Mit Thorsten Weidig stößt auch ein Psychologe ins sportliche Führungsteam. Katja Kraus rückt zur Zweiten Vorsitzenden des Bundesligisten auf.

Hamburg. Gesucht war ja wahrlich lange genug worden. Wenigstens am Ende ging alles ganz schnell. Nachdem sich der zwölfköpfige Aufsichtsrat des HSV ab 18 Uhr in den Nebenraum des Fanrestaurants "Raute" zurückgezogen hatte (nur Sergej Barbarez kam erst nach 19 Uhr), konnte Oberkontrolleur Horst Becker bereits um 19.33 Uhr vermelden, was allseits erwartet worden war: Urs Siegenthaler wurde einhellig zum sportlichen Leiter bestimmt.

Der 62-Jährige, bis nach der WM in Südafrika (11. Juni bis 11. Juli) noch als Chefscout für den Deutschen Fußball-Bund im Einsatz, wird sein Amt am 1. August antreten und verantwortet dann vor allem die Bereiche Spielphilosophie, Kaderentwicklung, Scouting und Nachwuchsarbeit. Sein Vertrag soll zunächst bis 2013 datiert sein.

Auf eigenen Wunsch, wie Becker mitteilte, wird Siegenthaler kein Mitglied des Vorstands. Das Führungsgremium wird - wie bereits seit dem Abgang von Dietmar Beiersdorfer im Juni - nur mit drei Personen (Bernd Hoffmann, Katja Kraus und Oliver Scheel) besetzt sein. Becker: "Urs Siegenthaler möchte nicht unbedingt administrative Aufgaben übernehmen müssen."

In der Führungsetage werden deshalb künftig "die sportlichen Kompetenzbereiche von Katja Kraus koordiniert", wie der Klub mitteilte. Außerdem rückt sie zur stellvertretenden Vorsitzenden auf. Das heißt übersetzt: Kraus ist formal die Vorgesetzte von Siegenthaler und ab Sommer so etwas wie der neue Super-Sportchef. Klar ist auch, dass die seit Jahren gut harmonierenden Hoffmann und Kraus ihre Machtpositionen im Vorstand und im Verein langfristig gestärkt haben.

Von Siegenthaler erhofft sich der Verein künftig, ein Spielsystem zu installieren, das von der Bundesliga-Mannschaft bis in die Jugendmannschaften strahlt. Sein Auftrag wird es laut Becker sein, junge, gut ausgebildete Spieler, möglichst viele deutsche, in die Leistungsspitze zu führen. Als Repräsentant wird man Siegenthaler aber selten antreffen. Der Schweizer will zumeist geräuschlos im Hintergrund arbeiten. "Sie werden ihn selten in der Öffentlichkeit erleben", kündigte Becker an.

Siegenthaler selbst war gestern nicht in Hamburg und ließ sich in einer Mitteilung des Vereins so zitieren: "Die Perspektive, meine Vorstellungen und Erfahrungen einmal bei einem Bundesligaverein - noch dazu bei einem so traditionsreichen wie dem HSV - einbringen zu dürfen, hat mich sofort fasziniert. Ich bin überzeugt, dass der Verein über großes Potenzial verfügt und freue mich sehr darauf, dem bestehenden Team dabei zu helfen, dieses Potenzial optimal zu entfalten. Zunächst aber gilt meine absolute Priorität der Nationalmannschaft, Joachim Löw und der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Südafrika."

Man habe Rückschläge hinnehmen müssen und lange gesucht, blickte Becker selbstkritisch auf die Sportchef-lose Phase zurück, "aber wir fühlen uns mit der Personalie Siegenthaler für die Geduld belohnt."

Am Abend konnte der HSV noch einen weiteren Neuzugang vermelden. Thorsten Weidig wird ab dem 1. Juli die Bereiche Persönlichkeitsentwicklung und Karrierebegleitung verantworten. Der Diplom-Psychologe arbeitet seit Februar 2005 im Arbeitsbereich Sportpsychologie der Ruhr-Universität Bochum. Der Titel seiner Promotionsarbeit von 2009 lautete: "Erfolgsfaktor Trainer - Das Trainerverhalten in Spiel- und Wettkampfpausen auf dem Prüfstand." Aktuell betreut er auch Spitzensportler und Nationalmannschaften. Gerade im Nachwuchsbereich soll sich Weidigs Arbeit positiv auswirken.