HSV-Trainer Thorsten Fink spricht im großen Interview über das Hochgefühl des ersten Gehalts, seine Kindheit und die Seele eines Teams.

Hamburg. Thorsten Fink ist bester Laune, als er frisch geduscht nach dem Vormittagstraining zum Abendblatt-Termin in der Imtech-Arena erscheint. "Der Heimsieg gegen Hoffenheim war enorm wichtig für unser Selbstbewusstsein", sagt der HSV-Trainer, der sich lediglich Sorgen macht, ob er für den spontanen Fototermin auch die passende Jeanshose ausgesucht hat.

Hamburger Abendblatt: Herr Fink, Sie haben sich als HSV-Trainer mit großen Interviews bis zu Ihrem Premierensieg zurückgehalten. Hätten Sie gedacht, dass es am Ende so lange dauern wird?

Thorsten Fink: Mit einer ganz so langen Zeit hatte ich natürlich nicht gerechnet, aber es fehlten ja immer nur Kleinigkeiten. Mir und der Mannschaft ist jedenfalls ein Stein vom Herzen gefallen, dass wir nun endlich diesen Heim-Komplex ablegen konnten. So langsam musste man ja nervös werden.

Konnten Sie den Sieg so richtig genießen?

Fink: Ich bin ein Genussmensch, habe mir aber nur ein Bier gegönnt. Trotzdem wurde es ein wenig später. Gegen 1 Uhr war ich dann im Bett.

+++ Hitzfeld: Fink wird irgendwann beim FC Bayern landen +++

+++ Ein Zauberer auch abseits des Platzes +++

Mit wem telefonieren Sie nach so einem Spiel als Erstes?

Fink: Eigentlich nehme ich das Telefon nach unseren Spielen am gleichen Tag überhaupt nicht mehr in die Hand. Am Sonntag habe ich unzählige Glückwunsch-SMS erhalten, die ich dann nach und nach am Montag abgearbeitet habe. Nur meine Frau rufe ich natürlich noch immer an, obwohl sie generell gerne früh ins Bett geht.

Sind Ihre Kinder schon HSV-Fans?

Fink: Die beiden sind überhaupt keine Fußballfans. Julius und Benedikt machen gerne von allem ein bisschen. Der eine spielt gerne fünf Minuten Tennis, der andere fünf Minuten Volleyball. Im nächsten Moment klettern sie gerne auf Bäume oder machen Hip-Hop-Musik. Sie können sich aber nur schwer auf eine einzige Leidenschaft konzentrieren.

Sind Sie ein strenger Vater?

Fink: Meine Frau ist mit Sicherheit strenger als ich. Aufgrund meines Jobs sehe ich meine Jungs ja leider zu selten, da würde ich mich schwer tun, den strengen Part zu übernehmen. Obwohl meine Jungs ganz schön frech sind.

Können Sie sich noch gut an Ihre eigene Kindheit in Dortmund-Merten erinnern?

Fink: Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Ich bin in einer Zechen-Wohnsiedlung aufgewachsen, in der Diepenbrockstraße. Dort wohnten noch viele andere Kinder. Und hinter unserem Haus war ein alter Bolzplatz mit zwei Holztoren. Dort wurde jeden Tag von morgens bis abends Fußball gespielt. Häufiger haben wir mit der Diepenbrockstraße gegen die Dörhoffstraße gespielt und meistens auch gewonnen.

Ihr Vater hat unter Tage gearbeitet. Wie sehr hat Sie Ihr Elternhaus geprägt?

Fink: Mein Elternhaus hat mich sehr geprägt. Ich hatte nur deswegen eine so schöne Kindheit, weil mein Vater mir diese mit seiner harten Arbeit ermöglicht hat. Er hat alles für mich und meine Geschwister getan. Manchmal war er auch für eine Woche auf Montage, hatte dafür wieder etwas mehr Geld in der Tasche. Wenn ich irgendetwas brauchte, dann hat er mir das auch gekauft, obwohl Geld bei uns nun wirklich nicht im Überfluss vorhanden war.

Kann man so etwas als Kind überhaupt wertschätzen?

Fink: Als Kind versteht man so etwas noch nicht. Aber wenn man dann als junger Mann bei Bayern München spielt und sehr viel Geld verdient, dann versteht man das. Man muss immer wissen, woher man kommt. Ich bin stolz auf das, was meine Eltern geleistet haben. Auch heute noch kommen mein Vater und meine Mutter mit sehr wenig Geld bestens hin, geben ihren Kindern trotzdem immer etwas aus. Selbst mir, obwohl ich mittlerweile sehr gutes Geld verdiene. Meine Mutter sagt dann immer, dass meine Geschwister das auch bekommen haben, also müsste ich das auch annehmen.

War es für Sie merkwürdig, als Sie mit Ihrem ersten Profivertrag plötzlich mehr als Ihre Eltern verdient haben?

Fink: Das war schon ein merkwürdiges Gefühl. Ich hatte ja zuvor eine Ausbildung als Bürokaufmann abgeschlossen, weil mein Vater darauf bestanden hat, dass ich zunächst einen Gesellenbrief in der Hand habe. Als mein Berater dann meinen ersten guten Vertrag beim KSC ausgehandelt hatte und mir und meiner Frau die Zahlen präsentierte, mussten wir beide spontan vor Glück weinen.

Haben Sie sich etwas Besonderes von Ihrem ersten Gehalt geleistet?

Fink: Ich bin eigentlich eher der konservative Anleger, schmeiße mein Geld nicht zum Fenster raus. Ich habe mir lediglich eine gute Uhr gegönnt. Das war es auch schon.

Kann man im heutigen Millionengeschäft Bundesliga schon mal die Relation zu Geld verlieren?

Fink: Ich weiß unsere heutigen Gehälter sehr wohl zu schätzen, so bin ich nun mal erzogen worden. Aber der eine oder andere junge Spieler muss natürlich aufpassen, nicht vor lauter Geld den Kopf zu verlieren. Als Trainer versucht man dann schon, auf die Spieler zuzugehen, wenn sie übertreiben. Allerdings bin ich auch nur der Trainer und nicht der Vater. Wenn sich jemand ein dickes Auto kaufen will, dann kann ich das nicht verhindern.

Sie haben sich von Anfang an bedingungslos wie ein Vater vor Ihre Mannschaft gestellt. Wollten Sie so Ihre Spieler ganz bewusst starkreden?

Fink: Ich habe gemerkt, dass die Mannschaft verunsichert war. Es fehlte ihr an Selbstvertrauen, deswegen habe ich ihr neues gegeben. Da waren meine Worte schon bewusst gewählt.

Überlegen Sie sich manchmal ganz bewusst einen Spruch, den Sie in einer Pressekonferenz zum Besten geben?

Fink: Warum denn nicht? Wenn es meinen Spielern hilft, dann ist auch das ein Stilmittel, das man als Trainer gebrauchen kann. Als Trainer lege ich großen Wert auf das People-Management. Es geht weniger darum, einzelne Technik-Übungen vorzumachen, als das große Ganze zu sehen. Man muss eine Mannschaft führen, ihr eine Taktik vorgeben und gegebenenfalls auch mal ihre Seele streicheln. Wichtig ist, dass man ein passendes Team formt, wobei nicht nur die Spieler gemeint sind. Es geht auch um das Team hinter dem Team.

Wenn man den Namen Thorsten Fink googelt, wird als Erstes der Zusatz "selbstbewusst" angeboten. Muss ein Trainer ein ausgeprägtes Ego haben?

Fink: Das denke ich schon. Ein Trainer muss vorweggehen. Meine erste Vorstellung hier in Hamburg wurde ja als sehr forsch ausgelegt. Ich bin aber überzeugt von meiner Mannschaft und von dem, was hier zu bewegen ist.

Welchen Ihrer jetzigen Spieler können Sie sich als späteren Trainer vorstellen?

Fink: Generell scheinen besonders zentrale Mittelfeldspieler wie ein Trainer zu denken. Das ist auch bei uns der Fall, wo ich mir vor allem David Jarolim als Trainer vorstellen könnte. Aber erst mal will er noch lange Fußball spielen.

Schließen Sie Wintertransfers aus?

Fink: Ich will jedem Spieler bis zum Winter die faire Chance geben, sich zu präsentieren. Und bislang bin ich sehr zufrieden mit allen. Von mir aus werde ich jedenfalls nicht auf Frank Arnesen zugehen, um auf der Position X einen Neuzugang zu fordern.