Hallo Hamburg,

weil es wahrscheinlich langweilig wäre, erneut über das miese Wetter hier zu lamentieren, habe ich mich im Land der Grande Nation zu einem Geständnis durchgerungen: Ich bin ein echter Kulturbanause, was mir im von Hamburg weit entfernten Bagnols-en-Forêt gleich dreifach peinlich ist. Erstens, weil Frankreich als das Kulturland schlechthin gilt, was ich als Kulturbanause aber eigentlich gar nicht so genau wissen kann. Zweitens, weil meine Schwester in Kultur macht, was ich selbst als Kulturbanause wissen muss und sogar weiß. Und drittens, weil ich zunächst auf Wikipedia nachlesen musste, was dieser andere Schiller eigentlich mit seinen Briefen bezwecken wollte. Und bevor hier irgendwelche Missverständnisse aufkommen: Im Gegensatz zu meinem Namensvetter Friedrich, nicht verwandt oder verschwägert, habe ich nicht vor, über die ästhetische Erziehung der Menschen zu referieren, ich will mich auch nicht mit Kants Ästhetik auseinandersetzen und möchte mich noch nicht mal mit der Französischen Revolution beschäftigen. Über die Französische Revolution der Nationalspieler Patrick Evra, Nicolas Anelka und Franck Ribéry bei der WM 2010 in Südafrika wurde ohnehin mehr als genug berichtet. Dem Münchner Ribéry, das konnte ich sogar mit meinem rudimentären Schul-Französisch bei den philosophischen Bar- und Café-Gesprächen hier mitbekommen, haben die Franzosen allerdings noch immer nicht so recht verziehen. Wer aber an seinem Schmerz festhält, der bestraft sich letzten Endes selbst. Das hat nicht Schiller geschrieben, sondern Leo F. Buscaglia gesagt. Der ist zwar kein Franzose, sondern US-Amerikaner. Recht hat er aber trotzdem, auch wenn ich das als Kulturbanause natürlich nur erahnen kann.

In dem Sinne, à demain,

Kai Schiller

Abendblatt-Redakteur Kai Schiller begleitet die deutsche Nationalmannschaft vor und während der EM. Jeden Tag schreibt er einen Brief an Hamburg, derzeit aus dem Trainingslager in Südfrankreich