Bruno Labbadia: “Als Mannschaft versagt.“ Marcell Jansen: “Zu viel über Standards geredet.“ David Jarolim: “Konzentration fehlt.“

Köln. Bei einer 3:1-Führung um 16.35 Uhr war die Sache im Kölner Stadion geritzt, die Rollenverteilung für Sieger und Verlierer im sonnabendlichen Schauspiel schien klar. Als strahlende Helden des vierten HSV-Auswärtssieges der Saison hatten sich vor allem Stürmer Mladen Petric (spielte mit schmerzstillender Spritze) mit seinen Saisontoren fünf und sechs sowie Marcell Jansen (an acht der letzten elf Tore beteiligt) mit seinem starken Auftritt inklusive des Führungstors und einer wunderbaren Flanke vor Petrics erstem Treffer mit Nachdruck beworben. Kurz vor Schluss stand mit Ruud van Nistelrooy ein Debütant mit einer Held-Option ausgestattet am Spielfeldrand bereit. Später würden die HSV-Protagonisten dann strahlend davon sprechen, dass der Kontakt zu den Champions-League-Plätzen nach den Patzern der Konkurrenz wieder hergestellt worden sei und überhaupt die Zukunft rosig bis glorreich sei. Besonders Bruno Labbadia hätte nur zu gern diesem harmonisch klingenden Chor der Freude gelauscht, schließlich wären alle Prophezeiungen, ihn würde in Hamburg das Schicksal wie in Leverkusen ereilen, wo er nach einer begeisternden Hinrunde abgestürzt war, im Keim erstickt worden.

Aber all das blieb nur eine flüchtige Illusion. Unglaublich und unbegreiflich, wie leichtfertig sich die Hamburger den sicheren und völlig verdienten Sieg von allerdings aufopferungsvoll kämpfenden Kölnern entreißen ließen und die verhinderten Helden frustriert neue Rollen einnehmen und Wortbeiträge lernen mussten.

"Wir sind selber schuld, man kann nicht immer von Glück und Pech reden", sagte Mladen Petric, während Labbadia hart über seine Spieler urteilte, die nach dem 3:1 nicht nur fahrlässig weitere Chancen ausließen (Jansen!), sondern auch in der Defensivarbeit kollabierten und das Fußballspielen verweigerten: "Nach dem 3:1 hat die Mannschaft versagt."

Es waren Sätze wie dieser von Labbadia, die nachdenklicher stimmten als die erneut eindrucksvoll demonstrierte offensive und defensive Standardschwäche sowie das erneute Wegschenken von Punkten in der Schlussphase (David Jarolim erklärte das mit "Konzentrationsschwächen"). Obwohl die Qualität dieser Mannschaft längst Champions-League-reif ist, droht wieder einmal allenfalls die Europa League - wenn überhaupt. Und das erzeugt offensichtlich Reibungspunkte zwischen Trainer und Team.

"Wir haben die ganze Woche darüber geredet, vielleicht zu viel, wo deren Stärken sind, so dass wir bei jedem Standard vielleicht gedacht haben: Oh, jetzt wird es gefährlich", sinnierte Marcell Jansen, "Vielleicht muss man das nur einmal ansprechen, und dann ist es auch gut." Dass der HSV mehr von der individuellen Klasse lebte als von der mannschaftlichen Geschlossenheit, nahm der deutsche Nationalspieler zum Anlass, in die Ursachenforschung zu gehen: "Mannschaft und Trainerteam sollten sich unterhalten und beide Seiten anhören, woran das liegen könnte."

Bruno Labbadia zuckte nur mit den Schultern, als er von Jansens Äußerungen hörte: "Wir werden nicht müde werden, diese Dinge weiter zu trainieren." Außerdem verwies er darauf, dass die Mannschaft in der Rückrunde nur das Dortmund-Spiel nicht dominiert habe. Die Ergebniskrise führt jedoch dazu, dass der HSV aus den vergangenen drei Spielen nur zwei von neun Punkten holte und im Misserfolg auch die Maßnahmen des Trainers kritisch beäugt werden.

Äußerungen wie die von Jansen erinnern an Leverkusener Zeiten, als die Spieler mit Labbadias penibel-akribischem Führungsstil immer weniger klarkamen. Und dass der Ausfall Eljero Elia in Köln so lange auf dem Platz bleiben durfte und der Trainer überhaupt erst spät wechselte, bot weitere Munition für Kritik.

Ob sich der jüngste Abwärtstrend ausgerechnet in Stuttgart stoppen lässt, wo sich nach fünf Siegen in Folge eine neue "Gross-Macht" zu etablieren scheint? "Jede Serie reißt irgendwann, ich bin sicher, dass wir eine Siegesserie starten werden", glaubt David Jarolim und wünscht sich als Ergebnis ein 1:0, herausgespielt mit nur zwei Torchancen: "Wir müssen in dieser Situation nicht brillieren, sondern absolut verteidigen, auch mal mit acht Mann."

Wie sehr aber die Psyche der HSV-Profis angekratzt ist, zeigte sich nach dem Anschlusstreffer von Novakovic zum 3:2: "Bis dahin waren die Kölner tot, plötzlich haben wir nur noch nach unten geschaut." Nicht das erste Mal in dieser Saison. Schon siebenmal konnte der HSV nach einer 1:0-Führung nicht gewinnen. Wie so oft fehlte Hamburg das Sieger-Gen.