Bei einer Niederlage gegen Gastgeber Ukraine droht das Vorrunden-Aus und die unter Blanc entstandene Aufbruchstimmung könnte kippen.

Donezk. Sieg - oder „Südafrika“: Die Angst vor einem Desaster in Glutofen von Donezk drückt bei den Franzosen gehörig auf das Betriebsklima. Ein drohendes EM-Aus, der Streit mit den Medien und Spekulationen um die Zukunft von Trainer Laurent Blanc stören die Konzentration auf das Wesentliche. Denn die Equipe Tricolore steht schon im zweiten Gruppenspiel am Freitag gegen Gastgeber Ukraine (18.00/ZDF und im Liveticker auf abendblatt.de) am Scheideweg.

Les Bleus wandeln auf einem schmalen Grat. Ideal wäre ein überzeugender Sieg, sonst drohen Verhältnisse wie bei der WM 2010 in Südafrika, als die Franzosen das Bild eines zerstrittenen Haufens abgaben. Verbandspräsident Noel Le Graet hat seine Reisepläne schon kurzfristig geändert und seinen Aufenthalt im Trainingsquartier spontan verlängert. „Ich wollte hier präsent sein, weil wir eine schwierige Phase durchmachen. Ich bin aber nicht da, um die Spieler zu überwachen. Ich bleibe im Hintergrund“, begründete der 71-Jährige.

Ein Rumoren ist in der Heimat bereits vernehmbar. Und das nicht nur wegen der Affäre um Samri Nasri, der nach seinem Ausgleichstreffer gegen England (1:1) mit eindeutigen Gesten in Richtung Pressetribüne seine Privatfehde mit der großen Sportzeitung L'Equipe weltweit demonstrierte. Die Medien sind nicht zimperlich, im Mittelpunkt der Kritik steht die Aufforderung an Frankreichs „einzige Weltklassespieler“, Franck Ribéry von Bayern München und Karim Benzema von Real Madrid, „sich endlich zu zeigen“ und - anders als beim Frust-Auftakt gegen England (1:1) - ihre Offensivqualitäten auszuspielen.

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Die Franzosen können auf eine stolze Serie von 22 Spielen ohne Niederlage unter Blanc verweisen - doch bei großen Turnieren ist die Equipe Tricolore seit acht Spielen ohne Sieg, seit dem 1:0 gegen Portugal im Halbfinale der WM 2006. Wieder droht ein Scheitern in der Vorrunde.

Besonders der erfahrene Ribéry (61 Länderspiele/10 Tore), der sich mit insgesamt drei Treffern in drei Testspielen in Hochform präsentierte, würde nicht genug Einfluss auf das Spiel nehmen und Benzema sich zu weit zurückfallen lassen, bemängeln die Journalisten. Trainer Blanc wirkte irritiert und fragte zurück: „Habt ihr mal gesehen, wie Benzema bei Real spielt? Genau so.“ Er gab allerdings zu dass man noch mehr Tempo, Klarheit und Durchschlagskraft in die Aktionen bringen müsse.

Auch mit den klimatischen Bedingungen haben die Franzosen so ihre Probleme. „Wir haben gegen England alles versucht, aber es war sehr heiß und sie haben uns kaum Luft zum Atmen gelassen“, meinte Ribéry. Für Freitag sind erneut 33 Grad angesagt. Und auch die Ukrainer, Mannschaft und Zuschauer, werden den Franzosen gehörig einheizen.

Mit einem weiteren Sieg hätte die „Sbrina“ das Viertelfinale erreicht und zudem ihren Donezk-Fluch abgelegt: In der Donbass-Arena konnte sie bei keinem der bisherigen fünf Auftritte gewinnen (zwei Unentschieden, drei Niederlagen) und verlor dort auch schon gegen Frankreich (1:4 am 6. Juni 2011). Trainer Oleg Blochin macht sich nichts aus Statistiken und versucht die Euphorie nach dem Auftaktsieg gegen Schweden (2:1) zu bremsen: „Noch ist nichts erreicht.“

Sein Kollege Blanc bemüht sich derweil um Hamonie und Ruhe im EM-Quartier, wenngleich bereits Spekulationen um seine Zukunft blühen. Denn sein Vertrag mit dem Verband endet nach dem Turnier, und wenn es schlecht läuft schon am Dienstag (20.45 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) nach dem letzten Gruppenspiel in Kiew gegen Schweden.

Der Ex-Nationalspieler hatte schon vor zwei Monaten Interesse an einer Tätigkeit bei einem Klub angdeutet. Dazu Verbands-Boss Le Graet: „Diese Frage habe ich mir noch nicht gestellt. Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis. Er ist sehr nett, lebendig und hat einen sehr positiven Siegeswillen. Aber man muss auch die Ergebnisse sehen. Ich habe ihm vor dem Turnier gesagt: Wir setzen nach der EURO zusammen, egal was passiert.“ Das könnte schon bald passieren.