Nach der 1:5-Blamage in Hoffenheim soll Coach Bruno Labbadia gehen. Techniktrainer Moniz könnte ihn beim Hamburger SV beerben

Sinsheim. Vor dem Bus blockierten gerade einige frustrierte HSV-Anhänger die Abfahrt und diskutierten erregt mit den Spielern, als Bernd Hoffmann mit ernster Miene um 18.43 Uhr aus dem Kabinenbereich trat. Der Klubvorsitzende hatte die in allen Belangen erschütternde 1:5-Niederlage bei 1899 Hoffenheim fast eineinhalb Stunden sacken lassen, bevor er öffentlich Stellung bezog. Die Spieler hätten sich selbst geschadet mit dieser desaströsen Mannschaftsleistung, analysierte der sichtlich angespannte HSV-Chef zunächst, um dann vor der schwierigen Aufgabe zu stehen, die richtigen Worte über die Zukunft des Trainers zu finden.

Auf die Frage, ob Bruno Labbadia auch am Donnerstag beim Halbfinalrückspiel beim FC Fulham auf der Bank sitzen wird, antwortete Hoffmann: "Das ist die letzte Chance, uns die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb offenzuhalten. Wir werden gemeinsam mit dem Trainer alle Maßnahmen erörtern, die aus unserer Sicht die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass wir in Fulham eine Runde weiterkommen."

Ob es ebenfalls eine Option sei, gemeinsam mit dem Trainer eine vorzeitige Aufhebung des Vertrages, der noch bis 2012 läuft, zu beschließen, wollte Hoffmann weder bestätigen noch dementieren: "Inhaltlich gibt es dazu nicht mehr zu sagen." Eine vertrauensbildende Maßnahme war Hoffmanns Statement jedenfalls nicht, im Gegenteil. Die Zeichen stehen klar auf Trennung.

Nach der Landung der Chartermaschine am Abend in Hamburg wollte Hoffmann mit den Vorstandskollegen Katja Kraus und Oliver Scheel die weitere Vorgehensweise erörtern. Heute wird es dann das - mit großer Sicherheit finale - Gespräch mit Labbadia geben. Der 44-Jährige, der erst zu Saisonbeginn für eine Million Euro von Leverkusen verpflichtet wurde, muss gehen und erhält als Abschiedsgeschenk eine Abfindung in Höhe von einer Million Euro. Wegen der Höhe der Abfindung muss jedoch erst noch der Aufsichtsrat seine Zustimmung geben - telefonisch, weil Oberkontrolleur Horst Becker in den USA weilt. Labbadia wäre somit das teuerste Trainer-Missverständnis in der HSV-Geschichte.

In den restlichen Spielen wird voraussichtlich Techniktrainer Ricardo Moniz auf der Bank sitzen. Amateurtrainer Rodolfo Cardoso hat nur Außenseiterchancen. Was die kommende Saison betrifft, so halten sich hartnäckig die Gerüchte um Bundestrainer Joachim Löw, der als Vertrauter des künftigen Sportchefs Urs Siegenthaler gilt.

Mit ihrem wehr- und willenlosen Auftritt lieferten die Spieler den HSV-Verantwortlichen den letzten Beweis, dass die Mannschaft ihrem Trainer nicht mehr folgt. Was das läuferische und kämpferische Engagement betraf, musste man von klarer Arbeitsverweigerung sprechen. Keine Dynamik, keine Sprints - im (niedrigen) Einheitstempo trabten die Hamburger über den Platz und luden die Hoffenheimer ein, sich zu bedienen. Im Prinzip fehlte nur noch, dass die Spieler nach jedem Gegentor jubelnd ihr Trikot lupfen, um darunter den Schriftzug "Bruno raus" zu enthüllen. Wie sollen Spieler, die sich im Saisonfinale so hängen lassen, in England bei einem möglichen Rückstand gegen einen K. o. stemmen?, lautete die Frage, die die HSV-Bosse wohl zu dem Notfallplan greifen lässt.

Während Labbadia gehen muss, haben auch die Spieler mit ihrem gestrigen charakterlosen Auftritt viel an Reputation verloren. Die HSV-Anhänger hatten für ihre Spieler, die nun den siebten Trainer in sieben Jahren erleben werden, nur noch beißende Ironie übrig. "Oh, wie ist das schön!" und "Einer geht noch, einer geht noch rein!" schallte es den Nicht-Profis entgegen.

Als Verlierer des bei 24 Grad sommerlichen Nachmittags durfte sich aber auch Hoffmann fühlen, der sich laute "Raus"-Rufe gefallen lassen musste.

Nach der endgültig verpassten Europa-League-Qualifikation über die Bundesliga muss Hoffmann konstatieren, dass der HSV zum wiederholten Mal viel zu wenig aus seinem großen Potenzial gemacht hat und sein Plan, mit Labbadia endlich für Kontinuität zu sorgen, gescheitert ist.

Was den nach Titeln strebenden Vorsitzenden aber handeln ließ, zeigt sich nicht zuletzt beim Blick auf die Rückrundentabelle. Mit 17 Punkten ist der HSV erfolglos wie Absteiger Hertha BSC und weist sogar noch die schlechtere Tordifferenz auf. Übrigens: In der Hinrunde musste Berlins damaliger Trainer Lucien Favre nach dem siebten Spieltag abdanken. Nach einer 1:5-Niederlage in - genau, in Hoffenheim.