In Hannover darf der Koreaner für den verletzten Berg ran. Der Spezialist für Tore gegen 96 soll die verheerende Bilanz aufpolieren.

Hamburg. Eigentlich war der HSV vor einem Jahr auf dem besten Weg, drei Punkte beim Nordrivalen aus Hannover einzufahren. Doch trotz zweier Tore des aufstrebenden Nachwuchstalentes Heung Min Son und einer 2:1-Führung im Rücken langte es am Ende nicht. 96-Stürmer Mike Hanke zerstörte den Punktetraum der Hamburger im letzten Derby in Niedersachsen mit seinem Treffer in letzter Minute zum 3:2.

Fakt ist: Für den "großen" HSV gibt es gegen den "kleinen" HSV nicht viel zu holen. Die Gesamtbilanz gegen die Niedersachsen ist mit nur zwei Siegen aus den letzten 17 Spielen geradezu erschreckend. Selbst gegen den FC Bayern (fünf Siege) und den großen Rivalen aus Bremen (vier) gab es in den letzten acht Jahren mehr Erfolge zu feiern als gegen den Hannoverschen Sportverein von 1896. Eine treffende Erklärung für dieses Phänomen ist nur schwer zu finden. Für Kapitän Heiko Westermann sind solche Serien ohnehin nur Makulatur. "Diese Statistiken sagen doch gar nichts aus. Wenn es danach ginge, hätten wir auch nicht in Freiburg gewinnen können, denn da hatten wir vorher auch ewig nichts geholt. Und unsere schwarze Heimserie ist seit dem Erfolg gegen Hoffenheim ja nun auch passé."

So ist der Abwehrchef auch voller Zuversicht, dass der Aufwärtstrend des HSV am Sonnabend (18.30 Uhr/ Sky und Liveticker auf abendblatt.de) in Hannover Bestätigung findet und deutlich wird, welcher HSV der "große" und welcher der "kleine" ist. Jeder wisse mittlerweile, auf welcher Position was erwartet wird, die Mannschaft sei eingespielt und heiß darauf, in der Tabelle weiterzuklettern. "Wenn wir unser Spiel durchziehen, sind wir nur schwer zu schlagen", sagt Westermann.

Selbstbewusste Töne für den Kapitän eines Tabellenvierzehnten, der dem 150 Kilometer entfernten Konkurrenten aus dem Norden seit eineinhalb Jahren hinterherhinkt. Trainer Thorsten Fink, das Selbstbewusstsein in Person, hatte seine Schützlinge zuletzt sogar ermahnen müssen, in der Öffentlichkeit nicht zu positiv zu wirken. Doch Westermanns Optimismus beruht auch auf seinen Erkenntnissen über den kommenden Gegner. "Hannover hat sicherlich nicht die besseren Einzelspieler als wir und auch im Spielaufbau seine Probleme. Doch es ist eine gefestigte Mannschaft, die im Konterspiel ihre Stärken hat."

Letzteres hat auch Fink erkannt - deshalb dürfte es spannend werden, wie er sein Team taktisch einstellt. Grundsätzlich will der Fußballlehrer mit dem HSV in jedem Spiel selbst agieren, früh pressen und dem Gegner das eigene Spiel aufzwängen - auch auswärts. Doch das käme den schnellen Spitzen der 96er um den achtfachen Torschützen Mohammed Abdellaoue sicherlich entgegen. Auf die Rückkehr zur Kontertaktik setzt auch Hannovers Trainer Mirko Slomka: "Wir haben noch kein einziges Bundesligaspiel gewonnen, in dem wir mehr Ballbesitz hatten als der Gegner." Der eine fordert Ballbesitz, der andere kann gut ohne ihn auskommen - so unterschiedlich können die Vorstellungen zweier Bundesligatrainer sein.

Zu einer personellen Veränderung ist Fink in jedem Fall gezwungen: Angreifer Marcus Berg musste das Abschlusstraining mit Leistenbeschwerden abbrechen, er fällt für das Nordderby aus. Für ihn soll der schnellere Son ins Team rücken. Der traf in seiner HSV-Zeit immerhin schon sechsmal das gegnerische Tor, doch wie auch beim letzten Duell in Hannover reichten seine Treffer nie für einen dreifachen Punktgewinn - bis zum 2:1-Sieg in Freiburg vor gut einem Monat, wo er die Führung erzielte. Den Siegtreffer schoss damals Neuzugang Ivo Ilicevic, der momentan keine Rolle für die Startelf spielt. Vor einigen Wochen noch als der Hoffnungsträger gefeiert, wäre der Dauerpatient von seinem Fitnesszustand her nun erstmals so weit, um von Beginn an aufzulaufen. Doch er scheint bei Fink nur auf den Außenpositionen eine Rolle zu spielen - und dort sind Marcell Jansen und Gökhan Töre aufgrund starker Leistungen derzeit unumstritten. Die mögliche Alternative, mit nur einer echten Spitze (Paolo Guerrero) und Ilicevic dahinter agieren zu lassen, tauchte in den Trainingsformationen bisher noch nicht auf.

Welchen Schachzug sich der Trainer auch immer überlegen mag: Sollte dem HSV zumindest ein Unentschieden gelingen, hätte Fink eine Startbilanz von fünf Spielen ohne Niederlage vorzuweisen. Und stände damit auf einer Stufe mit dem legendären Ernst Happel. Doch viel wichtiger wird dem Coach sein, dass durch den Blick auf die Tabelle schon bald wieder klar ersichtlich ist, wer der "große" und wer der "kleine" HSV ist. Ein Auswärtssieg gegen Hannover würde da helfen.

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