Bagnols-en-Forêt. Hallo Hamburg,

in meinem Familien- und Freundeskreis ist es ja kein großes Geheimnis, dass ich ein eher selektiver Gourmet bin. Regel 1: Ich esse nichts, was aus dem Wasser kommt. Kein Fisch, kein Seafood, keine Muscheln. Und wenn eine Kuh baden geht, dann esse ich sie auch nicht mehr. Regel 2: Ich esse so ziemlich alles, was fliegen kann oder an Land lebt (am liebsten Kühe, die nicht schwimmen gehen). Ausnahme 1 von Regel 2: Glitschige Kreaturen wie Schnecken, Golums oder Frösche, von denen letztere ja ohnehin mehr im Wasser als an Land leben und damit streng genommen unter Regel 1 fallen, esse ich auch nicht.

Dass aber ausgerechnet Frankreich als Mutterland der „Glitsch-Gourmets“ gilt, kann ich spätestens seit gestern Abend bestens verstehen. Im Restaurant habe ich zwar noch brochettes de boeuf (Rinderspieß) bestellt, gegessen und genossen, aber drei Stunden später hätte ich beinahe tatsächlich erstmals in meinem Leben zu Froschschenkeln gegriffen. Dabei muss ich allerdings gestehen, dass meine Absicht, Ausnahme 1 von Regel 2 zu brechen, weniger mit einer plötzlichen kulinarischen Probierlust zu tun hatte, als viel mehr mit der Tatsache, dass so ein grünes Mistvieh mit seinem nächtlichen Gratiskonzert mich um einen Großteil meines so wohlverdienten Schlafs gebracht hat. Mir blieb letztendlich nur die Hoffnung, dass heute Abend auf der Karte cuisses de grenouilles (Froschschenkel) im Tagesmenü angeboten werden.

In dem Sinne, à demain,

Kai Schiller

Abendblatt-Redakteur Kai Schiller begleitet die deutsche Nationalmannschaft vor und während der EM. Jeden Tag schreibt er einen Brief an Hamburg, derzeit aus dem Trainingslager in Südfrankreich