HSV-Trainer Armin Veh spricht im Abendblatt über Werte, Entscheidungen und das frühe Ende einer hoffnungsvollen Spielerkarriere.

Hamburg. Gestern machte sich der neue HSV-Trainer Armin Veh auf den Weg zurück in die Heimat nach Augsburg, am Wochenende fliegt er mit seiner Frau Helena in einen Kurzurlaub nach Sardinien. "Das Handy habe ich aber immer dabei", versichert Veh, der über alle Personalentscheidungen informiert sein will. Vor dem einwöchigen Trip ans Mittelmeer nahm sich der Familienvater Zeit für das Abendblatt, um über alles außer den HSV zu reden. Der 49-Jährige sprach über die Erziehung seiner Kinder, seinen Umgang mit Geld und die Vergeudung seines Talents.

Abendblatt:

Herr Veh, was hat eigentlich Ihre Frau gesagt, als Sie ihr offenbarten, dass Sie beim HSV unterschreiben?

Armin Veh:

Sie hat sich zunächst einmal gefreut. Sie ist Schweizerin und kennt Hamburg im Gegensatz zu mir noch gar nicht. Aber das wird sich ja nun ändern. Hamburg ist eine wunderschöne Stadt. Zu meiner Zeit als Trainer von Hansa Rostock bin ich an freien Tagen immer gerne hierher gedüst.

Hätte Ihre Frau ein Vetorecht gehabt?

Nein. Da hätte sie keine Chance gehabt. Wir sind seit 26 Jahren glücklich zusammen - also weiß sie mittlerweile, wie ich ticke. Der HSV ist meine achte Trainerstation, die Situation ist für meine Frau also nicht neu.

Sie haben früh geheiratet, sind mit 23 Jahren Vater geworden. Hat Sie die plötzliche Verantwortung gar nicht erschrocken?

Unser erstes Kind war ursprünglich gar nicht geplant. Und natürlich war ich mir meiner Verantwortung zunächst auch nicht bewusst. Ich war noch sehr mit mir selbst beschäftigt. Aber wenn man so jung Vater wird, dann wächst man an seiner Aufgabe. Man wird ganz automatisch dazu gezwungen, früh erwachsen zu werden. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass man das Elternsein mehr genießt, wenn man später Vater wird.

Sie gelten als Trainer, der viel Wert auf Disziplin und Respekt legt. Sind Sie auch zu Hause der Chef?

Mir war schon sehr wichtig, meinen beiden Jungs gewisse Werte zu vermitteln. Disziplin und Respekt ist mir nicht nur in einer Fußballmannschaft wichtig. Ich glaube auch, dass mir die Erziehung trotz meiner häufigen Abwesenheit ganz gut gelungen ist.

Sie waren als Spieler viel unterwegs, und auch als Trainer waren Sie nur selten zu Hause. Waren Sie nicht besorgt, Ihre Familie zu vernachlässigen?

Natürlich fehlten meine Frau und meine Kinder mir häufig. Besonders als ich in Rostock war und meine Familie in Augsburg blieb, war es keine einfache Situation für uns. Aber so knallhart das auch klingen mag: Das ist nun mal mein Job. Ich bin sehr ehrgeizig, das weiß meine Familie.

Vor Ihrer Zeit in Stuttgart hatten Sie auch Angebote aus Dubai und Bahrain. Wäre ein Wechsel in die lukrative Wüste mit ihrer Familie nicht kompatibel gewesen?

Das kam für mich nicht infrage. Rostock war schon nicht einfach, da wäre ein Wechsel in die Wüste kaum vorstellbar gewesen. Ich wollte nicht nur wegen des Geldes so weit weggehen.

Ist Geld nicht wichtig für Sie?

Geld ist wichtig, aber nicht das Wichtigste. Mein Vater war Finanzbeamter, deswegen wurde mir ein konservativer Umgang mit Geld anerzogen. Ich bin beispielsweise nicht der Typ für Risikoanlagen. Obwohl mein Vater, der immer alle Zeitungsausschnitte von mir gesammelt hat, und ich sehr unterschiedliche Typen waren, habe ich seinen zurückhaltenden Umgang mit Geld bis heute übernommen.

Hat Ihr Vater Sie trotzdem bei Ihrem Traum vom Profifußball unterstützt?

Er wollte ursprünglich, dass ich Lehrer werde. Trotzdem hat er mich auch beim Fußball immer unterstützt, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte. Er ist zu meinen Spielen immer mitgekommen, ich bin aber immer in einem anderen Auto gefahren. Ich war ein echter Heißsporn.

Ihre Trainerkarriere war zwischenzeitlich ins Stocken geraten. Wie schmerzvoll ist es, entlassen zu werden?

Es ist natürlich nicht schön. Oft hängt es ja nur von Kleinigkeiten ab. Zum Beispiel bin ich mir sicher, dass es in Wolfsburg auch ganz anders hätte laufen können. Mir war schon klar, dass die Aufgabe nach der Meisterschaft schwierig sein würde, aber ich wollte unbedingt beweisen, dass ich das schaffe. Dass es dann doch nicht geklappt hat, ärgert mich nach wie vor maßlos.

War es eine schwierige Entscheidung, Ihre Spielerkarriere aufgrund einer schweren Fußverletzung schon mit 28 Jahren zu beenden, um wenig später eine Trainerkarriere zu starten?

Das war eine ganz bittere Entscheidung für mich. Ich spielte in Kaiserslautern, bin unglücklich umgeknickt. Als dann mein Fuß praktisch neben mir lag, gingen mir natürlich unzählige Gedanken durch den Kopf. Heute weiß ich: Das war der Moment, an dem meine Karriere vorbei war. Ich hab dann zwar noch mal in Augsburg und in Bayreuth in der Zweiten Liga gespielt, aber ich wurde nie wieder richtig gesund. Und mit 28 Jahren musste ich dann einsehen, dass es keinen Sinn mehr hat.

Sie galten als Riesentalent. Warum hatten Sie trotzdem keine großen Erfolge als Spieler?

Ich hatte zwar auch Pech mit Verletzungen, aber insgesamt musste ich mir später eingestehen, dass ich ganz einfach mehr trainieren hätte müssen. Ich habe parallel mit Bernd Schuster in der Jugend angefangen, wenig später mit Lothar Matthäus in Gladbach. Zu der Zeit waren wir ungefähr auf einem Level. Mir ist immer alles sehr leichtgefallen, fußballerisch konnte mir kaum einer das Wasser reichen. Aber genau darum habe ich es vielleicht auch verpasst, noch mehr zu machen. Mit meinem Talent hätte ich viel mehr erreichen können, viel mehr erreichen müssen. Heute weiß ich: Mentalität schlägt Talent.

Haben Sie damals überhaupt nicht überlegt, nach Ihrer kurzen Spielerkarriere Ihren Ausbildungsberuf als Immobilienkaufmann aufzunehmen, statt als Trainer zu arbeiten?

Ich hatte gar nicht so viel Zeit, großartig nachzudenken. Bei meinem Heimatverein in Augsburg wurde die Stelle des Trainers frei, also griff ich zu. Ich bin da irgendwie so reingerutscht.

Waren Sie früher ein anderer Trainer als heute?

Auf jeden Fall, jeder lernt ja mit der Zeit dazu. Früher war ich ein Diktator. Meine Spieler durften nichts sagen, wehe, einer hat mal einen Mucks gemacht. Als junger Trainer bin ich keinem Konflikt aus dem Weg gegangen. Wenn ich etwas kritisch gesehen habe, dann habe ich das auch offen gesagt. Heute bin ich viel gelassener als früher. Aber wenn es auf den Punkt kommt, dann kann ich noch immer unangenehm werden. Ich suche aber nicht mehr jeden Konflikt. Ich habe meinen Führungsstil geändert.

Sind Sie ein geborener Anführer?

Bislang war ich in meinem Leben eigentlich immer ein Anführer: als Trainer, als Kapitän und auch in der Familie. Trotzdem bin ich auch immer um Harmonie bemüht. Ich glaube nicht, dass man beispielsweise eine Fußballmannschaft mit Angst und Druck zum Erfolg führen kann. Nur wer Spaß hat, kann auch Erfolg haben.