Heute reist die Nationalmannschaft in ihr Quartier nach Danzig. Bastian Schweinsteiger ist fit. Das DFB-Team wird sich abschotten.

Danzig. Natürlich hat Oliver Bierhoff nicht bei Rod Stewart angerufen. Hätte sich der DFB-Manager aber beim englischen Rock- und Pop-Sänger nach dem bereits vor Monaten ausgewählten EM-Quartier der deutschen Nationalmannschaft erkundigt, würde er vielleicht sogar mit einem noch besseren Gefühl den heutigen Flug um 13.35 Uhr aus Frankfurt nach Danzig antreten. Gleich zweimal nächtigte Stewart im Fünfsternehotel Dwor Oliwski, auch seine australische Pop-Kollegin Kylie Minogue sowie insgesamt vier polnische Präsidenten ließen es sich in dem reetgedeckten Komplex unweit des polnischen Ostseestrandes gut gehen. "Wir haben ein Hotel gefunden, wo wir eine entspannte, familiäre Atmosphäre aufbauen können, und wo wir exklusiv für uns sind, auch für einen längeren Zeitraum", sagt Bierhoff, der hofft, dass dieser "längere Zeitraum" bis zum Tag des Endspiels am 1. Juli sein wird.

Witamy w Euro 2012 , Willkommen bei der EM 2012, heißt es heute für die deutsche Mannschaft, wenn sie nach dem Flug mit der gecharterten Boeing 747-8 am Nachmittag in Danzig landet. Nach dem achttägigen Rumpftrainingslager in Sardinien, bei dem sowohl die Bayern als auch zu großen Teilen die Dortmunder und die Madrilenen Mesut Özil und Sami Khedira fehlten, der knapp zweiwöchigen Vorbereitung im verregneten Südfrankreich und den beiden mehr oder weniger erfolgreichen Testspielen gegen die Schweiz (3:5) in Basel, sowie gegen Israel (2:0) in Leipzig geht die EM-Mission für Joachim Löw und seine Mannschaft heute in Polen also so richtig los. Für den Abend hat Löw bereits die erste Trainingseinheit in Danzig angesetzt, bei der bis zu 10 000 Fans erwartet werden.

Ab morgen will sich der Bundestrainer dann nicht mehr öffentlich in die Karten schauen lassen. Zweimal am Tag möchte er bis einschließlich Donnerstag ohne Zuschauer auf dem hoteleigenen Trainingsplatz, der mit 105 mal 58 Metern kurioserweise zehn Meter zu schmal ist, an der Taktik für das Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen Portugal am Sonnabend (20.45 Uhr/ARD) in Lwiw feilen. "Wir müssen die ganze Woche fokussiert arbeiten", sagt Löw, der besonders das frühzeitige Pressing verfeinern möchte. Denn obwohl die deutsche Mannschaft nach der erfolgreichen WM 2010 immer wieder in der Defensive verwundbar schien, will Löw an seiner extrem offensiven Grundausrichtung so kurz vor der Europameisterschaft nichts ändern.

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Schweinsteiger zum EM-Auftakt wieder fit

Deutschlands Startelf für das Duell mit Portugal will Löw frühestens nach der Ankunft im ukrainischen Lwiw am Freitagvormittag benennen, ehe am Abend das Abschlusstraining im EM-Stadion auf dem Programm steht. Bis dahin müssen sich vor allem die zuletzt angeschlagenen Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Miroslav Klose im Training anbieten. Besonders Schweinsteiger, der für seine lädierte Wade ein Spezialprogramm am Wochenende absolvierte, steht unter Beobachtung. "Bastian hat überhaupt keine Probleme mehr, keine Schmerzen. Er wird weiterbehandelt, wir gehen aber davon aus, dass er am Montag erstmals wieder mit der Mannschaft trainieren kann", sagte Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt der Münchner TZ. Der Bayern-Profi habe "natürlich noch ein bisschen Rückstand, aber ich gehe davon aus, dass er gegen Portugal endgültig fit ist".

Durch und durch fit ist Kapitän Philipp Lahm, mit dem Löw trotzdem noch ein Vieraugengespräch in den nächsten Tagen führen möchte. Der 52-Jährige will im Dialog mit dem Münchner entscheiden, ob Lahm gegen Portugal auf der linken Abwehrseite, wie zuletzt gegen Israel, oder auf der rechten Seite, weil er dort auf Real Madrids Superstar Cristiano Ronaldo treffen würde, spielen soll. Wahrscheinlich ist, dass Jerome Boateng rechts und Lahm links verteidigt, da Löw seine Abwehr nicht wegen eines Gegenspielers umbauen möchte. Im Abwehrzentrum dürfte Mertesacker trotz seiner langen Verletzungspause den Vorzug gegenüber Herausforderer Mats Hummels bekommen. Eine endgültige Entscheidung soll aber in beiden Fragen erst in den kommenden Tagen getroffen werden.

Bis dahin sollte sich die DFB-Entourage auch bestens eingelebt haben in ihrer exquisiten Herberge, um die sich vergeblich auch die Auswahlmannschaften von Spanien, Schweden und Frankreich bemüht hatten. Trotz größtmöglicher Abgeschiedenheit liegt der "Olivenhof", so die deutsche Übersetzung, sehr viel zentraler als vor zwei Jahren das WM-Quartier in Südafrika. Vom Hotel Velmore ist lediglich in Erinnerung geblieben, dass kurz vor Turnierbeginn ein toter Frosch im Pool lag. Im Dwor Oliwski, so die letzten Informationen, soll der Hotelpool dagegen sauber, überdacht und zumindest gestern auch froschfrei gewesen sein.

Abendblatt-Redakteur Kai Schiller schreibt täglich aus Polen einen Brief an Hamburg www.abendblatt.de/schillersbriefe