Ariel Jacobs trainiert seit drei Jahren den belgischen Rekordmeister RSC Anderlecht und trifft in der Europa League auf den HSV.

Anderlecht/Hamburg. Anderlechts Trainer Ariel Jacobs ist beschäftigt. Den Gesprächstermin lässt er erst auf 13 Uhr, dann auf 14 Uhr verschieben. Um 14.10 Uhr hat der 51-Jährige dann Zeit. In welcher Sprache er das Interview führen wolle? Deutsch, spanisch, flämisch, holländisch, englisch oder französisch, antwortet der gelernte Dolmetscher.

Hamburger Abendblatt: Herr Jacobs, wer ist Ariel Jacobs?

Ariel Jacobs: Diese Frage müssen Sie mir erklären.

Abendblatt: Obwohl Sie seit drei Jahren Belgiens Rekordmeister RSC Anderlecht trainieren, ist im Internet kaum etwas über Sie zu erfahren. Es gibt nicht mal eine englisch- oder deutschsprachige Wikipedia-Seite über Sie.

Jacobs: Das mag daran liegen, dass ich keine große Spielerkarriere hinter mir habe und sehr früh schon Trainer geworden bin. Außerdem habe ich vor meiner Tätigkeit in Anderlecht eher kleinere Vereine in Belgien trainiert.

Abendblatt: In Deutschland weiß man wirklich nicht so viel über den belgischen Fußball. Was wissen Sie über den HSV und Ihren Kollegen Bruno Labbadia?

Jacobs: Beim HSV muss man natürlich immer gleich an die tollen Jahre zum Ende der Siebziger und zum Anfang der Achtziger denken. Die aktuelle Mannschaft kann zwar noch nicht die gleichen Erfolge vorweisen, ist aber auf einem guten Weg. Maßgeblich verantwortlich dafür ist derzeit Bruno Labbadia.

Abendblatt: Es ist mehr als 30 Jahre her, dass Anderlecht zuletzt auf den HSV getroffen ist. Haben Sie das Finale der Pokalsieger 1977 noch in Erinnerung?

Jacobs: Natürlich. Wie fast alle Belgier habe auch ich das Spiel damals am TV verfolgt. Anderlecht war damals auf Augenhöhe mit den besten Teams Europas.

Abendblatt: Tatsächlich kam Anderlecht damals drei Jahre in Folge in ein Europapokal-Finale. Kann der RSC irgendwann an diese Erfolge anknüpfen?

Jacobs: Natürlich wünscht man sich derartige Erfolge. Aber man muss sich auch ganz ehrlich eingestehen, dass es für eine belgische Mannschaft heutzutage sehr schwer ist, sich gegen die Spitzenteams aus Spanien, England und natürlich Deutschland dauerhaft durchzusetzen. Sobald ein Spieler ein gewisses Niveau erreicht, will er normalerweise in eine der großen Ligen wechseln.

Abendblatt: Also sind Sie dazu gezwungen, auf junge Talente zu setzen?

Jacobs: Als Trainer muss man immer versuchen, aus einem Nachteil einen Vorteil zu machen. Ich arbeite sehr gerne mit jungen Spielern zusammen. Dass unser Weg richtig ist, zeigt diese Saison.

Abendblatt: Anderlechts größtes Talent Romelu Lukaku ist gerade erst 16 Jahre alt. Befürchten Sie, dass Sie ihn nicht lange in Belgien halten können?

Jacobs: Niemand hat ernsthaft geglaubt, dass Romelu eine derartige Entwicklung nehmen könnte - weder wir noch seine Eltern und auch nicht er selbst. Er ist unheimlich weit für sein Alter, dazu auch sehr stabil. Wenn er weiter auf diesem Niveau spielt, werden sich natürlich einige Topklubs um ihn bemühen.

Abendblatt: Vincent Kompany, der sowohl für Anderlecht als auch für den HSV gespielt hat, bezeichnete Lukaku als "Geschenk des Himmels für den belgischen Fußball". Haben Sie keine Sorge, dass für so einen jungen Mann der Druck irgendwann zu groß werden könnte?

Jacobs: Die Sorge besteht, aber bislang ist er immer sehr gut mit diesem Druck umgegangen. Kompany hat aber im gleichen Interview mit Recht betont, dass das Wohl des belgischen Fußballs nicht von einem 16-Jährigen abhängen darf.

Abendblatt: Sie haben im vergangenen Jahr häufiger betont, keine große Lust mehr auf das Geschäft Fußball zu haben. Haben Sie wieder Lust?

Jacobs: Das ist keine einfache Frage. Ich habe damals nach einem sehr schweren Foul an Marcin Wasilewski (der Pole zog sich einen doppelten offenen Beinbruch zu, d. Red.) sehr emotional reagiert - vielleicht zu emotional. Nach dieser schweren Verletzung kam ein Moment, als ich nur noch Spaß hatte, Kindern beim Fußballspielen zuzugucken. Doch das hat sich nach und nach wieder gebessert. Und wenn so große Spiele wie die Duelle gegen den HSV vor uns stehen, dann muss man einfach Lust auf Fußball bekommen.