Der HSV schaut beim Europa-League-Finale (20.45 Uhr im Liveticker) nur zu und blamiert sich bei der Sportchef-Suche - Guerrero-Zukunft offen.

Hamburg. Es ist angerichtet. Fans aus 130 Ländern werden am Mittwoch (20.45 Uhr, live auf abendblatt.de im Ticker und bei Sat.1) zuschauen, wenn es zwischen Atlético Madrid und dem FC Fulham in der feierlich geschmückten HSV-Arena um die Krone der Europa League geht. Mehr als 6000 Volontäre sind im Einsatz, 200 Fahrdienste wurden engagiert, um die nationale und internationale Fußballprominenz zu chauffieren.

Dem HSV kommt als Gastgeber nur die Zuschauerrolle zu, ist also mittendrin, aber nicht dabei. Noch ein letztes Mal müssen die Hamburger den Frust ertragen, dass die HSV-Profis im Halbfinale ausgeschieden sind und nicht selbst um den Titel kämpfen dürfen.

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So sehr der sportliche Aspekt schmerzt, so froh dürften die Verantwortlichen darüber sein, dass der Klub in diesen Tagen nicht in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückt. Schließlich gibt der Stadioneigner derzeit ein insgesamt verheerendes Bild ab.

In der Bundesliga ins Niemandsland abgestürzt, rutscht der seit der Demission von Dietmar Beiersdorfers sportlich orientierungslos wirkende Klub immer tiefer in die Führungskrise.

Während die Trainersuche nach der Entlassung von Bruno Labbadia gerade erst angelaufen ist, wurde nun auch die Sportchef-Baustelle neu eröffnet, nachdem Urs Siegenthaler vom Aufsichtsrat nicht in den Vorstand berufen wurde. Dem Schweizer soll in den nächsten Wochen ein weiterer "Vorstand Sport" vorgesetzt werden - und das, obwohl Siegenthaler vor der Aufsichtsratssitzung genau für dieses Szenario seinen Rückzug angekündigt hatte.

Wie das zusammenpassen soll? Nach der Aufsichtsratssitzung sickerte am Dienstag durch, dass auch über ein Modell diskutiert wurde, in dem der neue Mann im Vorstand eher repräsentative Pflichten hätte. Ins Gespräch gebracht wurde der Name Helmut Benthaus, der als Spieler 1964 mit Köln und als Trainer 1984 mit Stuttgart deutscher Meister wurde, aber schon 75 Jahre alt ist. Klar scheint weiter: Sollte Siegenthaler in seiner Gesamtverantwortung beschnitten werden, wird er niemals seinen Dienst antreten, auch wenn der Schweizer nach der Sitzung mitteilen ließ: "Das Amt ist mir nicht wichtig. Ich freue mich auf meine Aufgabe."

Allerdings beginnt diese erst am 1. August. Bis dahin ist Siegenthaler für den DFB im Rahmen der WM unterwegs. Wer jetzt die Suche nach dem neuen Trainer führt? "Der Vorstand", so die selbstverständlich klingende, betont kurze Antwort von Chefkontrolleur Horst Becker.

Dabei macht die Frage gleich aus mehreren Gründen Sinn. Schließlich muss der Trainer letztlich zur Vereinsphilosophie passen. Und die gibt Siegenthaler vor. Oder doch der neue Vorstand Sport? "Beide", so Becker.

Doch was so einfach klingt, hatten sich Becker und seine Kollegen in der Sitzung längst nicht so einfach gemacht. Dort wurde dem Vorstand klar gesagt, dass die Saison als Misserfolg und demnach dem direkt verantwortlichen Vorstand angelastet würde. "Das Projekt Hoffmann/Kraus ist gescheitert", hatte Becker zwar schon via NDR 90,3 wissen lassen - damit aber vor allem das Fehlen eines Sportchefs kritisiert.

Nach dem Scheitern der beiden Vorstandsvorschläge Roman Grill und nun Siegenthaler scheinen die Aufsichtsräte das Vertrauen in den Vorstand bezüglich der auch von ihnen lange unterschätzten Personalie des Sportchefs verloren zu haben und wollen die Suche jetzt selbst in die Hand nehmen. "Wir haben Kriterien festgelegt", so Becker nach der Montagssitzung, "und nach denen werden wir suchen."

Zeit benötigen Vorstand und Aufsichtsrat auch bei der Personalie Paolo Guerrero, dessen Vertragsverlängerung (3,5 Millionen Euro Gehalt im Jahr) am Montag von den Räten abgenickt werden sollte, letztlich aber gar nicht zur Abstimmung kam. Zu viele Kontrolleure waren nach dem Flaschenwurf des Peruaners offenbar gegen eine weitere Zusammenarbeit - auch, weil der Vorstand angekündigt hatte, bei der Kaderplanung künftig vermehrt auf die Charakterstärke jedes einzelnen Spielers Wert legen zu wollen. 14 Tage könnten die Gespräche mit Guerrero dauern, kündigte Becker an - Tendenz offen.

In Geduld üben muss sich auch Interimstrainer Ricardo Moniz, der bis Dienstag Klarheit über seine Zukunft haben wollte. Nach einem Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann vertagte man sich jedoch. Bundestrainer Joachim Löw ist als Moniz' Konkurrent ausgeschieden. Er werde nach der WM keinen Job in einem Verein annehmen, sagte Löw.

Immerhin, wenigstens einer hat beim HSV Klarheit. Ruud van Nistelrooys Traum von einer WM-Teilnahme ist geplatzt. Der Stürmer gehört nicht zum 30 Mann starken Kader des niederländischen Bondscoachs Bert Marwijk, was kaum verwundert. Schließlich sind Happy Ends derzeit anderen Teams vorbehalten. Wie Fulham oder Madrid.