Nach dem 0:4 in Hoffenheim kritisieren der HSV-Trainer und Sportchef Arnesen die Mannschaft. Boss Jarchow fordert personelle und taktische Veränderungen.

Hamburg. Das 1:5 in Hoffenheim am 32. Spieltag und das Abrutschen auf Rang sieben bedeuteten das Ende für Bruno Labbadia als HSV-Trainer. Im Halbfinal-Rückspiel der Europa League gegen Fulham stand vor zwei Jahren Ricardo Moniz an der Linie.

Man stelle sich nur einmal vor, der HSV hätte sich unter der Leitung von Labbadia oder Nachfolger Armin Veh so desolat präsentiert wie am Mittwoch beim 0:4 in Hoffenheim . Wahrscheinlich hätten diese Trainer noch nicht einmal mehr die Stadttore passieren dürfen. Thorsten Fink aber durfte - oder vielmehr musste - am Donnerstag im fünften Stock der Osttribüne des HSV-Stadions das kollektive Versagen seines Teams erklären.

Seine Strategie war wohlüberlegt. Der 44-Jährige versuchte Zuversicht auszustrahlen: "Ich bin kampfeslustig, bin voller Energie und Power für die nächsten Wochen." Zudem übte er sich in dem Spagat, nicht alles in Schutt und Asche zu legen, schließlich steht Sonnabend (15.30 Uhr) schon die nächste Partie gegen Hannover an. Und auf der anderen Seite die Fehlerorgie seiner Spieler nicht schönzureden.

Selten habe er die sehr niedergeschlagene Mannschaft so ruhig gesehen, berichtete Fink und merkte an, dass die Spieler es jetzt "hoffentlich begriffen haben". Nämlich, wie man sich im Abstiegskampf präsentieren müsste.

In Hoffenheim vermissten Fink und Sportchef Frank Arnesen die richtige Mentalität: "Das war kein Abstiegskampf", so der Coach, "vielleicht hatte die Mannschaft nach den Ergebnissen der Konkurrenten am Dienstag geglaubt, die Sache hätte sich erledigt."

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Direkt nach dem Abpfiff hatte sich Fink noch härter geäußert: "Das hier hätte kein Sonntagsfußball sein dürfen. Heute hätte es zur Sache gehen müssen. Aber einige Leute bei uns haben das nicht kapiert. Eigentlich haben das alle nicht kapiert."

Den Spielern verschlug es angesichts ihrer eigenen Darbietungen jedenfalls die Sprache. Nur Kapitän Heiko Westermann sollte zur Öffentlichkeit sprechen, wurde in der Kabine entschieden. Aber außer dass der Verteidiger das Wort "Katastrophe" in mehreren Facetten in jeden seiner Sätze einbaute, konnte auch er nichts Erleuchtendes beisteuern.

Auch Arnesen war sichtlich angefasst vom mangelhaften Auftreten der HSV-Profis: "Wir hatten nicht die Einstellung der vergangenen zwei Spiele. Wir können nicht mit 75 Prozent spielen und glauben, dann ein Spiel gewinnen zu können." Und weiter: "Wir sahen aus wie Statisten, die zuschauen, was passiert. Darauf zu bauen, dass wir immer weiter Glück haben, weil die Konkurrenten verlieren, funktioniert aber nicht auf Dauer."

Nachdem sich die sportliche Leitung immer schützend vor das Team gestellt hatte, scheint diese Schonfrist angesichts der scharfen Kritik in der Endphase der Saison nun abgelaufen zu sein. Und auch Carl Jarchow ("Die Mannschaft hat stark angefangen und stark nachgelassen") hatte keine Lust mehr, auf Zeit zu spielen. Womöglich, weil auch er registriert hat, dass die (Friedhofs-)Ruhe den Spielern nicht guttut. "Die Mannschaft braucht ganz sicher den absoluten Druck von außen. Aber nicht den, dass die Trainerfrage gestellt wird. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich dieses Thema in Köln oder Berlin belebend ausgewirkt hat, im Gegenteil." Was der HSV-Vorsitzende damit meinte: "Die sportliche Führung muss den Druck nach innen ausüben. Es geht nicht darum, die Spieler an den Pranger zu stellen. Aber ich gehe davon aus, dass Fink sie in der Kabine ordentlich zur Sau machen wird."

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Was der HSV-Chef nun vom Chefcoach erwartet? "Der Trainer muss an den richtigen Stellschrauben drehen. Personell sollten wir uns auf die Spieler konzentrieren, die den Abstiegskampf begriffen haben, und es vielleicht auch taktisch anders angehen."

Zumindest was die Aufstellung betrifft, kündigte Fink bereits gestern einige Wechsel an. In Hoffenheim hatte er Mladen Petric zunächst geschont und verteidigte seine Maßnahme rückwirkend: "Mladen ist 31 Jahre und hat nicht die Physis, um dreimal 90 Minuten innerhalb einer Woche 100 Prozent gehen zu können." Gegen Hannover kehrt der Stürmer für Tolgay Arslan zurück in die Startelf, genau wie Dennis Aogo sowie Tomas Rincon. Dafür müssen Jacopo Sala und Gojko Kacar raus.

Vor dem Donnerstagstraining am Mittag nach der Ankunft in Hamburg beließ es Fink bei einer kurzen Ansprache vor dem Team. Heute soll eine detaillierte Aufarbeitung der Partie mittels Videoanalyse erfolgen. "Ich werde zeigen, was wir falsch gemacht haben, aber auch die Dinge, die wir mit rübernehmen können in die kommende Partie", kündigte der Trainer an.

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Sollte sich sein Team gegen die konterstarken Hannoveraner allerdings nur die Hälfte der Fehler leisten wie in Hoffenheim, droht ein weiteres Desaster. Auch im Umfeld des HSV mehren sich die Zweifler, ob der Kader gut genug ist für den Abstiegskampf: "So hoch, wie oft behauptet wird, kann die Qualität des Kaders nicht sein", bemängelte der frühere Meister-Kapitän Horst Hrubesch gestern, "sonst würde der HSV nicht da unten stehen. Vier Gegentore in so einem Spiel geben Anlass zur Sorge. Denn Spiele werden ja nicht vorn gewonnen, sondern in der Abwehr."

Gerade was die Defensivarbeit betrifft, zeigten sich beim HSV in dieser Saison eklatante Leistungsschwankungen. Bei der offensiven Grundausrichtung des finkschen Systems wirkten sich Ballverluste und Konzentrationsschwächen eines Spielers eben schnell verheerend aus.

HSV-Restprogramm: 14.4.: Hannover 96 (H), 21.4.: Nürnberg (A), 28.4.: Mainz (H), 5.5.: Augsburg (A)