Um-ein-Haar-HSV-Trainer Huub Stevens trainiert jetzt wieder Schalke 04. Am Sonntag trifft seine Mannschaft auf den HSV. Die Favoritenrolle steht fest.

Hamburg. Exakt 296,5 Kilometer von Hamburg entfernt zeigte Huub Stevens gestern Morgen gleich bei seiner ersten Amtshandlung auf Schalke, worauf es dem Um-ein-Haar-HSV-Trainer im Wesentlichen ankommt. Der Niederländer, der sich am Vorabend auf einen Zweijahresvertrag mit seinem alten und neuen Verein geeinigt hatte, machte seinem Ruf einmal mehr alle Ehre und schickte seine neue Mannschaft bereits um 9.46 Uhr, 14 Minuten früher als geplant, auf den Trainingsplatz. "Schalke ist nicht irgendein Verein. Einmal Schalke, immer Schalke", sagte Stevens bei der anschließenden Präsentation, auf der viel von einer "Herzensangelegenheit" und "harmonischen Gesprächen" die Rede war, weniger aber von "den hektischen Tagen beim HSV".

Dabei trudelten die HSV-Profis, angeführt von einem entspannt lächelnden Rodolfo Cardoso, alles andere als hektisch 16 Minuten später als Stevens und Co. auf ihren Trainingsplatz ein. Und während Stevens Rückkehr von rund 700 Schaulustigen in Gelsenkirchen gefeiert und sogar mit einer eilig aufgebauten Würstchenbude zelebriert wurde, hätte Cardoso bei dem überschaubaren Andrang am Trainingsplatz im Volkspark jedem der knapp 100 Fans einzeln die Hand schütteln können, ohne dadurch zu viel Zeit zu verlieren. "Ich kann mich noch nicht mit so großen, erfahrenen Trainern wie Huub messen", sagte Cardoso, der am kommenden Sonntag um 17.30 Uhr aber genau das machen muss. Dann heißt die Partie HSV gegen Schalke, oder besser: Cardoso gegen Stevens.

Die Favoritenrolle ist nach Meinung Cardosos bereits vor dem Anpfiff festgelegt. Nicht nur der HSV sei in diesem Spiel der klare Außenseiter, sondern auch als Trainer stellt sich der Argentinier brav hinten an: "Ich bewundere Huub zwar nicht, aber ich habe Respekt vor seinen Erfolgen. Er ist ein Trainer mit Geschichte." Dass diese den Niederländer ausgerechnet mit seinem HSV in Verbindung brachte, stört Cardoso nicht im Geringsten. "Ich habe die ganze Geschichte mitbekommen. Das war ja ein andauerndes Hin und Her, mal kam er, dann wieder nicht."

Das Ende der Geschichte ist hinlänglich bekannt. Stevens wurde am Sonntag abgesagt, Cardoso temporär befördert. Dabei ist immer noch fraglich, ob der HSV tatsächlich einen zeitlichen Aufschub für den lizenzlosen Cardoso erwarten kann. "In erster Linie stützen wir uns auf die Statuten", sagte Andreas Nagel, Direktor Spielbetrieb bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Markus Weidner vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) ging noch einen Schritt weiter. "Ich möchte dem Entschluss nicht vorgreifen, aber die Erfolgsaussichten sind gering", sagte der Abteilungsleiter Trainerausbildung. Lediglich Cardoso ("Auf lange Sicht bleibe ich sicher nicht") scheint die ungewisse Zukunft nur begrenzt zu tangieren, seine Konzentration gelte dem Spiel gegen Schalke. "Wir werden unsere Taktik nicht ändern", sagt der Noch-HSV-Trainer, der zuletzt in Stuttgart mit mutigem Offensivfußball begeistert hatte, sich in den nächsten Tagen aber zunehmender Konkurrenz auf der eigenen Position erwehren muss.

Die Suche nach einem neuen Trainer läuft hinter den Kulissen nach der Stevens-Episode wieder auf Hochtouren. Wie das Abendblatt erfuhr, wurde zuletzt ernsthaft über den Serben Dragan Stojkovic nachgedacht, der seit 2008 erfolgreich Grampus Eight Nagoya in der japanischen J-League trainiert. Und obwohl Sportchef Frank Arnesen bekennender Fan des 46-Jährigen ist, genießt eine Verpflichtung des polyglotten Stojkovic, der Englisch, Französisch und Serbisch, aber kein Deutsch spricht, keine Priorität - im Gegensatz zu Wunschkandidat Morten Olsen.

Tatsächlich ist eine Verpflichtung des dänischen Nationaltrainers gestern noch einmal wahrscheinlicher geworden - Michael Laudrup sei Dank. Der frühere Nationalspieler ist am Dienstag nach einem Streit mit der Vereinsführung beim RCD Mallorca zurückgetreten. "Es kann nicht sein, dass ich jeden Tag frustriert nach Hause gehe", sagte der 47-Jährige, auf den nun eine umso reizvollere Aufgabe in der Heimat wartet. So hat der Rücktritt Laudrups in Dänemark eine Kettenreaktion ausgelöst, von deren Ende auch der HSV profitieren könnte. Der Plan: Laudrup, der im März selbst einer von vier Top-Kandidaten in Hamburg war, soll bereits zeitnah Olsen als Nationaltrainer beerben, der dann wiederum für den HSV zur Verfügung stünde. "Es wäre eine neue Situation, wenn Dänemark sich nicht für die EM qualifizieren sollte", sagte Lars Berendt, Pressechef des dänischen Verbandes, der Agentur dpa. Olsen selbst wollte ein HSV-Interesse grundsätzlich nicht dementieren.

Über all das will sich Cardoso gar nicht erst den Kopf zerbrechen. Während mittlerweile die ersten PorträtFotos von Vorgänger Michael Oenning, der gestern seinen 46. Geburtstag in New York feierte, im Stadion abgenommen wurden, will der Argentinier seine Duftmarke als Trainer beim HSV noch setzen - gerne mit einem Sieg am Sonntag. Gegen Schalke. Und gegen Stevens.