Der HSV-Aufsichtsrat will am 15. Januar bei der Mitgliederversammlung sechs zentrale Vorwürfe gegen Bernd Hoffmann öffentlich machen.

Hamburg. Die offiziellen Einladungen sind längst verschickt, ob der Protagonist des Abends aber erscheinen wird, steht noch immer nicht fest. Dabei hatte Ex-HSV-Chef Bernd Hoffmann zuletzt mehrfach angedeutet, durchaus in Erwägung zu ziehen, zur Mitgliederversammlung des HSV am 15. Januar ins CCH zu kommen - und das, obwohl ihm ein ungemütlicher Abend bevorstehen dürfte. Als erstem Vorstandsvorsitzenden der HSV-Geschichte droht Hoffmann, die Entlastung der Mitglieder verwehrt zu bleiben. "Die Mitglieder haben das Recht, detailliert über das vergangene Geschäftsjahr informiert zu werden. Wenn es da Nachfragen gibt, werden sie beantwortet werden", kündigte Hoffmanns Nachfolger Carl Jarchow eine Aufarbeitung der Amtszeit seines Vorgängers im Abendblatt-Interview an. Und Nachfragen gibt es jede Menge.

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Nachdem der Aufsichtsrat im Sommer die Kanzlei Heuking am Neuen Wall beauftragt hatte, die achtjährige Amtszeit Hoffmanns juristisch prüfen zu lassen, sind aus einem Briefwechsel zwischen den Anwälten Hoffmanns und des HSV sechs Hauptvorwürfe übrig geblieben, die Aufsichtsratschef Otto Rieckhoff am 15. Januar in seinem Bericht öffentlich machen will. Zudem wird moniert, dass Unterlagen fehlen und dass Hoffmann mehrfach wichtige Entscheidungen getroffen habe, ohne seine Vorstandskollegen zu konsultieren. Dabei war das zwölfköpfige Kontrollgremium bis zuletzt uneins darüber, wie man mit den Vorwürfen umzugehen hat. Dem Antrag, alles schonungslos offenzulegen, stimmten sechs Räte zu, sechs Kontrolleure stimmten dagegen. Da bei einem Patt die Stimme des Vorsitzenden doppelt zählt, setzte sich letztendlich Rieckhoff durch, der die Anklagepunkte lediglich benennen möchte, nicht aber im Detail veröffentlichen will. Das Abendblatt stellt die sechs Hauptvorwürfe schon heute vor, die Hoffmann auf Nachfrage öffentlich nicht kommentieren wollte.

1. Vorwurf: Umstrittener Beratervertrag mit der fischerAppelt profiling GmbH

Seit fast einem Jahr wird über die Zusammenarbeit zwischen Hoffmann und der Hamburger Agentur fischerAppelt profiling GmbH spekuliert - ohne konkrete Ergebnisse. Fakt ist: Agenturchef Bernhard Fischer-Appelt hat Hoffmann vor der letzten Mitgliederversammlung beraten und dem HSV für diesen Zeitraum insgesamt 89 000 Euro in Rechnung gestellt. Mehrere Räte vermissen konkrete Leistungsnachweise. "Wir haben von Oktober 2010 bis März 2011 den Vorstand auf eine Empfehlung aus dem Aufsichtsrat hin in Kommunikationsfragen beraten. Insbesondere in Fragen des Vereinsprofils, der Markenführung und auch beim kommunikativen Umgang mit Top-Personalien", umschrieb Fischer-Appelt seine getätigten Leistungen bereits im Abendblatt. Die Erklärung reichte aber weder den Kontrolleuren noch dem aktuellen Vorstand. Daher wurde die seit Monaten fällige letzte Rate von 56 000 Euro noch immer nicht überwiesen. Hoffmann selbst erklärt, dass es sein gutes Recht als Vorstand war, sich auch extern beraten zu lassen, insbesondere bei der wichtigen Verpflichtung des Sportdirektors Frank Arnesen.

2. Vorwurf: Zusammenarbeit mit der Hamburger Firma CPMS Consulting

Für Sponsorenakquise und -pflege hat Hoffmann mehrere Jahre auf die Dienste des CPMS Consulting gesetzt. Heiko Carstens, Chef des Hamburger Unternehmens, gilt als Hoffmann-Vertrauter. Mehrere Aufsichtsräte irritiert, dass überhaupt ein Berater für diese Dienste eingeschaltet wurde. Denn zum einen gehören Sponsorenakquise und -pflege in den Bereich von Vermarkter Sportfive, zum anderen war Katja Kraus im Vorstand für diese Themen verantwortlich. Im Antwortschreiben verweisen die Anwälte Hoffmanns darauf, dass die CPMS Consulting weitere Kontakte geknüpft und besonders für die Vereinssponsoreninitiative Hamburger Weg zusätzliche Gelder besorgt habe. Eine Antwort, die den Kontrolleuren allerdings nicht reichte.

3. Vorwurf: Honorare an Spielerberater Roman Grill

Kurz nach der Demission von Ex-Sportchef Dietmar Beiersdorfer im Sommer 2009 ließ sich Hoffmann im Hinblick auf die Transferperiode der Saison 2009/2010 in sportlichen Fragen von Piotr Trochowskis Agenten Roman Grill beraten. Grill soll unter anderem für seine beratende Tätigkeit bei den Transfers von Zé Roberto und Marcus Berg ein Honorar in Höhe von 30 000 Euro erhalten haben. Hoffmann nennt als Grund für die Zusammenarbeit, dass der HSV nach der Demission Beiersdorfers keinen Sportchef gehabt habe. Daher habe er sich sportliches Know-how extern besorgen müssen. Der spätere Versuch, Grill als Nachfolger Beiersdorfers zu installieren, scheiterte am Veto des Aufsichtsrats.

4. Vorwurf: Zahlungen an Vermittler beim geplatzten Vagner-Love-Deal

Zwei Zahlungen im Zusammenhang mit dem geplatzten Deal des brasilianischen Ex-Nationalspielers Vagner Love zum HSV lösen Unverständnis bei mehreren Räten aus. Obwohl der Transfer des Stürmers im Januar 2010 zum HSV scheiterte, zahlte der HSV einem Berater 70 000 Euro, gewährte zudem ein Darlehen von 30 000 Euro. Hoffmann begründet die ungewöhnlichen Zahlungen mit der Sorge vor einem drohenden Millionenprozess. Es habe die Gefahr bestanden, dass die Berater ein enormes Ausfallhonorar einklagen würden, da der HSV kurzfristig von der geplanten Verpflichtung Vagner Loves Abstand nahm, um nach der Verletzung Alex Silvas (Kreuzbandriss) einen Verteidiger zu verpflichten. Dieses Risiko wollte der HSV-Chef durch einen von den HSV-Anwälten ausgearbeiteten Vergleich ausschalten.

5. Vorwurf: Einstellung eines Hoffmann-Freundes

Um für das Arena-Management einen zusätzlichen Ansprechpartner neben Arena-Chef Kurt Krägel zu haben, engagierte Hoffmann einen Eventmanager (Name der Redaktion bekannt), der neben einem Fixgehalt Prämien in fünfstelliger Höhe erhielt. Mehrere Räte witterten darin Vetternwirtschaft, da der Betreffende und Hoffmann seit Jahren gut befreundet sein sollen. Ein Vorwurf, den Hoffmann mit dem Verweis auf die Qualitäten seines Vertrauten vehement bestreitet. Nach Hoffmanns Aus als HSV-Chef wurde der Hoffmann-Freund vom neuen Vorstand gekündigt.

6. Vorwurf: Zahlungen an Fast-Sportchef Urs Siegenthaler

Den finanziell umfangreichsten strittigen Punkt betreffen die Zahlungen an Fast-Sportchef Urs Siegenthaler. So monieren Aufsichtsräte, dass der DFB-Chefscout rund 500 000 Euro bekommen haben soll, obwohl er nie einen offiziellen Vertrag als Sportchef unterschrieben habe. Siegenthaler hat diese Behauptung im Abendblatt stets dementiert. "Ich hatte sehr wohl einen schriftlichen Vertrag in meiner Zeit beim HSV. Zwischen dem 1. Januar und dem 31. Juli wurde jeder Cent ordnungsgemäß abgerechnet", sagte der Schweizer, der sich kurz vor seinem geplanten Start in Hamburg am 1. August 2010 gegen ein Engagement beim HSV entschied. Laut Hoffmann habe Siegenthaler tatsächlich einen Beratervertrag unterschrieben, der Scoutingreisen und Präsentationen abgelten sollte. Mehreren Räten reichte diese Erklärung nicht. Sie sind überzeugt, dass Siegenthalers Beratervertrag erst nachträglich - und ohne Vorstandsbeschluss - im Herbst 2010 abgeschlossen wurde.

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