Dietmar Hopp kann in gewisser Weise nachfühlen, warum ein Hoffenheimer Angestellter mit einem Komplizen Dortmunder Fans beschallte.

Frankfurt am Main/Hoffenheim. Lange war es ruhig um die TSG 1899 Hoffenheim. Jetzt ist dem Wunsch des Fußball-Projektes, wieder in die Schlagzeilen zu geraten, beschieden worden. Doch was man sich als sportlich-erfreuliche Folge der Verpflichtung des neuen Trainers Holger Stanislawski erhoffte, ist dieser Tage lediglich Konsequenz eines immer größer werdenden Skandals, konkret: Eines Beschallungs-Skandal.

Die mutmaßliche Eigeniniative eines Angestellten des Fußball-Bundesligisten aus dem Kraichgau zieht immer weitere Kreise. Neben dem Spiel gegen den Deutschen Meister Borussia Dortmund (1:0) sollen gegnerische Fans bei vier weiteren Begegnungen schon in der vergangenen Saison mit Signaltönen attackiert worden sein.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat Vorermittlungen eingeleitet, wie ein DFB-Sprecher mitteilte. Außerdem sei Hoffenheim zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden.

Der Verein hatte zuvor eingeräumt, dass eine entsprechende Apparatur von einem Mitarbeiter auch bei den Heimspielen in der Saison 2010/2011 gegen Dortmund sowie gegen den FSV Mainz, den 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt aufgebaut gewesen sei. Die umstrittene Akustik-Anlage wurde inzwischen der Polizei übergeben.

Vereinsmäzen Dietmar Hopp hat von all den Vorgängen nach eigener Darstellung nichts gewusst. "Ich weiß bis heute nicht, wovon die Rede ist“, wird der milliardenschwere Unternehmer von der "Bild“-Zeitung (Dienstagsausgabe) zitiert.

Am Sonnabend hatte ein Lautsprecher unterhalb der Tribüne des Dortmunder Fan-Blocks Störsignale ausgestrahlt. Damit sollten die Schmähgesänge gegen Hoffenheims Mäzen Hopp übertönt werden. Am Montag hatte ein Hoffenheimer Vereinsmitarbeiter die alleinige Verantwortung für die Aktion übernommen.

Aussagen von Augenzeugen lassen jedoch Zweifel an der Hoffenheimer Version aufkommen, wonach es sich um einen Einzeltäter gehandelt haben soll. Thilo Danielsmeyer vom Dortmunder Fanprojekt sagte der Nachrichtenagentur dapd, es habe jemand hinter dem Tor gesessen und Zeichen gegeben, sobald Schmährufe ertönten. Dann habe jemand den Signalton ausgelöst.

"Das Gerät wurde definitiv von weiter weg bedient“, sagte Danielsmeyer. Auf hochauflösenden Fotos, die von der Dortmunder Fanseite schwatzgelb.de dapd zur Verfügung gestellt wurden, sind drei Personen direkt neben der Lautsprecheranlage zu erkennen.

1899 droht juristisches Nachspiel

1899 droht wegen des Akustik-Angriffs nun ein juristisches Nachspiel beim DFB und der Staatsanwaltschaft. Am Dienstag teilte der Club mit, dass in der abgelaufenen Saison schon vier Bundesliga-Spiele davon betroffen gewesen seien sollen. Es handele sich nach Aussage des Mitarbeiters um die Partien gegen Dortmund, Mainz, Köln und Frankfurt.

Die Polizei Sinsheim bestätigte am Nachmittag, dass sich ein Angestellter der TSG bei der Kriminalpolizei Sinsheim gemeldet und dort angegeben hat, zusammen mit einem Bekannten der Verantwortliche für die Installation der Lautsprecheranlage beim 1:0 von 1899 gegen Dortmund gewesen zu sein.

Der Beschuldigte habe die "selbst konstruierte und eigenverantwortlich betrieben Apparatur“ mit auf die Dienststelle gebracht. Bislang war von nur einem Verantwortlichen die Rede gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass Verantwortliche der TSG in die Installation involviert waren, hätten sich "bislang nicht ergeben“.

Ob zuvor Beschwerden über solche Angriffe auch bei den vier benannten Spielen eingegangen sind, war in Hoffenheim nicht bekannt.

"Im Moment laufen Vorermittlungen, um den genauen Sachverhalt in Hoffenheim zu klären. Danach wird entschieden, ob vom Kontrollausschuss ein Verfahren eingeleitet wird“, sagte DFB-Mediendirektor Ralf Köttker. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) wollte nach Angaben eines Sprechers den bislang wohl einmaligen Vorfall "nicht kommentieren“ und verwies auf die DFB-Zuständigkeit.

Dietmar Hopp: "Der Mann hat ein Gerechtigkeitsgefühl"

Im Gespräch mit dem Kurpfalz Radio sagte Dietmar Hopp: "Man sollte ja nicht vergessen, dass das nur eine Reaktion auf eine jahrelange Aggression war. Und der Mann hat halt noch irgendwo ein Gerechtigkeitsgefühl. Dass er über das Ziel hinaus geschossen ist - okay.“

Hoffenheim hatte in einer Presseerklärung zuvor ohne Kenntnis über einen zweiten Beteiligten mitgeteilt, "der Mann sei sich der Tragweite seiner Handlung nicht bewusst gewesen und dass die Aktion auch einen eher scherzhaften Charakter haben sollte“.

Der Club hat bereits entsprechende arbeitsrechtliche und disziplinarische Schritte gegen den Mitarbeiter sowie eine unverzügliche Ermittlung eingeleitet. Der Mitarbeiter habe "nach eigener Aussage 'ein Gegenmittel' gegen die aus seiner Sicht nicht mehr erträglichen Beleidigungen“ gegenüber Hopp einsetzen wollen.

Die zuständige Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte am Montag bestätigt, dass ein BVB-Fan aus Pforzheim Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt hat. "Wir müssen prüfen, ob überhaupt eine Straftat vorliegt – das ist keinesfalls sicher“, sagte der Heidelberger Staatsanwalt Florian Pistor am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Die Polizei müsse nun prüfen, ob man mit diesem Gerät und dem entstehenden Schall überhaupt eine Körperverletzung begehen kann. "Wenn man nur jemanden mit Geräuschen belästigt, ist das keine Straftat“, betonte Pistor. Er nannte den Fall ein "Sommerloch-Thema“ und ergänzte: "Aber König Fußball interessiert wohl immer.“

Nach den Statuten der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist der Einsatz einer Beschallung in der Spielordnung geregelt. Dort heißt es unter anderem: "Der Einsatz von Beschallungsanlagen hat so zu erfolgen, dass der sportliche Verlauf des Spiels nicht beeinträchtigt wird, Spieler und Schiedsrichter/-Assistenten nicht gestört oder irritiert werden und das Fair-Play-Gebot, insbesondere gegenüber der Gastmannschaft und deren Spielern und Offiziellen, Beachtung findet“.

Fanforscher: "Das wird einmalig bleiben"

Fanforscher Gunter A. Pilz verurteilt die Fan-Attacke, geht aber nicht von Nachahmern aus. "Das ist mit Sicherheit einmalig und wird einmalig bleiben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass das vom DFB, der DFL oder den Clubs toleriert wird“, sagte der Honorarprofessor vom Institut für Sportwissenschaft der Leibniz-Universität in Hannover der Nachrichtenagentur dpa.

Pilz zeigte sich überrascht von dem Vorfall, als er am Dienstag in seinem Urlaub erstmals davon erfuhr: "Da muss der Club geschlafen haben. Im Gegensatz zum Mitbringen von Bengalos kann man das doch verhindern“, sagte Pilz, der sich darüber wunderte, dass der Club vom Anbringen der Anlage nichts gemerkt habe. Wenn dies aber stimme, müsse man sich fragen, "welch Geistes Kind der Angestellte ist“, urteilte der langjährige Fan-Wissenschaftler. "Da kann man nur hoffen, dass er fristlos entlassen wird.“ (dpa/sid/dapd/abendblatt.de)