Im Achtelfinale in Anderlecht geht es auch um die nächste Saison. Erst im Finale winkt das große Geld (liveticker auf abendblatt.de).

Brüssel. Er wirkte fast so, als ob er mit jedem Handschlag seine Hoffnung weitergeben wollte. Jeden einzelnen Spieler begrüßte der Aufsichtsratsvorsitzende Horst Becker vor dem Abflug nach Brüssel und sparte dabei nicht mit aufmunternden Worten. "Es gibt auch keinen Grund, nicht optimistisch zu sein", so Becker vor dem heutigen Rückspiel beim RSC Anderlecht (21.05, live bei Sky und im Ticker unter abendblatt.de), "ein 3:1 aus dem Hinspiel sollte reichen." Was der Oberkontrolleur nicht erwähnte: der HSV muss weiterkommen. Zumindest, um sich vor Problemen zu schützen.

Bis zum Achtelfinale waren die Einnahmen aus dem internationalen Wettbewerb einkalkuliert. Pro Heimspiel (gegen Randers FC, Guingamp, Wien, Tel Aviv, Glasgow, Eindhoven und Anderlecht) wurden durchschnittlich weniger als eine Million Euro verdient. Hinzu kommen 1,77 Millionen Euro Spielprämien der Uefa. Insgesamt generierte der HSV bislang so rund acht Millionen Euro. Abzüglich der Prämien für die Spieler, die Organisation, Reisen (Kosten pro Saison: eine Million Euro) und Aufenthalt bleibt nach nunmehr 13 Spielen in der Europa League für die aktuelle Saison ein Reingewinn von etwas weniger als fünf Millionen Euro übrig. Hinzu kommt noch ein Betrag aus dem Uefa-Marketingpool, der sich auch aus der Anzahl der Teams eines Landes pro Spielrunde errechnet.

"Der Titelgewinn wäre für uns sportlich wie finanziell sehr reizvoll", sagt Becker, wohlwissend, dass den Finalteilnehmern zwei Millionen Euro Prämien garantiert sind. Dem Titelgewinner winkt zudem eine Million extra.

Allerdings, und das macht die Finalphase bis zum Finale wieder weniger lukrativ: Ab dem Achtelfinale wird der Wettbewerb von der Uefa zentral vermarktet, sprich: der HSV kann seine Heimspiele nicht mehr höchstbietend an einen TV-Sender veräußern. Ergo: Im Viertelfinale winken von der Uefa so noch 360 000 Euro, im Halbfinale 630 000 Euro garantierte Spielprämien, dazu kämen jeweils rund 1,5 Millionen Euro aus Hospitality und Zuschauereinnahmen.

Und während Angreifer Mladen Petric den Finalgewinn als letzte Möglichkeit zur Erfüllung eines vorgegebenen Ziels ausgibt - der Klub wäre dann automatisch auch kommende Saison vertreten -, sorgt sich Becker darum, die Qualifikation zu verpassen. "Bei der Mannschaft, die wir haben, ist das nicht nur die Erwartung, sondern die Pflicht." Inwieweit sich der Klub schon Planspiele ohne den Europacup gemacht hat? "Ehrlich gesagt, haben wir uns tatsächlich Gedanken gemacht. Aber der Plan B ist noch nicht akut. Es wäre auch nicht sinnvoll, jetzt darüber zu philosophieren."

Immerhin betrifft das Szenario ganz akut die Planung der Saison 2010/2011. Ohne die Einnahmen eines internationalen Wettbewerbes dürfte es ungleich schwerer werden, die Verträge mit Spielern wie Jerome Boateng zu verlängern. Zudem müsste bei Neuzugängen mehr als zuletzt auf den Euro geachtet werden. "Ein solches Szenario würde unsere Handlungsfähigkeit natürlich einschränken", sagt Katja Kraus, Vorstand Sport. Soll heißen: Neue, teure Stars würden vorerst ausbleiben.

Nachdem vor dieser Saison rund 30 Millionen Euro in die Mannschaft investiert worden waren, die Becker zu Teilen als "Vorgriff auf künftige Gelder" genannt hatte, und die Marketingmaschinerie weitgehend ausgereizt ist , bleiben nur sportlich generierte Extraeinnahmen, um teure Neuverpflichtungen zu tätigen. Becker ernst: "Es lässt sich nicht leugnen, dass es in dem Fall einen natürlichen Einschnitt gäbe." Finanziell - aber eben auch personell.