Mit dem geplanten Campus im Volkspark verabschiedet sich der HSV aus dem Norden. Nachwuchskicker sehen Umzug mit gemischten Gefühlen.

Norderstedt. Marc Lindenberg und Sebastian Haut bereiteten sich gerade auf ihren morgendlichen Lauf durch Norderstedt vor, als sie die Nachricht aus der Zeitung erfuhren: Der HSV plant ein neues Nachwuchsleistungszentrum im Volkspark . Wie lange die beiden Spieler der B-Jugend-Bundesliga-Mannschaft ihre Jogging-Runden noch durch Garstedt und Harksheide drehen werden, ist also unklar. Zumindest die älteren Nachwuchsspieler ab der U 17 sollen zukünftig nicht mehr am Ochsenzoll trainieren, sondern in unmittelbarer Nähe des Stadions.

In der anstehenden Saison 2012/2013 wird sich für die Nachwuchsspieler noch nichts ändern. Trotzdem blicken sie mit gemischten Gefühlen auf den geplanten Umzug, der sie bei zügiger Planung und Durchführung wohl auch noch betreffen würde. "Einerseits ist es gut für uns, dass die Jugendmannschaften zukünftig näher an die Profis heranrücken", sagt Marc Lindenberg, "so haben wir unser Ziel näher vor Augen."

Strukturell rüstet der Traditionsverein in Norderstedt ab

Andererseits schätzen die Nachwuchshoffnungen auch die großzügige Anlage am Ochsenzoll: "Wir haben hier zehn Trainingsplätze und dazu noch einen modernen Kunstrasenplatz. Hier lässt es sich gut trainieren", sagt Sebastian Haut. Marc Lindenberg müsste sich zusätzlich auch auf längere Fahrzeiten gefasst machen. Anders als sein Teamkollege wohnt er nicht im Internat, sondern wird vom Fahrdienst des HSV täglich aus seiner Heimatstadt Lübeck abgeholt.

Strukturell rüstet der Traditionsverein also ab in Norderstedt. Die Stadt verliert mittel- und langfristig ein weiteres Stück HSV. Das neue Projekt "HSV-Campus" sieht konkret vor, dass direkt an der Imtech-Arena nicht nur das Nachwuchsleistungszentrum, sondern im selben Komplex auch ein neues Internat sowie weitere Trainingsbereiche gebaut werden sollen. Es ist eine Grundsatzentscheidung, ab der B-Jugend den sportlichen Betrieb zu zentralisieren.

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Als die Vorstände Carl Jarchow, Joachim Hilke, Frank Arnesen und Oliver Scheel das Konzept öffentlich vorstellten, blieben konkrete Erläuterungen über die Zukunft des Geländes an der Ulzburger Straße aus. Dort befinden sich bekanntermaßen bereits ein Nachwuchsleistungszentrum - die Jürgen-Werner-Schule -, zahlreiche Trainingsplätze und darin integriert ein Internat für 17 Fußballtalente.

"Es steht noch nicht wirklich fest, was wir aus den Zimmern im Internat machen", sagte Jarchow in Bezug auf die frei werdenden Kapazitäten.

2004 verschwand die Bundesliga-Mannschaft aus der Stadt

Sollten die Vorstellungen des Hamburger SV langfristig so wie geplant realisiert werden, wären die alten Einrichtungen überdimensioniert. 2004 verschwand bereits die Bundesliga-Mannschaft aus Norderstedt. Sie war bis dahin eine lokale Sehenswürdigkeit gewesen - die Trainingseinheiten waren Publikumsmagnete, dazu joggten die Idole locker durch die anliegenden Wohn- und Waldgebiete. Nicht nur Klub-Ikone Uwe Seeler, sondern auch viele Aktive wohnten in direkter Nähe zur Anlage und nicht wie heute in Eppendorf oder Winterhude.

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Während die U 23 von Coach Rodolfo Cardoso schon in der vergangenen Saison ihren Trainingsbetrieb komplett an die Imtech-Arena verlagert hat und nur noch ihre Heimpartien in der Regionalliga Nord im Edmund-Plambeck-Stadion von Eintracht Norderstedt austrägt, folgen nun auch die komplette A- und B-Jugend. Im Internat wird dann voraussichtlich kein Youngster mehr wohnen.

Bisher galt die Jürgen-Werner-Schule als Prunkstück. Vom Deutschen-Fußball-Bund und der Deutschen Fußball-Liga gab es das bestmögliche Zertifikat von drei Sternen für die Nachwuchsarbeit. Seit Anfang 2000 waren im Internat Spieler zwischen 14 und 19 Jahren beherbergt, die keinen festen Wohnsitz in Hamburg oder Norderstedt haben.

Darüber hinaus wird eine Tagesbetreuung angeboten - der HSV chauffiert seine Kicker mit elf Bussen auf neun Routen von der Schule nach Norderstedt. Hier gibt es Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe. Klausuren und Zeugnisse müssen im Gegenzug den Leitern des Zentrums vorgelegt werden. Zumindest die Tagesbetreuung soll es offenbar weiter geben.

Im Volkspark könnte der Nachwuchs besser kontrolliert werden

Kritik an der Effizienz der Arbeit hatte es seit Jahren gegeben. Viele Millionen Euro wurden investiert, doch große Stars wurden dort bisher nicht geformt. Dazu machten sogar mehrfach hartnäckige Gerüchte über nächtliche Eskapaden der Youngster die Runde in der Stadt. Vielleicht ist ein Hintergrund des angekündigten Umzuges somit nicht nur die Nähe zum Bundesliga-Alltag als Ansporn, sondern auch eine bessere Kontrolle des Nachwuchses. Und für Wehmut ob des fortschreitenden Abschieds aus Norderstedt ist in dieser Branche sowieso kein Platz.