Hamburgs Kapitän David Jarolim droht mit Tschechien bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika die Zuschauerrolle.

Abendblatt: Herr Jarolim, früher waren die Länderspieltouren die Highlights eines tschechischen Nationalspielers...

David Jarolim: ...und das sind sie heute noch immer. Auch wenn es sportlich nicht mehr so gut läuft wie noch vor ein paar Jahren.

Abendblatt: Tschechien steht vor dem Aus in der Qualifikation zur WM 2010 in Südafrika.

Jarolim: Ja, und das allein ist schon eine mittlere Katastrophe. Klar ist aber auch, dass wir noch eine rechnerische Chance haben, zudem dreimal im eigenen Stadion spielen und unsere Konkurrenz noch direkt aufeinander trifft. Insofern - und da bin ich ganz sicher nicht der einzige - glaube ich noch an uns. Auch wenn es ein kleines Wunder wäre, Platz zwei ist noch machbar.

Abendblatt: Sie sind jetzt 30 Jahre alt. Ist das Ihre letzte Chance auf eine Weltmeisterschaft?

Jarolim: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit 34 Jahren noch die Rolle spiele, die ich heute in der Nationalelf habe, ist schwindend gering, das ist mir klar. Umso schöner wäre es gerade für mich, das Wunder noch zu schaffen und bei der WM 2010 dabei zu sein.

Abendblatt: Sie waren auch 2006 in Deutschland dabei...

Jarolim: Ja, aber damals hatte ich mit Poborsky und Pavel Nedved zwei Ausnahmespieler vor mir und wurde nur einmal eingewechselt. Heute wäre das anders - und hätte so für mich auch eine ganz andere Qualität.

Abendblatt: Warum hat Tschechien aktuell so viele Probleme?

Jarolim: Der Trainerwechsel war für die Mannschaft sehr positiv, sehr produktiv. Aber er kam wahrscheinlich zu spät. Und dann kommt oft alles andere dazu, wie solche Spiele wie gegen die Slowakei, die zugegebenermaßen eine starke Generation haben. Wir machen Druck und fangen das 0:1. Danach rennen wir durchgehend an, schaffen es aber nicht, das Spiel noch zu drehen. So dumm die Situation ist, so leicht ist sie für uns: wir müssen einfach alles gewinnen und abwarten.

Abendblatt: Klingt, als hätten Sie sich mit Ihrem Schicksal mehr oder weniger arrangiert.

Jarolim: Nur, wenn Sie damit meinen, ich sei realistisch. Denn für mich und mein Heimatland ist die Situation eine kleine Tragödie. Daran gibt es nichts schönzureden. Es tut weh, aber letztlich muss ich den Kopf frei haben für den HSV. Der Verein ist nach wie vor das wichtigste, was ein Fußballer hat.

Abendblatt: Wichtiger als die eigene Nationalelf?

Jarolim: Ja, weil ich schließlich 85 Prozent des Jahres in Hamburg für den Erfolg mit dem Verein arbeite. Natürlich liebe ich mein Heimatland und die Nationalelf - aber die geliebte Pflicht spielt sich in Hamburg ab.

Abendblatt: Und da sind Sie derzeit erfolgreicher als mit der Nationalelf. Sogar so erfolgreich, dass die gegnerischen Trainer Ihnen und Ihren Mannschaftskollegen nach nur vier Spieltagen den Meistertitel zutrauen.

Jarolim: Alles nur Rederei.

Abendblatt: Wie meinen Sie das? Glauben Sie, die gegnerischen Trainer wollen damit nur den Druck auf den HSV abwälzen? Auch Markus Babbel, Trainer vom nächsten Gegner VfB Stuttgart, traut dem HSV den Titel zu.

Jarolim: Gutes Beispiel. Immerhin spielt Babbel mit Stuttgart in der Champions League, wir "nur" in der Europa League. Aber es ist auch relativ normal, dass der Tabellenführer von den anderen Mannschaften gelobt wird. Erstens, weil dort offenbar gut gearbeitet wird. Und zweitens, weil so die Favoritenrolle zugeteilt wird.

Abendblatt: Ist der HSV schon ein verdienter Tabellenführer?

Jarolim: Ja, weil wir gut spielen. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir auch den Anspruch haben müssen, am Ende ganz oben zu stehen. Dafür ist die Saison noch viel zu lang und dafür müssen wir erst noch beweisen, dass wir eine ganze Saison konstant den Spitzenfußball der ersten vier Spieltage spielen können.

Abendblatt: Wohin kann es den HSV dieses Jahr führen?

Jarolim: Wir sind allein dafür verantwortlich, uns ein tolles Jahr zu bescheren. Die Voraussetzungen sind da, ein so tolles Jahr hinzulegen, dass auch ein Sommer ohne Weltmeisterschafts-Teilnahme leichter verdaut würde.

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