Hamburg. Der Geschäftsleiter des Kiezclubs stellt auch DFB-Präsident Grindel infrage. Die Antwort kommt prompt.

Andreas Rettig, kaufmännischer Geschäftsleiter des FC St. Pauli, hat in einem Beitrag für das Fachmagazin „Kicker“ die Spitzenverbände und -vereine in Deutschland kritisiert. „Die gesellschaftliche Verantwortung des Profifußballs darf nicht für die (vermeintliche) Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit geopfert werden“, schrieb Rettig mit Blick auf die Forderung nach einer Abschaffung der 50+1-Regel, die den Einstieg von Investoren erschwert.

Zudem hinterfragte Rettig in seinem Thesenpapier die Rolle von Reinhard Grindel als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. „Ein CDU-Politiker als DFB-Präsident, dessen Verband die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung für ein Briefing der Nationalspieler auf die WM 2018 beauftragt: Wäre bei einer SPD-Führung die Friedrich-Ebert-Stiftung zum Zuge gekommen?“, fragte Rettig und forderte „neutrale Instanzen und eine Struktur mit professioneller Führung, die glaubwürdig Werte abseits eigener oder parteipolitischer Interessen verkörpern“.

Der DFB wies die Behauptungen in einer Stellungnahme zurück. „Die von Andreas Rettig getätigten Aussagen sind falsch. Die detaillierten Unterlagen, die die Nationalspieler und den Betreuerstab auf die gesellschaftspolitische Situation in Russland vorbereitet haben, wurden von einer mit internen und externen Experten besetzten DFB-Projektgruppe bereits für den Fifa Confederations Cup 2017 erstellt. 2017 hatte eine Mitarbeiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Moskau die Inhalte freiwillig und auf ehrenamtlicher Basis fachlich überprüft“, teilte der Verband mit.

Rettig beklagt „emotionale Entfremdung“

Von einer Beauftragung der Stiftung oder gar einer Bezahlung durch den DFB könne „keine Rede sein“. Zudem sei Präsident Reinhard Grindel weder in die Erstellung der Papiere eingebunden gewesen, noch habe er dazu persönlich Aufträge erteilt. „Vielmehr hat er nachdrücklich Wert darauf gelegt, dass der DFB in dieser Angelegenheit mit allen wichtigen politischen Stiftungen in Russland und NGOs zusammenarbeitet“, hieß es in dem DFB-Statement weiter.

Rettig hatte zudem im Profifußball eine „emotionale Entfremdung“ ausgemacht. „Es ist ein Fehler, den Blick nur auf den Auslastungsgrad im Stadion zu legen, der zudem durch die No-Show-Raten (verkaufte, aber nicht genutzte Tickets, d. Red.) ein verzerrtes Bild abgibt“, sagte Rettig: „Wo heute – auch beim FC St. Pauli – Sponsorenteppiche auf dem Spielfeld liegen, gab es früher Vorspiele von Jugendteams. Das war oft der Beginn einer emotionalen Nähe zum Club. Mehr Demut in der öffentlichen Darstellung auch bei Social-Media-Auftritten von Spielern würde zu einer engeren emotionalen Bindung zwischen Fan und Verein beitragen.“

In der Deutschen Fußball-Liga (DFL), in der Rettig einst selbst Geschäftsführer war, sieht der Manager „keine Sportkompetenz mehr auf Geschäftsführerebene“. Es fehle „ein klares Bekenntnis zum Kerngeschäft“, sagte Rettig: „Dass keiner der DFL-Vertreter im DFB-Präsidium sportliche Verantwortung in einem Lizenzverein trägt, ist bezeichnend. Gesamtgesellschaftlich sollte sich der Profifußball an die Spitze einer Sportbewegung setzen, um ihm allgemein eine größere Bedeutung zukommen zu lassen. Wenn Grundschüler heute keine Rolle rückwärts mehr machen können, spricht das Bände. Hier könnten frühere Profis in den Schulunterricht integriert werden.“