Der “Kaiser“ rät zudem zu Oliver Kreuzer: Mit ihm als Sportdirektor könne Hamburg nicht falschliegen.

München. Franz Beckenbauer sieht sich staunend um. "Jetzt musste ich erst fast 64 Jahre alt werden, um zu erfahren, dass ich nicht in Obergiesing, sondern in Haidhausen aufgewachsen bin." Der SC München 1906, einst der "Kinderklub" der Fußball-Ikone, ist heute zur SpVgg 06 Haidhausen mutiert. War "Ober- gegen Untergiesing" - seine Lieblingspaarung, um ein niveauloses Spiel zu kennzeichnen - also ein großer geografischer Irrtum?

An den Wänden hängen Trikots und Wappen, Holztische und -stühle sorgen auf 40 Quadratmetern für das typische Flair eines Vereinsheims. Dass Beckenbauer bei seinem Erstlingsklub auftaucht, ist aber - natürlich - kein Zufall. Bezahl-TV-Sender Sky (früher Premiere) hat das naturbelassene Ambiente als Symbol dafür gewählt, dass es den Fernsehmachern vor allem um die Wurzeln des Spiels geht, und neben Beckenbauer auch die anderen Experten eingeladen: DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, der mit schwindendem Haar und Brille auch äußerlich immer mehr seinem intellektuell-analytischen Image entspricht. Ottmar Hitzfeld, Schweizer Nationaltrainer, der geniale Stratege, und Neuzugang Lars Ricken, mit 33 Jahren das Küken in der Riege. Einzig Stefan Effenberg fehlt. Klar, hier gilt es, den Konkurrenten von T-Home ("Liga Total!") auszustechen.

Beckenbauer versprüht seine nonchalante Leichtigkeit, mit der er immer mal wieder seinen früheren Aussagen entschwebt. Dabei bebt die Fußball-Republik jedes Mal, wenn die Lichtgestalt zum Scharfrichter wird. Wie zuletzt bei Franck Ribéry, dem er einen Legionärscharakter bescheinigt hat. Der wie immer braun gebrannte Franz lächelt und sagt: "Ja mei, es war ein Fehler zu sagen, dass dem Franck München scheißegal sei." Und überhaupt: "Sie wissen doch, wie ich das meine, wenn ich flapsig sage: Die Bayern werden Meister, wer sonst? Natürlich kann die Konkurrenz den Münchnern den Titel streitig machen." Beckenbauer versucht mit diesen Sätzen zu umdribbeln, was längst Fakt ist: die ständig wachsende Bedeutung der Meinungsmacher.

Ob Beckenbauer und Co. bei Sky oder Günter Netzer und Oliver Kahn bei den Öffentlich-Rechtlichen - sie sind es, die den Fußball-Stammtischen die Munition für die Diskussionen liefern, sie sind die Taktgeber der öffentlichen Meinung. Wer will schon der geballten Kompetenz dieser Denkfabrik widersprechen, die unzählige Titel vorzuweisen hat? Ihre Thesen finden Widerhall in den zahlreichen Analysesendungen, werden in Zeitungen weiterverarbeitet und finden so den Weg zum Endverbraucher, der ab sofort für bestimmte Themen sensibilisiert ist.

Auch bei der SpVgg Haidhausen hat, obwohl der Klub nur in der Kreisklasse Ost kickt, die Moderne Einzug gehalten. Der Platz erstrahlt in sattem Grün - ein Kunstrasen. Vor dem Klubheim dreht sich ein Spanferkel, der TV-Sender serviert deftige Kost. Ein Saisonbeginn ist immer die Hochzeit der Auguren, der Einschätzungen. "Ich bin kein Hellseher", betont Beckenbauer, "aber ich glaube an die Bayern als Meister, weil Louis van Gaal die Mannschaft anders im Griff hat als Jürgen Klinsmann. Er hat es am Schluss nicht geschafft, die Mannschaft zu dirigieren, sie ist ihm aus der Hand geglitten." Wer die Bayern jagen könne? "Ich glaube, dass der HSV noch am ehesten rankommt."

Überhaupt, der HSV o. S., ohne Sportchef. Beckenbauer adelt Kandidat Oliver Kreuzer, der früher mal für die Bayern gespielt hat und sogar als Nachfolger für Uli Hoeneß im Gespräch war: "Ich halte sehr viel von ihm. Oliver Kreuzer kann ein Spiel und Spieler beurteilen, er hat die nötige Erfahrung als Profi gesammelt und bei seinen Stationen in der Schweiz und in Österreich. Mit ihm würde der HSV nicht falschliegen." Die Hamburger haben schon einige Wochen Suche hinter sich, aber Beckenbauer empfindet es nicht als eilige Baustelle.

Auch die Deutsche Fußball-Liga ist an diesem Abend prominent vertreten: Christian Seifert, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Fußball-Liga (DFL), dokumentiert mit seiner Anwesenheit, dass sich die früher frostigen Beziehungen Normaltemperatur genähert haben. Äußerlich dokumentiert wird die Nähe dadurch, dass Sky einer der wenigen offiziellen Partner der Bundesliga ist, die ansonsten den Aufbau eines eigenen TV-"History-Channel" plant. Die professionelle Zusammenarbeit für eine optimale Vermarktung soll aber kritische Distanz dennoch nicht verhindern.

Seifert macht Werbung für den neuen Spielplan: "20.15 Uhr an einem Sonnabend hat nicht funktioniert, aber ich bin fest überzeugt, dass der deutsche Markt den Termin um 18.30 Uhr annimmt." Über 20 Livestunden kann der zahlende Fan von Freitag bis Montagabend inhalieren, sofern er die Zeit und das nötige Sitzfleisch besitzt. Neu ist am Sonntagabend die Sendung Sky90, in der Moderator Patrick Wasserziehr erlesene Gäste empfängt. Zur Premierenausgabe kommen Felix Magath und Alfred Draxler von "Bild". Seine Zeitung darf jeweils ab Montag die Spiele im Internet zeigen.

Auch Sammer hat für den HSV sehr wohlwollende Worte übrig und hebt ihn in den Kreis der Meisterkandidaten: "Der Klub hat sich gut und punktuell verstärkt, eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern zusammen. Ich glaube auch, dass Jerome Boateng noch den nächsten Schritt schaffen kann." Er meint den Sprung von der U-21-Auswahl zum A-Team.

Im Vergleich zum bewährten Ottmar Hitzfeld, dem früheren Bayern-General, der mit seiner natürlichen Autorität und schnörkellosen Worten seine Meinung vertritt, ist Lars Ricken der junge Gegenentwurf. Seine Freundin, Andrea Kaiser, arbeitet ab dieser Saison bei Sat.1. "Reiner Zufall", sagt Ricken, und es wird klar: Es ist doch eine ziemlich große Fußballfamilie. Am Ende erfährt Beckenbauer, dass die SpVgg Haidhausen auf der Grenze zu Giesing liegt. Die kaiserliche Ordnung ist also doch nicht aus den Fugen geraten.