HSV-Profi Paolo Guerrero macht sich keine Sorgen um seinen Ruf - allerdings um seinen Klub im Abstiegskampf. Er spricht im Abendblatt-Interview.

Hamburg. Paolo Guerrero hat bislang geschwiegen. Und gelitten. Seit seinem Foulspiel gegen Stuttgarts Torhüter Sven Ulreich, das dem HSV-Spieler acht Spiele Sperre seitens des DFB-Sportgerichtes einbrachte, hat sich der Peruaner zurückgezogen. Er hat seine Achillessehnenprobleme auskuriert und engagiert sich vereinsintern. Zuletzt trainierte Guerrero die U14 - und freute sich, nach den heftigen Vorwürfen gegen ihn bei den jungen Fußballern auf Verständnis zu stoßen. Im Abendblatt spricht der Angreifer über die schwerste Zeit seiner Karriere.

Abendblatt: Herr Guerrero, wie haben Sie den Sieg gegen Kaiserslautern erlebt?

Paolo Guerrero: Zu Hause mit Freunden. Es war ein ganz wichtiger Sieg. Ich saß emotional vor dem Fernseher und habe mitgefiebert.

Aber verletzt wurde niemand, oder?

Guerrero (lacht): Nein. Wir sind aufgesprungen, haben geflucht und gejubelt. Wie wahrscheinlich jeder, der mit dem HSV verbunden ist.

Das böse Foul gegen Stuttgarts Torwart Sven Ulreich wurde von vielen Beobachtern als brutal bezeichnet.

Guerrero: Das Foul sah auch schrecklich aus. Ich habe mich selbst erschrocken, als ich es das erste Mal im Fernsehen gesehen habe. Weil ich es im Spiel selbst gar nicht so empfunden hatte. Auch Ulreich, bei dem ich mich am nächsten Tag telefonisch entschuldigt habe, hat gesagt, dass er gedacht habe, ich würde maximal Gelb bekommen.

Bundesweit meldeten sich Trainer und Verantwortliche zu Wort und forderten hohe Strafen für Sie ...

Guerrero (unterbricht): Es ist nicht entscheidend, was Fremde über mich sagen. Mir ist wichtig, was meine Freunde und Familie über mich denken, die kennen mich. Ihre Kritik trifft mich härter.

Sie sind junger Familienvater, Ihr Sohn Diego ist acht Jahre alt. Hat er Ihnen Vorwürfe gemacht?

Guerrero: Nein. Mein Sohn lebt bei seiner Mutter in München und interessiert sich nicht so für Fußball. Er hat davon nichts mitbekommen. Sonst hätte er mich bestimmt darauf angesprochen.

Sind Sie aggressiv?

Guerrero: Nein. Zumindest nicht über das Maß an Aggressivität hinaus, das man im Fußball braucht. Ich habe in meiner ganzen Karriere nur diesen einen Platzverweis bekommen.

Es gibt Leute, die den Flaschenwurf und dieses Foul zusammen als klare Indizien dafür sehen ...

Guerrero: Der Flaschenwurf liegt lange zurück und hat mit dem Foul nichts zu tun. Ich wollte alles für meine Mannschaft geben. Leider ging das schief. Dieses Foul war sicher nicht das richtige Zeichen. Ich kann mit Niederlagen schlecht umgehen, das gebe ich zu. Daran muss ich arbeiten. Es ist aber nie meine Art gewesen, Frust durch üble Fouls abzubauen. Ich bin zwar emotional, aber nicht brutal. Weder auf dem Platz noch außerhalb. Ich hatte selbst einen Kreuzbandriss und kenne das Gefühl, lange verletzt pausieren zu müssen. Das würde ich niemandem antun.

Dennoch wurden Sie für acht Spiele gesperrt.

Guerrero: Es tut mir sehr leid, was passiert ist. Es war ein sehr hartes Foul - und ein sehr hartes Urteil.

Zudem sollen Sie vereinsintern eine 100 000-Euro-Geldstrafe aufgebrummt bekommen haben.

Guerrero: Ich habe eine hohe Geldstrafe bekommen, die ich akzeptiert habe. Aber es schmerzt viel mehr, jetzt zusehen zu müssen, nicht helfen zu können.

Stattdessen trainieren Sie jetzt die U14-Mannschaft des HSV. Mussten Sie sich dort Sprüche gefallen lassen?

Guerrero: Nein, überhaupt nicht. Die Kinder freuen sich, mich zu sehen. Und mir macht es riesig Spaß, mit denen zu arbeiten. Ich kümmere mich ja auch in unserer Mannschaft immer gern um die Jüngeren, spreche viel mit ihnen.

Weil Sie für die ein Vorbild sind?

Guerrero: Das weiß ich nicht. Aber ich würde es mir wünschen. Bislang hatte ich auch das Gefühl, gerade die jüngeren Spieler mitreißen zu können. Und darüber habe ich mich sehr gefreut.

Eine Weile haben Sie psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Brauchen Sie die noch?

Guerrero: Nein, heute nicht mehr. Dafür habe ich meine Familie und Freunde.

Haben Sie Ihren Landsmann vom FC St. Pauli, Carlos Zambrano, im Spiel gegen Düsseldorf gesehen?

Guerrero (lacht): Nein. Aber ich weiß, worauf Sie anspielen.

Zambrano spuckte einen Gegenspieler an, Claudio Pizarro schlug seinen Gegenspieler Emanuel Pogatetz, Sie sind acht Wochen gesperrt und Jefferson Farfan ist mit seinen eigenwilligen Urlaubsverlängerungen und anderen Querelen bei seinem Klub auffällig geworden. Peruaner sorgen in der Bundesliga momentan für eine Menge Gesprächsstoff.

Guerrero: Ich glaube, wir sollten wohl besser nie alle vier in einer Mannschaft spielen. Aber im Ernst, wir haben sicher alle viel Temperament - aber wir leben es unterschiedlich aus. Ich sehe da keinen Zusammenhang.

Sehen Sie den zwischen Ihrem Platzverweis und dem Absturz des HSV? Inzwischen heißt es wieder Abstiegskampf. Fürchten Sie, dass der HSV erstmals in seiner Vereinsgeschichte absteigt?

Guerrero: Es ist auf jeden Fall die schwierigste Situation, seit ich 2006 zum HSV gekommen bin. Dennoch glaube ich, dass wir es schaffen.

Würden Sie im Abstiegsfall bleiben?

Guerrero: Mein Vertrag läuft noch bis 2014. Und ich werde meinen Teil in den letzten beiden Spielen dazu beitragen, dass wir nicht absteigen.