Beim Nord-Süd-Klassiker zwischen Bayern und dem HSV rücken auch die Präsidenten Uli Hoeneß und Carl-Edgar Jarchow ins Blickfeld

Es ist auf den ersten Blick ein völlig ungleiches Duell. Und nichts, so scheint es, dokumentiert vor dem klassischen Nord-Süd-Gipfel am heutigen Sonnabend in München den momentanen Unterschied zwischen dem FC Bayern und dem HSV deutlicher als der Vergleich der beiden Bosse.

Da ist auf der einen Seite Uli Hoeneß, 59. Präsident und Poltergeist. Das gewichtige Urgestein der Branche hat seinen Klub gerade wieder in die Schlagzeilen katapultiert, weil er den müden Münchnern in der Halbzeit des Champions-League-Spiels gegen die braven Kicker vom FC Zürich beim mageren Stand von 1:0 angeblich mit einem Wutausbruch Beine gemacht haben soll. War er wirklich in der Kabine? Oder nur im Vorraum? Hat er dort mit hochrotem Kopf um sich geschrien? Selbst die seriöse "Süddeutsche Zeitung" bemühte sich mithilfe einer detaillierten zweispaltigen Grafik vom Kabinentrakt der Allianz-Arena gestern um Aufklärung in dieser "eskalierten Debatte".

Und auf der Gegenseite Carl-Edgar Jarchow, 56. Bei der Beschreibung des Vorstandsvorsitzenden des HSV kommen selbst Insider nur auf zwei, drei Attribute. Hanseatisch, zurückhaltend, loyal. "Jarchow, wer ist das denn?", schrieben die Zeitungen im März und sprachen von einer "Zwischenlösung" auf dem Nachfolge-Posten von Bernd Hoffmann, den viele zuletzt nur noch als Alleinherrscher wahrgenommen hatten. Dass einer wie Jarchow den HSV-Profis einmal wutentbrannt die Köpfe wäscht, ist in etwa so wahrscheinlich, als würde Werder-Coach Thomas Schaaf Nachfolger von Thomas Gottschalk bei "Wetten, dass ..."

Hoeneß und Jarchow, so scheint es, trennen Welten. Doch, wie immer, lohnt der zweite Blick. Da kommt dann ein Uli Hoeneß zum Vorschein, der sich zunehmend Gedanken um die Entwicklung nicht nur im Fußball macht. Den die Sorge umtreibt, dass Arm und Reich zu weit auseinanderdriften. Der kleinen Klubs immer wieder mit Freundschaftsspielen aus der Klemme hilft und sich für den FC St. Pauli engagierte, als der Kiez-Klub einmal mehr finanziell am Abgrund stand. Der nach dem S-Bahn-Mord im September 2009 in München Vorsitzender der Initiative Münchner Courage wurde und stets große Summen für Erdbeben- und Tsunami-Opfer spendet, ohne das an die große Glocke zu hängen. Als Hoeneß 1982 als Einziger von vier Insassen den Absturz eines Sportflugzeugs überlebte, sagte er: "Da ist der Sonnyboy in mir gestorben." Sein Lebensmotto lautet: "Dem Starken zwischen die Hörner hauen und beim Kranken der Erste am Krankenbett sein."

Auch bei Carl-Edgar Jarchow muss man genauer hinschauen. Fragt man HSVer, die mit ihm in der Zeit von 2001 bis 2004 im Aufsichtsrat gesessen haben, fällt als Erstes das Wort "Teamplayer". Ein feiner Mensch, geradeaus und ehrlich. Einer mit gesundem Selbstvertrauen, ohne überheblich zu sein. Und einer, so heißt es, den es in diesem Gremium nicht um Personen oder persönliche Vorteile gegangen ist, sondern immer nur um den Klub.

Im Januar las Jarchow an dieser Stelle den HSV-Verantwortlichen die Leviten. Vorstand und Aufsichtsrat seien ihren Aufgaben nicht gerecht geworden, hätten gravierende Fehler gemacht und sogar gegen die Satzung verstoßen, weil Aufgabengebiete vermischt wurden. Das war vielleicht unhanseatisch, aber mutig. Und manche sagen, es war höchste Zeit. Auf jeden Fall war diese verbale Abrechnung schon sehr nahe dran an der "Abteilung Attacke", für die eigentlich Uli Hoeneß das alleinige Urheberrecht besitzt.

Hoeneß, der Wurstfabrikant, und Jarchow, Gesellschafter der Firma "Empire Megastores", sind beide erfolgreiche Kaufleute. Und bekennende Familienmenschen, lange verheiratet, mit zwei (Hoeneß) und vier (Jarchow) erwachsenen Kindern. Sie sind beide angenehme Gesprächspartner. Was sie außerdem eint, ist die bedingungslose Liebe zu ihrem Verein. Man kann auch sagen: Die Unterschiede auf dem Rasen dürften derzeit ungleich größer sein.

Zumindest auf den ersten Blick.