Der HSV lässt seinen Torhüter Frank Rost ziehen, nimmt Gespräche mit Zé Roberto auf, kalkuliert ohne Europapokal und will sparen.

Hamburg. Wer sich in den vergangenen Tagen mit dem gerade erst bestellten HSV-Vorstand Carl Edgar Jarchow treffen wollte, brauchte vor allem eines: Geduld. Der neue Macher des HSV, der das enttäuschende Unentschieden seiner Mannschaft am Sonnabend live in Hoffenheim verfolgt hatte, ließ sich entschuldigen, er hätte im Hinblick auf die kommende Spielzeit momentan ganz einfach zu viel zu erledigen. Gestern klärte Jarchow nun auf, was genau gemeint war. "Wir haben uns zu einer Veränderung auf der Torhüterposition entschlossen", sagte der neue Vorstandsvorsitzende etwas lapidar - und kündigte somit seine erste echte Entscheidung als HSV-Chef an: Frank Rosts Ende beim HSV.

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"Wir danken Frank Rost für seine Verdienste um den HSV", sagte Bernd Hoffmanns Nachfolger, dem wichtig war, dass die Entscheidung trotz einiger unglücklicher Aussagen Rosts in den vergangenen Wochen rein sportliche Gründe habe. In einem harmonischen Gespräch am Sonntag hätten sich Jarchow mit Noch-Sportchef Bastian Reinhardt und Rost gemeinsam darauf geeinigt, ab Sommer getrennte Wege zu gehen. "Im Grunde war ja immer klar, dass es meine letzte Saison für den HSV und in der Bundesliga ist. Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen - auch wenn ich dem Fußball wohl erhalten bleiben werde", sagte Rost, der seine Karriere in der kommenden Saison im Ausland fortsetzen will. Rosts Ende beim HSV dürfte für den Verein dagegen erst der Anfang von einer ganzen Reihe von Maßnahmen sein. "Im Sommer wollen wir Stück für Stück mit einem Umbruch beginnen und der Mannschaft neue Strukturen geben", sagte Jarchow, der zukünftig einen heißen Kampf um die Nummer eins im HSV-Tor zwischen Jaroslav Drobny und einem noch nicht benannten Konkurrenten erwartet.

Die Entscheidung, Rost abzugeben, leitet den wahrscheinlich größten Umbruch der Vereinsgeschichte ein. Acht Verträge laufen in diesem Sommer aus, elf im kommenden Jahr, und über die Zukunft von zehn Leihspielern müssen die Verantwortlichen zudem entscheiden. So soll im Hinblick auf die 14 Millionen Euro Verbindlichkeiten, die der HSV ab Sommer für bereits getätigte Transfers zu begleichen hat, eine von Jarchow als "deutlich" angekündigte Reduzierung des Etats von zuletzt 146 Millionen Euro die logische Konsequenz der unbefriedigten Spielzeit sein. Besonders das mit 47 Millionen Euro dritthöchste Gehaltsniveau der Liga soll drastisch verringert werden. "Wir haben in den vergangenen Jahren finanziell ein Level erreicht, das wir sportlich nicht erfüllen konnten", machte Jarchow unmissverständlich klar, dass der HSV in Zukunft sparen muss - unabhängig vom Verlauf der restlichen sechs Saisonspielen. "Konservativ geplant gehen wir davon aus, dass wir die Europa League nicht schaffen", sagte Jarchow.

Im Gegensatz zu Rost soll der ab Sommer vertragslose Zé Roberto unbedingt gehalten werden. Ein Treffen mit dem 36-jährigen Brasilianer ist bereits für diese Woche vereinbart, ein zweites Tête-à-tête mit Stürmer Mladen Petric ebenfalls. Das Arbeitspapier des Angreifers läuft zwar erst im kommenden Jahr aus, soll aber möglichst zeitnah verlängert werden. Tunay Torun, der wie Zé Roberto im Sommer ablösefrei zu haben wäre, hat bereits einen unterschriftsreifen Vertrag vorliegen, David Jarolim soll ebenfalls gehalten werden, und auch Änis Ben-Hatira (beide haben bis 2012 Vertrag) dürfte ein neues Angebot schon bald erhalten.

Echtes Geld verdienen, das weiß Jarchow ganz genau, kann er aber mit keinem der bald vertragslosen Profis. Um aber dringend benötigte finanzielle Mittel zu akquirieren, wäre der Verein auch bei dem einen oder anderen noch unter Vertrag stehenden Spieler gesprächsbereit. Besonders Eljero Elia und Paolo Guerrero sind nicht mehr unverkäuflich. "Wenn es finanziell ein sehr gutes Angebot für Eljero Elia gibt, müssen wir uns damit auseinandersetzen. Er ist sicher ein Spieler, der für andere Vereine sehr interessant ist", sagte Jarchow, und Reinhardt ergänzte mit Blick auf den zuletzt nicht ganz pflegeleichten Guerrero: "Wenn er wegwill, muss er einen Verein finden."

Würde es alleine nach Jarchow gehen, dürfte auch die wichtigste noch offene Personalie bereits entschieden sein. "Michael Oenning hat anhand seiner Arbeit seine Chancen sicherlich verbessert", lobte er den Trainer, über dessen Zukunft der designierte Sportchef Frank Arnesen allerdings erst bis Ende April entscheiden will. "Bis jetzt macht er einen ausgezeichneten Job", sagte der Interimschef, der sich als Anhänger des Interimstrainers outete. Oenning selbst will sich von der für ihn noch offenen Situation nicht beirren lassen. Direkt nach dem Spiel in Hoffenheim telefonierte der Nachfolger des entlassenen Armin Veh mit Arnesen und besprach das Vorgehen der kommenden Wochen.

Zumindest der Anfang ist gemacht.