Der Bayern-Stürmer erzielt beide Treffer gegen sein Geburtsland. Erster deutscher EM-Sieg seit dem bisher letzten Titelgewinn 1996.

Klagenfurt. Bundestrainer Joachim Löw ballte die Fäuste, die Spieler mit den weißen Trikots und den schwarzen Hosen lagen sich in den Armen: Nach zwölf Jahren, nach dem Titelgewinn 1996 in England, hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei einer EM wieder ein Spiel gewonnen. Der Gegner war dafür von der Statistik her prädestiniert: Polen. Gegen unsere Nachbarn hat die Nationalelf bislang nie verloren. Beide Treffer zum 2:0 erzielte Lukas Podolski. Den hatte Löw ins linke offensive Mittelfeld beordert; eine gelungene Maßnahme wie der Einsatz von Clemens Fritz auf der anderen Seite. Über die Außenpositionen entschieden die Deutschen die Begegnung.

Es bedurfte vier Minuten Spielzeit, um potenzielle Stärken und Schwächen des deutschen Teams zu erkennen. Nach 40 Sekunden griff der zuletzt umstrittene Torhüter Jens Lehmann, behindert von Per Mertesacker, nach einer Flanke am Ball vorbei. Jacek Krzynowek fehlten die technischen Qualitäten, den Patzer zu nutzen. Aus 15 Metern schoss er übers Tor.

Drei Minuten später zeigte die deutsche Elf erstmals ihr anderes Gesicht, jenes, das sie zu einem Mitfavoriten bei dieser EM macht. Michael Ballack spielte Miroslav Klose mit einem genialen Pass frei. Der Bayern-Stürmer lief allein auf Torhüter Artur Boruc zu, passte quer zu Mario Gomez, aber nicht genau genug. Der Stuttgarter konnte den Ball nur mit den Stollen berühren, die Kugel rollte am Pfosten vorbei.

Chancen wie diese erhält man nicht oft in einem Spiel, diesmal mussten die Deutschen nur 16 Minuten auf die nächste der Güte warten. Gomez' Pass öffnete den Weg für Klose zum Tor, der legte präzise quer zu Podolski, und der war so frei, aus acht Metern die 1:0-Führung zu erzielen. Sie hatte indes einen - nicht geahndeten - Schönheitsfehler: Klose stand um Zentimeter im Abseits. Das Tor hätte nicht zählen dürfen. Dass Podolski über seinen 29. Treffer im Nationaltrikot nicht jubelte, mag seiner Herkunft geschuldet sein. Der gebürtige Pole hätte sicherlich gegen einen anderen Gegner lieber getroffen.

Turbulent wie die Anfangsphase verlief fast das gesamte Spiel, temporeich, mit vielen attraktiven Szenen, aber auch mit einer Portion Hektik. Dazu trugen beide Abwehrreihen bei, die den Begriff Raumdeckung oft allzu wörtlich nahmen. Bundestrainer Löw trieb es deshalb ständig zum Spielfeldrand, um "Ordnung, Ordnung" zu brüllen, weil die Lücken zwischen Angriff und Mittelfeld groß wurden und die Polen zu Chancen kamen. Worte, die lange verhallten, wie der Versuch, von außen mit beschwichtigenden Gesten Ruhe ins deutsche Spiel zu bringen. Wenigstens war Lehmann inzwischen auf dem Posten, das erste Mal bei einem Schuss Wojciech Lobodzinskis (28. Minute), später immer öfter. Flattern tat bloß noch der Ball. Lehmanns beste Tat: In der 84. reagierte er bei einem Kopfball Ebi Smolareks aus vier Metern meisterhaft. Und auch die Innenverteidiger Mertesacker und Christoph Metzelder wuchsen mit ihren Aufgaben, stopften Löcher und stoppten Angreifer. Aber Polen war trotz zahlreicher guter deutscher Möglichkeiten erst verloren, als Podolski ein zweites Mal Maß nahm.

Der eingewechselte Bastian Schweinsteiger hatte im polnischen Strafraum den Ball erkämpft, Klose traf ihn nicht voll, Podolski aus zwölf Metern umso besser - 2:0 in der 72. Minute. Und auch sein 30. Länderspieltreffer zauberte kein Lächeln auf das Gesicht des 23-Jährigen. "Das gebietet der Respekt gegenüber meiner großen Familie, die teilweise in Polen lebt", sagte Podolski später. Dafür sangen die deutschen Fans ausgelassen: "Oh, wie ist das schön!"


Deutschland: Lehmann - Lahm, Mertesacker, Metzelder, Jansen - Fritz (55. Schweinsteiger), Ballack, Frings, Podolski - Klose (90.+1 Kuranyi), Gomez (75. Hitzlsperger).

Polen: Boruc - Wasilewski, Zewlakow, Bak, Golanski (75. Saganowski) - Lobodzinski (65. Piszczek), Lewandowski, Dudka, Krzynowek - Smolarek, Zurawski (46. Guerreiro).

Tore: 1:0 Podolski (20.), 2:0 Podolski (72.).

Schiedsrichter: Övrebö (Norwegen). Zuschauer: 32 000. Gelb: Schweinsteiger - Smolarek, Lewandowski. Statistik: Torschüsse: 12/14 - Ecken: 4/3 - Fouls: 13/18 - Ballbesitz: 52/48 Prozent.