Frank Arnesen ist beim HSV jetzt Sportchef und Trainer, allerdings nur auf Zeit. Im Januar soll dann Thorsten Fink als Coach übernehmen.

Hamburg. So ganz sicher war sich Frank Arnesen gestern Mittag auch nicht, wie er denn jetzt angesprochen werden möchte. Sportchef? Cheftrainer? "Du bist jetzt unser Teamchef", sagte Mediendirektor Jörn Wolf, der dem zögernden Dänen umgehend zur Seite sprang. Teamchef also. Ein Titel, der einst extra für Kaiser Franz Beckenbauer erfunden wurde, und von nun an die offizielle Berufsbezeichnung Arnesens beim HSV sein soll. "Ich bin ab sofort der Chef auf dem Platz, ich habe die gesamte Verantwortung übernommen", ergänzte Hamburgs neuer Teamchef noch schnell, ehe er die kurze Frage-Antwort-Runde beendete: "Entschuldigung, aber ich muss pünktlich zu meinem ersten Training kommen."

Zumindest dieses Vorhaben wollte dem 55-Jährigen gestern nicht gelingen. Um 15.15 Uhr, also eine Viertelstunde später als geplant, startete Arnesen tatsächlich seine erste Einheit als hauptverantwortlicher Übungsleiter des HSV. Unterstützt wurde der Skandinavier von Co-Trainer Frank Heinemann und vom bisherigen Interimstrainer Rodolfo Cardoso , der sein Amt wegen der fehlenden Lizenz eines Fußballlehrers zur Verfügung stellen musste. "Es gibt Regeln, und in Deutschland werden diese Regeln eingehalten", sagte Cardoso, der Arnesen aber weiter als rechte Hand helfen soll. Neben dem Argentinier und Heinemann soll zukünftig auch Lee Congerton, der technische Leiter, mehr in die tägliche Arbeit mit den Profis eingebunden werden.

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Eine Dauerlösung, das machte Arnesen gestern deutlich, soll die neue Konstellation aber nicht werden. "Diese Lösung hat so lange Bestand, bis wir den richtigen Trainer gefunden haben," sagte der Neu-Coach, der damit allerdings nur die halbe Wahrheit verriet. Den aus seiner Sicht richtigen Trainer hat er nämlich schon längst gefunden. Wie das Abendblatt bereits in der vergangenen Woche exklusiv berichtete, hat sich der Vorstand des HSV auf Thorsten Fink als neuen Wunschtrainer verständigt. Nach einem ersten Treffen in Frankfurt hat es am Wochenende ein zweites Treffen auf der Ferieninsel Mallorca gegeben, bei dem der aktuelle Basel-Trainer letzte Restzweifel beseitigen konnte. So kündigte Arnesen gestern an, notfalls auch bis zur Winterpause auf seinen Wunschtrainer warten zu wollen: "Wir wollen einen Trainer verpflichten, der uns restlos überzeugt."

Arnesen verhandelt weiter mit Basels Thorsten Fink

Der HSV wäre allerdings nicht der HSV, wenn es nicht auch bei der Wunschpersonalie Fink noch einen gewichtigen Haken gebe. So hat der frühere Bayern-Profi erst im Sommer einen Vertrag bis 2013 ohne schriftliche Ausstiegsklausel unterschrieben. Mündlich soll dem in der Schweiz überaus erfolgreichen Trainer allerdings sehr wohl ein Wechsel in die Bundesliga zugesagt worden sein, wobei der genaue Zeitpunkt weiterer Absprachen mit Basels Entscheidungsträgern bedarf. Arnesen kündigte gestern schon mal an, dass er gegebenenfalls bereit wäre, eine angemessene Ablöse zu zahlen. Spätestens im Januar, so der Wunsch Arnesens, soll der 44-Jährige einen langfristigen Vertrag in Hamburg unterzeichnen. Laut "bild.de" haben sich beide bereits auf eine Laufzeit bis 2014 geeinigt.

Fink selbst bestätigte am Dienstag gegenüber "Sport1" die Gespräche: "Ich habe keinen Vertrag mit dem HSV abgeschlossen. Ich habe keinen Handschlag gegeben“, sagte der Coach des FC Basel zwar, fügte aber an: "Ich kann nicht leugnen, und würde später als Lügner dastehen, wenn ich sagen würde, der HSV wäre kein Top-Adresse für mich als Trainer." Am Donnerstag wollen er und sein Berater Thomas Kroth mit FC-Klubchef Bernhard Heusler "das weitere Vorgehen“ beraten. "Wir werden dann klar fixieren und auch kommunizieren, wie es weitergeht“, betonte Fink.

Bis es aber tatsächlich so weit ist, muss Arnesen in die Bresche springen. "Für mich ist das ein Risiko, aber ein Risiko, das ich zugunsten des HSV eingehe", sagte der Däne vor seiner ersten Einheit, die ziemlich genau eine Stunde und 45 Minuten dauerte. Dabei fiel den wenigen Beobachtern, die trotz Nieselregens zur Premiereneinheit gekommen waren, auf, dass Arnesen im schwarzen Trainingsanzug überwiegend die Rolle des stillen Beobachters einnahm. Ähnlich wie zuvor der entlassene Michael Oenning ließ auch dessen Nachnachfolger die hauptsächliche Trainingsarbeit seine neuen Assistenten übernehmen. Eine zuvor befürchtete Strohmannlösung, die lediglich die Verantwortlichen der DFL ruhig stellen soll, sei das Übergangsmodell aber nicht. "Ich habe großes Vertrauen in unseren Trainerstab, aber ich bin jetzt der hauptverantwortliche Trainer", sagte Arnesen, für den das neue Amt kein komplettes Neuland darstellt.

Erste Versuche als Trainer sammelte Arnesen, damals noch ohne Lizenz, bereits zwischen 1991 und 1994, als er beim PSV Eindhoven als Co-Trainer aktiv war. Den fehlenden Fußballlehrerschein holte er 2002 nach, als er auch bei Willem II Einheiten leitete. Zuletzt habe er sogar als Sportdirektor bei Chelsea immer wieder in Jugendmannschaften und im Reserveteam als Trainer ausgeholfen, sagte Arnesen, der das Modell Magath aber kategorisch ausschloss: "Ich bin der Meinung, dass ein funktionierender Verein einen guten Sportchef und einen guten Trainer braucht." Spötter, die behaupten, der HSV habe zurzeit keinen von beiden, will Arnesen bei seinem ersten offiziellen Spiel am Sonntag gegen den SC Freiburg widerlegen. Und überhaupt: Selbst Kaiser Franz hat sein erstes Spiel als Teamchef verloren. Der Gegner hieß 1984 allerdings auch Argentinien.