Er schoss den HSV in die Europa League. Ob der Nationalspieler bleibt, ist dennoch ungewiss. Twentes Elia könnte ihn beerben.

Frankfurt/Hamburg. Es ist eben alles Ansichtssache. Während es aus Dennis Aogo nur Minuten nach dem erlösenden 3:2 bei Eintracht Frankfurt heraussprudelte, dass sich der geglückte Einzug in die Europa League wie ein Titelgewinn anfühle, sprach Piotr Trochowski kurze Zeit später vor der Kabine von einem "Trostpflaster" nach den drei verpassten Titelchancen.

Nein, der 25-Jährige wollte trotz seines erstklassig gestandenen Saltos nach seinem Tor nicht als strahlender Superheld für ein Finale dienen, das in seiner Dramatik dem Saisonverlauf des HSV ähnelte - bis eben auf den Ausgang.

Als sich der 25-Jährige warm lief und er von draußen zuschauen musste, wie seine Kollegen 2:0 in Führung gingen, dachte er sich: "Okay, ich muss heute nicht rein, das wird auch so reichen und ich kann mein lädiertes Sprunggelenk schonen." Wie tief frustriert der Mittelfeldspieler war, dass ihn Trainer Martin Jol wie gegen Köln aus der Startformation verbannt hatte, konnte er aber nicht verbergen: "Natürlich hätte ich gerne gespielt", grummelte er. "Der Trainer hat es anders gesehen. So hat es auch funktioniert, würde ich sagen."

Es funktionierte, weil ihn Jol nach dem 2:2-Ausgleich, den die HSV-Elf in erschreckend sorgloser Art und Weise ermöglichte, 20 Minuten vor Spielende doch noch einwechselte. In der ersten Minute der Nachspielzeit gelang dem Joker (aus Abseitsposition) der Siegtreffer. "In seinem Schuss war wohl eine gute Portion Ärger dabei", schmunzelte Jol. Dass ausgerechnet der Spieler, mit dessen Leistungen Jol in den letzten Wochen unzufrieden war, für das glückliche Ende sorgte und damit womöglich ein längeres Verbleiben des Trainers in Hamburg ermöglichte (siehe Bericht unten), passt zu dieser verrückten, häufig dramatischen und immer emotionalen Saison.

Ende gut, alles gut? Nicht für Trochowski: "Alles gut ist nichts. Wir sind glücklich im Europapokal, weil Dortmund gestrauchelt ist. Wenn man dreimal die Chance auf einen Titelgewinn hat und sie nicht nutzt, ist das schon enttäuschend, das darf man nicht schönreden. Da müssen wir einfach cleverer sein."

Ob er in der kommenden Saison zu einhundert Prozent dabei mithelfen werde? "Bis jetzt ja. Reicht das?" Ein klares Bekenntnis trotz eines Vertrages bis 2011 sieht anders aus.

Die Problematik liegt auf der Hand: Weil Trochowski in dieser Saison in der Nationalmannschaft zum Stammspieler aufgestiegen ist und auch für den HSV bis auf das Saisonende starke Leistungen abgeliefert hat, kann und will er sein Reservistendasein nicht mehr akzeptieren und fühlt sich in seiner Entwicklung behindert. Dass er als Hamburger zudem in der Öffentlichkeit einen Bonus genießt, verstärkt sicher das Gefühl der Stärke.

Das bis zur Überschätzung reicht? Jol erwartet noch viel mehr. Drei Tore und zwei Torvorlagen in der Rückrunde sind ihm viel zu wenig. Seine Kritik äußert er jedoch nur indirekt: "Piotr hat gezeigt, dass er ein sehr guter Spieler für uns sein kann."

Schon früher kokettierte der ehrgeizige Trochowski mit dem Interesse englischer Klubs. Die Frage ist: Könnte ihm dort der nächste Karriereschritt gelingen? Sollte dem HSV in den kommenden Wochen ein Millionen-Angebot vorgelegt werden, würde sich der Vorstand dieses sicher genau anschauen, zumal mit Eljero Elia schon ein Nachfolger gehandelt wird.

Der 21-jährige U-21-Nationalspieler, der in den Niederlanden als riesengroßes Talent gilt, erreichte mit Twente Enschede gerade die Vize-Meisterschaft und hat starkes Interesse an einem Wechsel zum HSV geäußert. Allerdings hat vergangene Woche auch Louis van Gaal, der in der kommenden Saison den FC Bayern trainiert, die Fühler nach dem 1,76 Meter großen, schnellen Flügelstürmer ausgestreckt.

Elia entspricht eher Jols Profil von einem Außenspieler, der häufig bis zur Grundlinie vordringt. Mit rund acht Millionen Euro Ablöse müssten die Dienste des Niederländers allerdings teuer erkauft werden.

Dass auch die Mannschaft qualitative Verstärkungen erwartet, machte wie letzte Woche Marcell Jansen auch Mladen Petric deutlich: "Wir brauchen mehr Qualität in der Mannschaft. Echte Siegertypen, nicht nur Spieler, die sich bei anderen Klubs nicht durchgesetzt haben. Der ein oder andere im Winter verpflichtete Spieler hat uns sicher geholfen, andere aber nicht."

Worte, die in der Vereinsführung sicher nicht gerne gehört werden, auch wenn die Erwartungen in die gleiche Richtung gehen. "Es wäre kaum zu ertragen gewesen, hätten Dortmund und Hertha darum gekämpft, am 12. Mai das Finale der Europa League in unserem Wohnzimmer, der Nordbank-Arena, zu bestreiten", nannte Klubchef Bernd Hoffmann Zielsetzungen, die auch einem Trochowski gefallen müssten.