Die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen den ehemaligen HSV-Chef Bernd Hoffmann wird zu einer neuen Zerreißprobe für den Aufsichtsrat.

Hamburg. Es geht um Beraterverträge und -zahlungen, den Vorwurf der privaten Klüngelei und umstrittene Zahlungen an Fast-Sportchef Urs Siegenthaler. Nach der Enthüllung der sechs Hauptvorwürfe im Abendblatt gegen den früheren HSV-Chef Bernd Hoffmann ging Otto Rieckhoff gestern in eine kontrollierte Defensive. In einer schriftlichen Stellungnahme teilte der Aufsichtsratsvorsitzende den Klubmitgliedern mit: "Der Aufsichtsrat hat die Aufarbeitung nach einer juristischen Bewertung abschließend beraten, er hat Beschlüsse zum weiteren Vorgehen und zur Kommunikation in der Mitgliederversammlung getroffen. Darüber werden wir Ihnen mit der gebotenen Ausführlichkeit in der Mitgliederversammlung Bericht erstatten."

Was Rieckhoff nicht sagen wollte: Erst am 15. Januar will er darlegen, warum der Aufsichtsrat keine Schadenersatzansprüche gegen Hoffmann stellen wird. Dies war bei einer Abstimmung, die ein Patt von 6:6 ergeben hatte, mit dem Votum des Aufsichtsratsvorsitzenden so entschieden worden. Offensichtlich herrscht die Meinung vor, dass der Wirbel, den ein langer Rechtsstreit mit Hoffmann verursachen würde, in keinem Verhältnis zu dem möglichen finanziellen Ausgleich stünde.

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Rieckhoff wies in seiner Erklärung außerdem darauf hin, dass die Information auf "sachliche und unaufgeregte Weise geschehen wird. Wenn gezielt eine emotionale Aufladung im Vorwege erzeugt werden soll, verurteile ich das." Diese zurückhaltende Reaktion auf die Veröffentlichung überrascht nicht, weil wie so oft eine heftige Debatte über den korrekten Umgang und die richtige Kommunikation innerhalb der Gremien droht. Denn: Bei einer Aufarbeitung der Akte Hoffmann gerät automatisch auch die Arbeit des Aufsichtsrats in den Fokus, der bis Januar 2011 von Horst Becker geleitet wurde. Eine Frage an die HSV-Basis wird sein, ob das Gremium seiner Aufsichtsratspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Und besonders Becker.

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Der 71-Jährige, der im Januar entnervt den Vorsitz an Rieckhoff abgegeben hatte, steht vereinsintern schon lange in der Kritik. Innerhalb des Kontrollgremiums wurde ihm ein im Zuge der langen Sportchefsuche schlechtes Krisenmanagement vorgeworfen und die aus Sicht mehrere Räte überhöhte Millionenabfindung für Dietmar Beiersdorfer angelastet. Aktuell wird in der HSV-Führung diskutiert, dass Becker ein von Fast-Sportchef Urs Siegenthaler verfasstes sportliches Konzept weder im Gremium vorstellte noch Bastian Reinhardt zugänglich machte. Dabei ließ sich der HSV-Vorstand die Dienste des Schweizers, der dann im Juli 2010 doch absagte und beim DFB blieb, über 500 000 Euro kosten.

Als brisant könnte sich für Becker und weitere Klubfunktionäre Paragraf 15 der HSV-Satzung entpuppen. Dort heißt es, dass die Entlastung der Vereinsorgane auf Antrag der Mitgliedschaft für jedes Vorstands- und auch Aufsichtsratsmitglied zu erfolgen hat. Eine Entlastung bedeutet den Verzicht des Vereins auf Schadenersatzansprüche gegen die jeweiligen Personen im abgelaufenen Geschäftsjahr. Erfolgt keine Entlastung, bedeutet dies jedoch nicht automatisch den Gang vor ein Gericht, und im konkreten Fall hat der Aufsichtsrat ja bereits beschlossen, die Akte Hoffmann nicht vor Gericht landen lassen zu wollen.

Protestieren jedoch die unzufriedenen Mitglieder in Form einer Nicht-Entlastung, erscheint es kaum vorstellbar, dass Becker (bis 2013 gewählt) angesichts der fehlenden Unterstützung weiter sein Amt ausübt. Überhaupt müssten sich die vor dem Januar 2011 gewählten Aufsichtsräte bei einer Nicht-Entlastung des Vorstands fragen, ob sie mit dieser Bürde ihren Posten weiterhin ausüben können. Ein Rückzug mehrerer Räte würde den HSV wieder in eine längst überwunden geglaubte Führungskrise stürzen.

Becker wollte sich auf Abendblatt-Anfrage gestern nicht zur Akte Hoffmann und den Folgen äußern, sein Nachfolger Rieckhoff hofft indes, dass der schwierige Umgang mit der Vergangenheit nicht den Blick in die Zukunft trübt: "Natürlich werden wir wie beschlossen die Aufklärung unserer Mitglieder betreiben", sagte er, "aber danach haben wir volle Konzentration auf die wirklich aktuellen Themen zu lenken. Der Vorstand hat in hervorragender Weise die Führung unseres Vereins in der Hand, er ist zusammen mit dem Trainerstab voll fokussiert auf die Umsetzung unserer neuen, sehr Erfolg versprechenden Philosophie, die dem gesamten Verein nützlich sein wird." Nur: Wer Rieckhoff auf diesem Weg begleiten wird, ist offener denn je.