Nach dem 0:2 in Bremen und Tabellenplatz 18 müssen die Verantwortlichen des HSV um den Klassenerhalt zittern. Tun sie aber nicht.

Bremen/Hamburg. Kurz bevor Frank Arnesen am Sonntag in der Imtech-Arena vor die Mikrofone trat, ließen es sich die Kameras der zahlreichen TV-Teams nicht nehmen, noch einmal schnell in die nordwestliche Stadionecke zu schwenken. Dort, wo bei Heimspielen die Treuesten der Treuen stehen, wird digital die Zugehörigkeit des HSV in der Bundesliga angezeigt. Hamburg ist bekanntlich die einzige Stadt, die seit Gründung der Bundesliga immer in der Beletage des Fußballs dabei war. 48 Jahre, 18 Tage, 18 Stunden, 30 Minuten und 20 Sekunden zeigte die HSV-Uhr an, als der lächelnde Sportchef Stellung zum 0:2 bei Werder , Noch-Trainer Michael Oenning und zum Abstiegskampf beziehen sollte. "In Bremen habe ich viel gesehen, was mich zuversichtlich stimmt", sagte Arnesen. Doch die Uhr im Hintergrund tickt.

Fünf Spiele ohne Sieg, insgesamt 16 Gegentore, Tabellenplatz 18. Willkommen im Abstiegskampf. Doch obwohl die nackten Zahlen des HSV in dieser Saison wenig verheißungsvoll klingen, will Arnesen auch nach der verdienten Niederlage bei Werder Bremen nichts vom Kampf um den Klassenerhalt wissen. "Ich finde, dass wir besser als die Tabelle sind", sagte der Däne, "in Bremen haben wir unser bestes Auswärtsspiel der Saison gemacht."

+++ Die aktuelle Bundesliga-Tabelle +++

+++ Ex-Nationaltorhüter kritisiert HSV-Sportchef Arnesen +++

Und obwohl Arnesen sogar recht hat - beim tragisch-traurigen 0:5 in München und beim hilflosen 1:3 in Dortmund war der HSV natürlich schlechter -, klangen die Worte des früheren Chelsea-Managers wie Zweckoptimismus zum falschen Zeitpunkt. 8:21 Torschüsse, 46,9:53,1 Prozent gewonnene Zweikämpfe und vor allem 0:2 Tore standen am Ende eines erneut frustrierenden Abends im Weserstadion auf den Statistikzetteln. Arnesen aber beharrte darauf, die beste erste Halbzeit der Saison gesehen zu haben, die Abwehr hätte sicher gestanden und das Mittelfeld habe ihm gut gefallen. Seine Mannschaft hätte mehr vom Spiel gehabt, kaum Torchancen zugelassen, sich beste Möglichkeiten herausgespielt. Verloren hat aber, Arnesen konnte es kaum glauben, erneut der HSV.

"Ich kann der Mannschaft nicht vorwerfen, dass sie nicht alles versucht hat", sagte auch Trainer Michael Oenning, dessen Spielanalyse in etwa deckungsgleich mit der von Sportchef Arnesen war. Er sei mit der Mannschaft absolut im Reinen, sie hätte in Bremen guten Fußball gespielt und sei auf dem richtigen Weg. Um seinen Job muss sich der - saisonübergreifend - seit zwölf Spielen sieglose Oenning jedenfalls keine Sorgen machen. Noch nicht.

+++ Bremen - HSV 2:0 - das Spiel im Liveticker +++

Gegen Borussia Mönchengladbach, da legten sich Hamburgs Verantwortliche fest, wird der glücklose Oenning wie gewohnt auf der Bank Platz nehmen. "Wir führen keine Trainerdiskussion", sagte HSV-Chef Carl Jarchow am Sonntag, nachdem er unmittelbar nach dem Spiel am Sonnabend in Bremen jeglichen Kommentar verweigert hatte. Sehr viel auskunftsfreudiger war da schon Arnesen, der formal die Verantwortung für die Position des Trainers trägt. "Die entscheidende Frage ist doch, wie jemand arbeitet. Michael hat die Kontrolle über alles, er macht gutes Training. Für mich gibt es deswegen keine Diskussion." Auch nicht nach einer weiteren Niederlage gegen Gladbach? "Ich rede nicht über, was wäre wenn. Erst wenn ich sehe, dass wir als Mannschaft über eine längere Periode nicht mehr gut spielen, dann muss man fragen, was man machen kann."

Mit ungewohnter Schärfe kommentierte der frühere Torwart und Sky-Experte Jens Lehmann die aktuelle HSV-Krise und das Auftreten von Neu-Sportchef Arnesen. "Ich weiß nicht genau, was Arnesen erwartet hat von der Bundesliga. Man sieht daran, dass er nur Spieler von Chelsea und aus Skandinavien geholt hat, dass er deutsche Spieler gar nicht so richtig kennt. Insgesamt finde ich es natürlich naiv, nur junge Spieler zu holen", sagte Lehmann, der in Bezug auf die aufkommende Trainerdiskussion hämisch hinzufügte: "Wenn die Negativserie anhalten sollte, ist das vielleicht auch ein Vorteil für Oenning, dass Arnesen keine deutschen Trainer kennt und da auch erst einmal seine Recherche betreiben muss."

Die von Lehmann angesprochene Negativserie soll aber unter allen Umständen gegen Borussia Mönchengladbach am kommenden Sonnabend beendet werden. "Alles andere als ein Sieg in der kommenden Woche gegen Gladbach wäre eine Katastrophe", sagte Heiko Westermann, dessen gutes Zusammenspiel mit Abwehrkollege Slobodan Rajkovic zumindest Grund zur Hoffnung gibt. Beide Gegentore in Bremen wurden nicht von Werder herausgespielt, sondern fielen erneut nach einer Standardsituation (siehe unten). Nicht nur daran soll in der Woche intensiv gearbeitet werden. "Wir wissen ganz genau, wie spät es ist", sagt Westermann.

Es ist fünf vor zwölf, und die Bundesliga-Uhr tickt.