Trotz des Sieges gegen Hertha BSC wirkten die HSV-Spieler frustriert. Die Lockerheit ist längst verflogen. Auch bei Ruud van Nistelrooy.

Hamburg. Die Anspannung sitzt tief. Erst der Blick zurück zaubert dann doch ein entspanntes Lächeln in Mladen Petrics Gesicht. "Das war wie aus einem Guss", erinnert sich der Angreifer nur zu gern an die ersten Wochen dieser Saison. Acht Spieltage lang brillierte der HSV, sorgte bundesweit mit Offensivgeist für Aufsehen. Nach dem besten Start aller Zeiten und der Tabellenführung erklärte selbst Bayerns Manager Uli Hoeneß den HSV zum Titelaspiranten.

Seitdem sind 17 Ligaspiele gespielt worden, die immer weniger mit dem furiosen Start gemeinsam hatten. "Wir hatten auch danach noch viele gute Spiele - aber eben zu viele Unentschieden", beschreibt Petric den Zustand. Joris Mathijsen wird deutlicher: "Unsere Lockerheit vom Anfang ist weg. Ganz klar. Es ist ja auch nicht alles schlecht. Immerhin spielen wir immer noch um den dritten Platz. Aber entscheidend ist, dass wir einfach nicht die Form haben, die wir selbst erwarten." Warum das so ist? "Dafür gibt es viele Gründe." Die ganz offensichtlich nicht nur bei den vielen Verletzten zu suchen sind.

Am Sonnabend, beim glücklichen 1:0 gegen Hertha BSC, führten diese zu alarmierend lauten Pfiffen der Fans. Selbst nach Spielschluss mischten sich trotz des Sieges wieder einige Pfiffe in den überwiegenden Applaus. Anlass genug für das Trainerteam Bruno Labbadia und Eddy Sözer, gestern eindringlich zu mahnen. "Wir wollen Ergebnisse liefern", so Sözer, "gegen Hertha ist uns das geglückt, gegen Anderlecht wollen wir weitermachen und in Leverkusen nachlegen. Und dabei gilt: Das allerhöchste Augenmerk hat das Ergebnis - Ansprüche sollen andere haben."

Das gilt auch für die Ansprüche, die sich beim HSV durch den guten Start manifestiert haben. Der schöne, erfolgreiche und von begeisternder Lockerheit geprägte Offensivfußball weicht dem reinen Ergebnisfußball. Es scheint, als wäre der öffentliche Zusammenhalt ein notwendige Kompromiss in einer Phase, in der es mehr Baustellen denn gemeinsame Aufbruchstimmung gibt. Die anfängliche Begeisterung der Spieler über Labbadias unbekümmerte Art Fußball hat sich relativiert. Der Flair des Neuen ist verflogen. Die anfängliche Euphorie ist bei einigen Spielern inzwischen dem Frust über für sie unverständliche Nicht-Nominierungen und Auswechslungen gewichen.

Beispiele dafür gibt es einige. Jüngst war es Dennis Aogo, der in München aus taktischen Gründen überraschend auf die Bank musste. Unmittelbar nach der für ihn enttäuschenden Nachricht, nicht für das Argentinien-Länderspiel nominiert zu werden. Zudem ohne Vorwarnung. Gleiches erfuhr Piotr Trochowski. Dem Nationalspieler, der bislang mehr ein- und ausgewechselt wurde als er durchspielen durfte, wurde gegen Berlin Tunay Torun vorgezogen. Ob er unzufrieden sei? "Na klar", so Trochowski. Ob er im Vorfeld vom Trainerteam informiert wurde? "Nein. Es war eher überraschend für mich." Mehr wollte Trochowski nicht sagen. Vorsichtshalber.

Aogos und Trochowskis Unzufriedenheit sind für einen Teil der Mannschaft symbolisch. Und sie wird beim HSV mit einer gefährlichen Mixtur aus Unverständnis, Alltagsfrust und Negativerlebnissen garniert. Vor Wochen beschwerten sich Führungsspieler schon über Trainingsinhalte. Über die Auswechslungen, sogar über Taktik wird diskutiert. Bruno Labbadia wird - sicher in einigen Fällen auch, um von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken - bei einem Teil der Mannschaft zum zentralen Punkt der Kritik. Deshalb stehen nicht nur sportlich entscheidende Tage an. Auch das Verhältnis Trainer/Mannschaft steht inzwischen mehr und mehr auf dem Prüfstein. Grund genug, angespannt zu wirken.