Mit zwei Abwehrketten, aber ohne den kranken Petric und eigentlich auch ohne Chance will der HSV gegen Bayern München bestehen.

Hamburg. Am Freitag bewies Dennis Aogo einmal mehr, dass er nicht nur auf dem Fußballplatz ein ziemlich schlagfertiger Zeitgenosse ist. Was denn mit seinem Handy passiert sei, wollte ein Reporter wissen, als der Linksverteidiger mit einem völlig demolierten iPhone herumspielte. "Special Design", antwortete Aogo grinsend, und ließ die Überreste seines Telefons in der Hosentasche verschwinden. Aogo redet, wie er spielt. Keine Schnörkel, keine Umwege, immer geradeaus.

So gesehen war es nur konsequent, als der Nationalspieler auch zu Gegenspieler Arjen Robben, dem derzeit wahrscheinlich besten rechten Mittelfeldspieler der Bundesliga, eine klare Meinung vertrat. Es sei "absoluter Schwachsinn", echauffierte sich Aogo, dass Robben seine eigene Kraft mit 60 bis 70 Prozent beziffere. "Was soll das?", fragte der Hamburger, derartige taktische Spielchen habe ein Spieler wie Robben doch gar nicht nötig. "Ich habe Bayerns Spiel gegen Zürich gesehen. Robben hat ein Tor geschossen, ein Tor vorbereitet. Er ist bei 100 Prozent", sagte Aogo, der sich vor dem Spiel des HSV in München (Sa, 15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) trotzdem "bestens vorbereitet" fühlt, schließlich habe sein Team in der Vorbereitung beim 2:1-Sieg im Rahmen des T-Home-Cups schon bewiesen, dass man selbst die Bayern mit einer geordneten Defensive jederzeit schlagen könne.

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Das letzte offizielle Aufeinandertreffen mit Robben lässt Aogo dagegen lieber unerwähnt. Es war am 12. März dieses Jahres, da der HSV nach allen Regeln der Kunst mit 6:0 von den Bayern vorgeführt wurde. Alleine Robben schoss drei Tore, und wahrscheinlich wäre es noch höflich, wenn man die damalige Leistung der Hamburger in etwa mit dem derzeitigen Zustand von Aogos Mobiltelefon vergleichen würde.

Etwas mehr als fünf Monate sind seit dem Debakel vergangenen. Der HSV hat mittlerweile einen neuen Trainer, einen neuen Sportchef, eine neue Mannschaft - und eine neue Ausrichtung. Während die Hamburger unter Ex-Trainer Armin Veh mit fünf Offensivkräften in München untergingen, lässt Nachfolger Michael Oenning diesmal mit zwei Vierer-Abwehrketten vor Torhüter Jaroslav Drobny verteidigen, frei nach dem leicht abgewandelten Motto: Verteidigung ist der beste Angriff. Lediglich Heung Min Son, Doppeltorschütze beim 2:1-Testsieg vor einem Monat, und Gökhan Töre, der den grippekranken Mladen Petric ersetzt, dürfen offensiv spielen. "Wir wollen konsequent aus einer geordneten Defensive heraus agieren", sagt Oenning, "wir brauchen Stabilität."

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Während Aogo mit Marcell Jansen gegen Robben auf der linken Seite für die geforderte Stabilität sorgen sollen, sind Dennis Diekmeier und Tomas Rincon auf der rechten Seite gegen Franck Ribéry gefordert. Dabei hat besonders Rincon ein probates Mittel, Ribérys Kreise einzuschränken: "Immer eng decken, immer ganz eng", sagt der Venezolaner, und unterstreicht seine Worte mit seiner rechten Faust, die er immer wieder in die offene linke Hand krachen lässt. "Ribéry ist einer wie Messi oder Kaká. Wenn man diesen Spielern Platz gibt, dann ist es meistens schon zu spät", sagt Rincon, der die 90 Minuten in der Münchner Arena bereits gestern Abend im Hotelbett durchgespielt hat: "In der Nacht vor dem Spiel überlege ich mir genau, wie die Partie verlaufen soll, was ich machen muss."

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Echte Schwerstarbeit dürfte auch auf die beiden Abwehryoungster Jeffrey Bruma, 19, und Michael Mancienne, 23, zukommen, die den formstarken Torschützenkönig Mario Gomez bremsen sollen. Besonders zu erwartende Luftduelle zwischen Mancienne, 1,84 Meter, und Bruma, 1,86 Meter, mit Gomez, 1, 89 Meter, bereiten Oenning noch ein wenig Kopfschmerzen. Bei Standardsituationen soll deswegen auch Heiko Westermann, 1,90 Meter, hinten aushelfen. Ansonsten hat der Kapitän nicht mehr und nicht weniger zu tun, als sich gemeinsam mit David Jarolim dem zentralen Bayern-Triumvirat mit Luiz Gustavo, Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos entgegenzustellen.

Die Ausgangslage vor dem 103. Nord-Süd-Gipfel scheint eindeutig: Wer im Internet auf einen Bayern-Sieg wettet, bekommt für zehn Euro bei Erfolg lediglich 13,10 Euro wieder, ein Hamburger Sieg würde dagegen mit 85 Euro belohnt werden. Auf dem Papier, darauf lassen zumindest die Wettquoten schließen, hat der HSV in München keine Chance. "Und genau diese Chance wollen wir nutzen", sagt Rincon.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

FC Bayern München: Neuer - Rafinha, Boateng, Badstuber, Lahm - Luiz Gustavo, Schweinsteiger - Robben, Kroos, Ribéry - Gomez.

Hamburger SV: Drobny - Diekmeier, Mancienne, Bruma, Aogo - Jarolim, Westermann - Rincon, Jansen - Töre, Son.

Schiedsrichter: Michael Weiner (Giesen)