Logistikdienstleisters Kühne + Nagel der Zeitpunkt gekommen, seine Wünsche öffentlich zu machen: "Wenn man etwas bewegen will, muss man stimulieren. Mir geht das zu langsam, zu zögerlich. Das letzte Feuer brennt nicht. Dabei gilt es, das Momentum zu nutzen. Tottenham überlegt, van der Vaart abzugeben. Man hat mir beim HSV gesagt, dass man ihn gerne haben will, auch der Trainer. Jetzt geht es darum, Fantasie zu entwickeln, um die finanziellen Möglichkeiten dafür zu schaffen."

Es sei anerkennenswert, führte der HSV-Investor aus, dass der Vorstand bewusst mit den Finanzmitteln umgehe, aber: "So schlecht sieht es nicht aus, mir wird zu sehr tiefgestapelt."

Wenig verwunderlich, dass Kühne gleich konkrete Vorschläge für die Umsetzung mitlieferte. So wäre er erstens bereit, seinen Verkaufserlös am Verkauf von Paolo Guerrero (1,67 Millionen Euro) in die Verpflichtung van der Vaarts zu investieren. Zweitens schlug er vor, die Vereinsmitglieder zu bitten, sich wie er an der Finanzierung des Transfers und den laufenden Kosten für den Niederländer zu beteiligen, mit einem "HSV-Groschen", wie er es nannte.

Kühnes Vision: "Wäre jedes Vereinsmitglied mit Beträgen zwischen 50 und 200 Euro dabei, könnten einige Millionen Euro zusammenkommen", sinnierte Kühne, der optimistisch hofft, 50 Prozent der Mitgliedschaft mobilisieren zu können. "Ich selbst wäre bereit, bei einem Drei- bis Fünfjahresvertrag für van der Vaart jede Saison einen maßgeblichen Betrag für das Gehalt beizusteuern." Die geplante Umschuldung der Finanzierung des Stadions könnte zusätzliche Liquidität schaffen.

Erstrebenswert sei es zudem, weitere private Geldgeber zu finden, die in größerem Umfang finanzielle Beiträge zur Verpflichtung van der Vaarts leisten könnten. "Ich weiß, dass es schon gewisse Gespräche von Dritten gibt."

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Gäbe es einen anderen, jungen Mittelfeldregisseur mit den Qualitäten eines van der Vaart, wäre ihm das auch recht, betonte Kühne: "Aber ich sehe weit und breit keinen." Der Verein müsse jetzt schnell einen Transfercoup landen. Der Verkauf von Paolo Guerrero sei nur der erste, richtige Schritt gewesen: "Er war unberechenbar und nicht so erfolgreich, wie man sich das vorgestellt hat. Mit einem van der Vaart würde der HSV seine Attraktivität für andere Spieler schlagartig verbessern."

Sollten seine "Anregungen" beim HSV jedoch auf wenig Gegenliebe stoßen, das machte Kühne klar, werde er zunächst bitten, ihm den ihm zustehenden Anteil am Guerrero-Verkauf umgehend zu überweisen und sich in der Folge "passiv verhalten". Er ginge dann davon aus, dass der Vorstand aktiv daran arbeitet, die Qualität der Mannschaft zu steigern und andere erstklassige Spieler findet. "Aber auch da hat sich der HSV schwergetan."

Die Reaktion beim HSV auf Kühnes Aussagen ließen nicht lange auf sich warten. "Wenn man uns vorwirft, wir seien nicht aktiv genug, kann ich das nicht nachvollziehen und werde ihm das so auch mitteilen", sagte Carl Jarchow, der mit Kühne am Freitagnachmittag telefonisch verabredet war.

"Ich weiß sein Engagement zu schätzen und genauso seine Fantreue", fuhr der Klubvorsitzende fort, "aber wir lassen uns von niemandem zu etwas drängen und legen Wert auf unsere Eigenständigkeit."

Auf die Frage, ob Kühne nun überhaupt noch eine Zukunft beim HSV habe, antwortete Jarchow zurückhaltend: "Er ist Vertragspartner des HSV, und der Vertrag läuft noch. Alles Weitere wird sich zeigen, insofern gibt es von mir kein eindeutiges Statement. Aber seien Sie sicher, dass ich ganz klar weiß, was sein wird. Und was nicht."

Zu diesem mehr als ungewöhnlichen HSV-Tag passte bestens, dass der Spieler, um den seit Wochen heftig diskutiert wird, via "Bild" verkündigte, dass für ihn die Spekulationen um eine Rückkehr zum HSV nur Gerüchte seien: "Ich werde wohl auch in der kommenden Saison bei Tottenham Hotspur spielen." Dort steht der 29-Jährige noch bis 2014 unter Vertrag.

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Doch Kühne will nicht lockerlassen. Kein Wunder, war es doch der Niederländer, der ihn zum Gönner des HSV werden ließ. Vor dreieinhalb Jahren sollte er als einer von mehreren Investoren van der Vaarts Weggang verhindern. Erst 2010, als sich eine Rückholaktion van der Vaarts erstmals nicht realisieren ließ, einigte sich Kühne mit dem damaligen HSV-Vorsitzenden Bernd Hoffmann auf eine Beteiligung an anderen Spielern. Doch sein Hauptinteresse an einem internationalen Spitzenspieler fürs HSV-Mittelfeld blieb. Als sich die Hamburger intensiv um den Baseler Granit Xhaka (ging nach Gladbach) bemühten, war Kühnes finanzielle Beteiligung fest eingeplant.